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Friday for Future

Nachdem sich die ältere Generation immer wieder wundert, warum die sogenannten „Jungen“ so gar keinen Anteil an der Politik zu nehmen scheint, reibt sie sich die Augen angesichts der Aktion “Friday for Futur“, die dabei ist, ein Massenphänomen zu werden. Und anstatt nun erfreut zu sein, dass ihre Vorverurteilung der „unpolitischen Jungen“ ins Leere läuft, regen sich einige Kreise darüber auf, dass hier die Schulpflicht in Frage gestellt sei. Als ob sich irgendjemand um derartige Pflichten gekümmert hätte, wenn der Person ein erkanntes Problem auf den Nägeln brennt.

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Plötzlich erhält das Unterrichtsfach Politik oder Demokratie praktische Konturen und das einzige Argument, das dem entgegen gesetzt wird, ist, dass hier die Schulpflicht (Klartext: die Ordnung) gestört wird. Aber vielleicht lernen die Aktivisten bei dieser Art von praktischer Politik mehr fürs Leben, als die Theorie je erreichen kann.

Es ist schon merkwürdig: es gibt eine Schulpflicht, aber es muss doch auch eine Pflicht des Schulträgers geben, alle vorgesehenen Stunden ohne Ausnahme zu leisten, mit anderen Worten: Wenn Unterricht regelmäßig ausfällt, wo ist da die Pflicht des Trägers, dafür zu sorgen, dass Unterricht auch stattfindet. Mein (nicht ganz ernst zu nehmender) Vorschlag wäre, die pro Woche sowieso ausfallenden Stunden auf den Freitag zu verschieben und dort zu sammeln. Denn, wenn kein Unterricht stattfindet, kann man ihn auch nicht schwänzen. Dann passt es doch wieder?

Das Frappierende an dieser Aktion ist für mich, dass sich seit 1972 die Wissenschaft den Mund fusselig redet und auf die Folgen unseres Lebensstils und unserer Wirtschaftsform hinweist, dass große internationale Debatten (Rio, Kyoto, Paris, zuletzt Kattowitz), in dessen Rahmen vermutlich kiloweise ‚Papers‘ produziert werden, ohne dass sich irgendetwas verändert. Außer, dass man wieder und wieder politisch betont, wie wichtig das Alles sei und man sich wechselseitig auf die Schultern klopft, um zu bestätigen, wie toll die niedergelegten Absichtserklärungen sind. Zu Hause werden große Pressekonferenzen einberufen, vollmundig bestätigt, wie man jetzt die Sache aber unbedingt angehen will. 1972 war vor 47 Jahren, das ist mehr als ein halbes Leben. Können Sie mir einen wesentlichen Punkt nennen, wo diese Papiere in die Tat umgesetzt wurden? Da wird sich das eine oder andere finden lassen – aber hat sich unser Energieverbrauch stabilisiert oder gar verringert? Seit 1972 steigt die Konzentration des Indikators CO2. Die Zielerreichung anderer (Neben-)Ziele ist gleichfalls negativ. Das einzige, was wächst, ist die Wirtschaft und damit der Energieverbrauch, und das ist und bleibt das Problem künftiger Generationen.

Und diese fortlaufende „Verarschung“ (ich entschuldige mich für diesen Ausdruck, aber nehme ihn nicht zurück) des Publikums fällt allmählich selbst dem Dümmsten auf. Es braucht schon eine besondere charakterliche Verbiegungsfähigkeit, um auf der einen Seite vollmundig Klimaschutz zu propagieren und auf der anderen Seite genau das Gegenteil zu tun. Man könnte auf die Idee kommen, es braucht die konsequente und gnadenlos realistische Einschätzung eines Autisten, dessen Psyche keinen zweifelhaften Einflüsterungen und halbseidenen Kompromissen zugänglich ist, um hier Klartext zu reden.

Ich habe mich gefragt, ob es sinnvoll war, dass Greta Thunberg auf der Gala-Veranstaltung zur Verleihung der Goldenen Kamera auftrat. Es war ein großer Erfolg, aber anders als die meisten Gesellschaftsblätter zum Ausdruck bringen: Greta Thunberg hat m.E. die Selbstüberschätzung dieser Veranstaltung auf eine überaus elegante Weise demonstriert, hat die anwesende Celibrity hoch genommen, geschickter Weise nicht verurteilt, sondern sie für die Sache des Klimas auf eine Weise verpflichtet, die anerkennenswert ist. Sie hat in einfachen und klaren Sätzen ihr Anliegen vorgebracht und ihre absolute Notwendigkeit verdeutlicht. Allein schon der Gegensatz: Greta Thunberg in einem schlichten Allerweltskleidchen mit Turnschuhen, kaum geschminkt, steht der aberwitzigen Welt des Glitzers und des schönen Scheins gegenüber. Sie wirkt so etwas von konzentriert und präsent, dass man es beinahe körperlich spüren konnte. Alles, was sie ausführte, hatte Hand und Fuß, blieb verbindlich in der Sprache und brachte hammerhart die Dinge auf den Punkt. Sie hat auch letztlich dem VW-Konzern die ‚Schau‘ gestohlen. Nach Thunbergs Ausführungen erhielt die Gewinnerin des ersten Preises der Gala-Veranstaltung vom VW-Konzern einen SUV geschenkt: absolut unpassend, ja kontraproduktiv, wenn zuvor eine Umweltaktivistin so mächtig zu Wort kommt. Ein SUV ist doch die Verkörperung des ökologischen Unsinns – als Auto zu schwer, als Panzer zu billig gebaut, zu viel Spritverbrauch, zu viel Co2-Ausstoss, die Zuladung und das Raumangebot ineffizient, die Außenmaße sind nicht für unsere bestehenden Parklücken oder gar Parkhäuser geschaffen, das ‚Ding‘ steht sich selbst im Weg – schlicht ein überflüssiges Modell, dient aber in gewissen Kreisen als Statussymbol. Der SUV symbolisiert ein Lebensgefühl, das Greta Thunberg als überholt und unzeitgemäß brandmarkt.

Ob Greta Thunberg gegen die Maßnahme von VW protestiert hat, ist nicht bekannt. Darauf kommt es auch nicht an: Ihr war, so mein persönlicher Eindruck, die Verleihung einer „Goldenen Kamera“ so was von egal – sie wollte zu der anwesenden Celebrity-Community sprechen und ihr Anliegen vorantreiben. Das ist ihr (mit oder ohne VW-SUV) hervorragend gelungen.

Anne Will hatte zum Thema „Friday for Future“ am 31.3.2019 in ihre ARD-Sendung geladen. Zuvor hatte sie Greta Thunberg interviewed und dieses Gespräch als Einführung bereitgestellt. Dabei hat Frau Will Greta auf ihr Asperg-Syndrom angesprochen, das  – so scheint es dem Zuhörer – ein wichtiger Punkt ist, um die Unbeirrbarkeit in ihrer Meinungsbildung und -umsetzung verstehen zu können. Leider hat Frau Will das Asperg-Syndrom nicht näher besprochen. Greta weist Züge einer autistischen Person auf und ist sich dessen auch bewusst. Kennzeichnend scheint bei ihr die Unbeirrbarkeit in Fragen der Logik und des Intellekts und eine gewisse Schwarz-Weiß-Sicht auf die Realität zu sein. Etwas, was der Autist mit Hilfe seines ausgeprägten Verstandes erfasst hat, zwingt ihn in gewissen Grenzen dazu, das für richtig Erkannte kompromisslos um- bzw. durchzusetzen. Eine Ablenkung, der viele Menschen ständig unterliegen, ist aufgrund der Denkstrukturen eines Autisten nur schwer zu realisieren.

Aufgrund der Betonung des Intellekts sind bei dieser Form des Autismus die sozialen Fähigkeiten oftmals unterentwickelt. Autisten gelten als ernst, lachen selten und sind für all das, was in den sogenannten Sozialen Medien vor sich geht, wenig empfänglich. Das ist ihnen vermutlich zu dumm oder zu lästig. Autisten sind auch hinsichtlich der alltäglichen psychologischen „Kriegsführung“ (Werbung, Framing, gezielte Verbreitung von unbegründetem Optimismus, Statusfragen, populistischen Aussagen, u.ä.) nicht sonderlich empfänglich. Vor diesem Hintergrund wird auch die Antriebskraft, die hinter Greta Thunbergs Person steht, vielleicht etwas verständlicher.

Das glatte Gegenteil zu Thunbergs Konsequenz waren teilweise die Aussagen der in der Sendung anwesenden Politiker. Insbesondere Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, äußerte sich stolz zum Kohlekompromiss für 2038. Nach seinen Worten wurde dieses Datum von allen Beteiligten für gut befunden. Im Klartext: Bis dahin haben alle Beteiligten des Kompromisses das maximal mögliche, finanziell Entzielbare aus der getroffenen Übereinkunft zu Lasten der Umwelt und der künftigen Generationen auf ihre Seite gezogen. Alle Beteiligten haben ihr ‚Schäfchen‘ im Trockenen. Der Kompromiss für 2038 hat also gar nichts mit dem Umweltschutz zu tun, er ist ein fauler Kompromiss auf dem Rücken der Umwelt und den kommenden Generationen. Letztere waren beim finanziellen „Fingerhakeln“ auch nicht am Verhandlungstisch vertreten.

Diese Vorgehensweise ist genau der Punkt, an dem die Aktivisten eingreifen. Es geht nicht darum, dass die Wirtschaft immer wieder ihr zweifelhaftes finanzielles Süppchen kochen kann; es geht der Aktion „Friday for Future“ um die Umwelt und um ihre bzw. die ihr folgenden Generationen und deren Lebensverhältnisse. Und da ist die getroffene Vereinbarung 2038 kein fairer Kompromiss, sondern eine Vergewaltigung, weil die Hauptbetroffenen (Umwelt und künftige Generationen) überhaupt nicht am Verhandlungstisch saßen und deshalb auch keine Rolle gespielt haben. Man lässt aber jedem Beteiligten aus einer als verkehrt erkannten Vergangenheit seine inakzeptablen Maximal-Forderungen stellen, rechnet die externen Effekte (Verschmutzungen i.w.S.) nicht gegen und stimmt den Forderungen des lieben Friedens willen auch noch zu. Und nennt das dann einen gelungenen Kompromiss!

Wenn ein überdimensionaler Orkan als Folge falschen Handelns in der Vergangenheit über unser Land hinwegfegen würde, könnte ein riesiger Schaden entstehen, der uns um 10 – 15 Jahre zurückwerfen würde. Dann würden die steilen Geld-Forderungen der Beteiligten aus dem Kompromiss auch fraglos weiter begleichen. Obwohl dieser Orkan durchaus als eine Folge des durch diesen Kompromiss mitverursachten Schadens angesehen werden müsste. Eine solche Vorstellung ist einfach grotesk!

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Ein merkwürdiger Zufall oder gezielte Strategie?

Vor knapp 10 Jahren – für die Politik eine unvorstellbar lange Zeit – wurde ein Mann namens Alexander Dobrint in seiner Partei als nützlich erkannt und systematisch zum Paradiesvogel aufgebaut. Wie kann man so etwas behaupten, ohne den Herrn noch die Umstände näher zu kennen? An Dobrint wurde von der Partei hinsichtlich seines äußeren Erscheinungsbildes jahrelang hingearbeitet, um aus einem eher unauffälligen jungen Mann etwas zu formen, was politisch verwertbar sein könnte, ohne die Erscheinungsbilder der Parteigranden zu beschädigen.

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Und das war die Rolle des Paradiesvogels, eines Menschen, der ein bisschen durchgeknallt wirkt, dem aber auch körpersprachlich anzumerken war, dass die Rolle seiner Persönlichkeit nicht so recht entspricht. Dann haben die Parteistrategen diese Kunstfigur mit strategischem Kalkül auf die PKW-Maut angesetzt mit dem Argument, wir müssen insbesondere die „Ausländer“ auf unseren Autobahnen zur Kasse bitten. Der Ausländergedanke war für die Ansprache der rechten Partei-Klientel hilfreich und die Aufregung über die dabei zum Ausdruck kommende Diskriminierung überdeckte die politische Grundfrage: Brauchen wir eigentlich eine Maut? Ob Dobrint politisch auch für irgendetwas anderes stehen könnte, ist den meisten Beobachtern gar nicht in den Sinn gekommen.

Alexander Dobrint hat das Maut-Thema mit einer Penetranz und Einseitigkeit verfolgt, die schon beachtlich waren. Jedem politisch Interessierten war klar, wenn er damit ernst macht, ‚pfeift‘ ihn die EU wegen Diskriminierung der EU-Ausländer zurück. Aber die rechtslastige Klientel war offensichtlich stark beeindruckt. Und siehe da, bei der nächsten Regierungsbildung war Herr Dobrint dabei, zeigte seine Paradiesvogelqualitäten als „Wadlbeißer“ und „Enfant terrible“ und durfte dann (mangels anderer Qualitäten, aber möglicherweise aus Dank) den Verkehrsminister spielen. Als er dann tatsächlich an die Realisierung seines Maut-Plans ging, kam, was kommen musste (und was schon eingeplant war): die EU erhob Einspruch. Wenn schon eine Maut, dann müssten alle Nutzer der Autobahnen (nicht nur die Ausländer) ein Nutzungsentgelt leisten, also auch die Inländer. Man tat sehr überrascht und als neue Variante hieß es jetzt: wir verrechnen die Maut oder doch Teile von ihr mit der KFZ-Steuer. Auch dieser Schwenk war erkennbar vorbereitet. Das schien zwar nicht besonders pfiffig, aber die EU hat sich nicht mehr angesprochen gefühlt, weil das eine sogenannte nationale Maßnahme darstellte.

Parallel dazu hat die Bundesregierung ein neues Gesetz geschaffen und hat Teile ihrer Infrastruktur, nämlich ihre Autobahnen, in eine Autobahn-GmbH eingebracht. Diese GmbH wurde nach dem Übertragungsbeschluss des Parlaments schnell in eine AG umgewandelt. Da alle Welt zu Recht glaubte, dass die Bundesregierung die vom Steuerzahler finanzierten Autobahnen privatisieren (verkaufen) wolle, wurde öffentlich von der Bundesregierung die Zusage effektvoll lanciert, dass der Bund als Eigentümerin der AG die Autobahnen „auf ewige Zeiten“ als Eigentum behalten würde.

Bis hierhin sind zwei Handlungslinien erkennbar: die eine Entwicklungslinie führte dazu, dass die Autobahnen für eine Privatisierung vorbereitet wurden (Übertragung aller Autobahnen auf die AG) und die andere Maßnahmenlinie führte über den Verkehrsminister Dobrint mit seiner Maut. Der Paradiesvogel, der bei vielen nur Stirnrunzeln auslöst, hat mit seiner Maut dafür gesorgt, dass die Autobahnen plötzlich Renditen produzieren. Mit dieser Strategie wurde eine wichtige Infrastruktur, die in erster Linie Kosten verursacht, aufgepeppt und markttechnisch so aufbereitet, dass die Privatinvestoren, die dringend im Rahmen einer Nullzinspolitik nach einer Geldanlage suchten, endlich wieder ein Objekt ihrer Begierde gefunden hatten. Dumm dabei ist nur die Tatsache, dass die Bürger eine Sache entschädigungslos finanziert haben, die jetzt Grundlage für private Gewinne darstellen: Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren! Was sonst? Und wenn eines schönen Tages der Zeitpunkt kommt, dass aus dem Infrastrukturprojekt keine Gewinn mehr gezogen werden kann, geht die Infrastruktur wieder in die öffentlichen Hände zurück: ausgelutscht und am untersten Rand einer möglichen Instandhaltung angesiedelt. Es braucht dann Milliarden, um diese Infrastruktur wieder auf einen angemessenen Erhaltungszustand zu bringen. Alle die Milliarden, die durch die Verpachtung (hoffentlich) eingenommen wurden, dürfen wieder zur Unzeit investiert werden. Wo liegt da auf lange Sicht – und das ist die einzig angemessene Sicht auf die Infrastruktur – für den Wähler der Vorteil?

Aber war da nicht die Zusage der Bundesregierung, dass die Autobahnen nicht veräußert werden dürfen? Richtig! Aber die Zusage bezieht sich nur auf das Eigentum. Von der Nutzung der Autobahnen durch Privatinvestoren, also gewissermaßen die Vermietung oder Verpachtung, war ja nie die Rede und sie ist damit auch nicht ausgeschlossen. Wer da wen auf die Rolle genommen hat, wollen wir gar nicht untersuchen. Die Durchführung ist einfach ärgerlich und einer Demokratie mangels Transparenz nicht würdig.

Das Autobahn-Projekt als Vermarktung von Infrastruktur scheint vorerst abgeschlossen – „Misson completed“! Herr Dobrint wurde kurzfristig durch Herrn Scheuer ersetzt. Der ehemals unbekannte Alexander Dobrint schien in seiner Partei zu einer gewichtigen Person geworden zu sein. Den Paradiesvogel-Kasper muss er nicht mehr geben. Aber die politische ‚Mehrzweckwaffe‘ Dobrint ist politisch geradezu unauffällig seriös geworden. Am Nockherberg war er nicht einmal mehr einer Erwähnung für würdig erkannt – „der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“? (Schiller)

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Neue Technologien – quo vadis?

Viele Menschen werde der Auffassung zustimmen können, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben. Man kann aus heutiger Sicht den Beginn des politischen Umbruchs schwerpunktartig auf das Jahr 1989 legen. Der Sozialismus hat sich als Regierungsform aufgelöst. Der Kapitalismus, der als Gegenspieler des Sozialismus viel Kraft und insbesondere Einigkeit aus dem Gegensatz schöpfte, droht an Überzeugungskraft zu verlieren. Politik erschöpft sich wesentlich in wirtschaftlichen Fragen.

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Parallel ist sich die Mehrheit der Menschen bewusst, dass wir über unsere Verhältnisse leben, dass wir heute die Ressourcen unserer Enkel verbrauchen. Alles Handeln der Politik deutet darauf hin, dass dort die Lösungen des Problems von der Technologie erwartet werden. Aber es ist gar nicht klar, ob diese Art von Erwartungen an die Technologie nicht einen wesentlichen Teil des Problems darstellt.

Manche Menschen, die ein Gespür für Veränderungen besitzen, stellen fest, dass eine Reihe bisher gültiger Wirtschaftsstrategien ihre Sinnhaftigkeit verloren haben. Mobilität ist so ein Beispiel. Lange Zeit waren wir so von ‚Automobilität‘ fasziniert, dass wir die gesellschaftliche Funktion von „Mobilität“ in ihrer Breite aus den Augen verloren haben. Die Einseitigkeit führte zu Entwicklungsfehlern, die die Politik jetzt mit viel Geld zu reparieren versucht:

  • Die Deutsche Bundesbahn wurde im politischen Auftrag kaputt saniert. Die Nachfolgeorganisation (Die Bahn AG) kämpft jetzt mit öffentlichen Geldern über die kommenden 20 Jahre mit den organisatorischen und personellen Defiziten, um das Manko dieser Sanierung wieder ausgleichen zu können. Da es schon bei den Grundlagen hapert, ist hier an Zukunftsfähigkeit kaum zu denken.
  • Die Autobahnen werden privatisiert, aber man hat dabei nicht bedacht, dass damit auch Konkurse einhergehen können, weil eben nicht alle Autobahnen mit einer entsprechend gewinnbringenden Frequenz aufwarten können. Investoren picken sich unter der Überschrift „Private Public Partnership (PPP)“ die Filetstücke heraus, den „schäbigen“ Rest überlassen sie regelmäßig der öffentlichen Hand. Autobahnen sind Teile der Infrastruktur und haben in privater Hand nichts verloren!
  • Dank einer inzwischen über 60jährigen Friedensphase kommt unsere Infrastruktur insgesamt in die Jahre. Erhaltung muss vor Neubau rangieren. Schon lange sucht man dafür nach einem politisch zündenden Konzept und unsere Infrastruktur nähert sich einem Zustand der Verrottung. Reparieren oder Renovieren kann teuer sein, aber eine funktionierende Infrastruktur ist in Deutschland wichtiger als mancher Großkonzern: Ohne Infrastruktur sind die sogenannte ‚Leistungen‘ der Großkonzerne gar nicht realisierbar.
  • Man kann sogar der Auffassung sein, dass auf manchen steuervermeidenden Großkonzern verzichtet werden könnte, aber keinesfalls auf eine intakte Infrastruktur. Für jeden Großkonzern, der sich verabschieden würde, stehen zehn andere internationale Unternehmen auf der Matte, um die Chance zu haben, unsere Infrastruktur nutzen zu dürfen.

In jüngster Zeit sehen wir das Heil in einer neuen Strategie: Sie heißt E-Mobilität und sie wiederholt möglicherweise den gleichen Fehler, den wir vormals mit der Automobilität erlebt haben. Alles wird zu eng und zu kleinkariert gesehen. „E-Mobilität“ mag ein (kleiner) Beitrag zur Lösung sein, aber nicht mehr. Sie wird uns aber politisch als die ganz große Lösung verkauft.

Vergleichbares erfolgt mit der Digitalisierung. Die wenigsten können das Wort richtig buchstabieren, aber alle sind dafür. Schlimm wird es dann, wenn man glaubt, Digitalisierung dadurch forcieren zu können, indem man Milliarden Euro in Schulen investiert. Digitalisierung kann nur ein Hilfsmittel bereitstellen, aber keine Inhalte. Wenn unsere Schulen nicht im Zentrum einer sinnvolle Schulpolitik stehen, dann nützt die Digitalisierung auch nichts.

Zudem gibt es zahllose Länder, die die Digitalisierung der Schulen schon vor Jahren euphorisch eingeführt haben und sie jetzt wieder abschaffen, weil sie sich als grandioser und teurer Flop erwiesen haben. Aber wir wissen das ja besser! Wir machen das Alles ganz anders! Behalten Sie bitte die Sprüche zur Digitalisierung des Schulwesens in Erinnerung, um in wenigen Jahren dann die kleinlauten Ausflüchte zu erkennen, wie ‚Dummheit‘ (fehlende Urteilsfähigkeit) dann zum Erfolg hochstilisiert wird.

Über eine Frage spricht (fast) niemand ernsthaft im politischen Umfeld: Unsere Umweltprobleme sind, vereinfacht ausgedrückt, eine Folge unseres überdimensionierten Energieverbrauchs. Hier taucht dann immer wieder das Bild von den anderthalb bis zwei Welten auf, die wir gegenwärtig verbrauchen, denen aber nur eine reale Welt gegenübersteht. Wenn wir unser Heil angesichts dieser Überbelastung unserer realen Welt z.B. in der E-Mobilität und in der Digitalisierung sehen, dann heißt das doch im Klartext, dass die Einführung des E-Automobils zusätzliche Energie benötigen wird. Der bestehende, mit fossiler Energie betriebene Automobilpark sollte dann natürlich im Wechsel mit der E-Mobilität Zug um Zug reduziert werden. Es wird stattdessen munter oben aufgepackt!

Wenn die Digitalisierung vorangetrieben wird, dann heißt das in erster Linie mehr zusätzlichen Energieverbrauch. Eine Welt, die energetisch schon am Limit fährt, will jetzt noch neue, zusätzlich energiefressende Technologien einsetzen? Wo bleibt da die vernunftgesteuerte Konsequenz? Konsequent wäre es, die eine oder andere Alt-Technologie offiziell aus dem Verkehr zu ziehen (nicht mehr zuzulassen), damit die damit frei werdenden Energiemengen (und nur das ist wichtig!) auf die neue Technologie übertragen werden können. Man kann nicht immer nur aufpacken, wenn man nicht weiß, wie man den Energie-Hunger der neuen Technologie sinnvoll befriedigen soll. Der Glaube an das Perpetuum mobile scheint unverwüstlich zu sein.

Niko Paech verwendet den Begriff des „Energie-Sklaven“, um zum Ausdruck zu bringen, dass jede neu eingesetzte oder forcierte Technologie, die der Mensch nicht eigenhändig betreiben kann, eine Form von Energie-Sklaven hervorbringt, die zusätzliche Energie verbrauchen werden. Wenn wir aber umweltpolitisch offensichtlich am Limit fahren, was tun dann unsere Politiker? Eine moderne Technologie ohne Energieverbrauch ist physikalisch nicht denkbar. Nur die Ökonomen hoffen hier auf ein himmlisches Wunder. Also müssen wir uns entscheiden, welche Technologien wir für unverzichtbar halten und jene Verfahren, die sich überlebt haben, zur Freisetzung von deren Energieverbrauch aufgeben. Ob sich eine solche Idee überhaupt umsetzen lässt, bleibt aber aus technischen Gründen fraglich, weil Technologien ja nicht wie Soldaten nebeneinander stehen, sondern vielfach und komplex verknüpft sind. Wenn es die Technologie offensichtlich nicht richten kann, müssen wir uns dann nicht endlich fragen, ob der Lebensstil, den wir alle pflegen, noch darstellbar und vertretbar ist? Es kommt die Zeit, an der alle optimistischen Erwartungen, alle Bemühungen um Framing, alle Beschönigungen, Greenwashing und andere Lügen nichts mehr nützen werden. Aber sollte man nicht alles tun, um diese absehbaren Einschnitte geplant ablaufen statt sie in einem Desaster enden zu lassen?

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Grund und Boden – ist Spekulation unabweisbar?

Rückblick

Der Alt-Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel, hat sich jüngst in der SZ zu Wort gemeldet und die Wohnungspolitik der Regierungen in Deutschland hart kritisiert. Dabei kamen Themen zur Sprache, die vor 45 Jahren schon unter den Regionalplanern heiß diskutiert wurden: Kann es sein, dass der begrenzte (also nicht vermehrbare) Grund und Boden überhaupt Gegenstand eines Marktes ist?

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Der Wettbewerb um dieses immer knapper werdende Gut treibt den Preis durch Spekulation von einer „Blase“ zur nächsten. Die Lösung wurde damals wie heute in der grundsätzlichen Unverkäuflichkeit von Grund und Boden gesehen. Der Grund und Boden kann kein privates Wirtschaftsgut sein. Ein langfristiges Nutzungsrecht von Grund und Boden (die Erbpacht) ist ein adäquater und sinnvoller und politisch gestaltbarer Ersatz.

Das weitere Standbein einer sinnvollen Siedlungspolitik ist die Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften. Der Dreh liegt nicht unbedingt darin, dass die öffentliche Hand dort mitmischt, sondern der Kick liegt darin, dass die Genossenschaft eine recht alte Gesellschaftsform ist, die geschaffen wurde, um eher gemeinnützige Projekte anzugehen. Eine Genossenschaft kann sich nach ihren Statuten nicht der Gewinnmaximierung verschreiben. Sie hat neben einem angemessenen Gewinn auch die sozialen Belange ihrer „Genossen“ (Teilhaber) zu fördern. Als Folge sind die Mieten des genossenschaftlichen Wohnungsbaus regelmäßig günstiger als die des privaten Wohnungsbaus. Genossenschaftlicher Wohnungsbau wirkt bei ausreichendem Umfang bremsend auf die Mietentwicklung in einem Markt, weil die günstigeren genossenschaftlichen Mieten beim Mietspiegel und der Bestimmung von Vergleichsmieten den spekulativen Trend zu brechen in der Lage sind.

Wenn nun ein bayerischer Finanzminister 33.000 genossenschaftliche Wohnungen in München und Umgebung an private Investoren verkauft (egal aus welchem Grund), werden die ehemals genossenschaftlichen Wohnungen zu privatwirtschaftlich genutzten Wohnungen umgewidmet und der vormalige genossenschaftliche Bremseffekt ist systembedingt aufgehoben. 33.000 Wohnungen befeuern auf einen Schlag den Mietmarkt für private Wohnungen. Wer die Mietpreisentwicklung der letzten Jahre beobachtet hat, wird sicherlich bestätigen können, dass die Umwidmung von 33.000 Wohnungen allein durch ihre große Zahl einen Schub von unvorstellbarer Kraft ausgelöst hat. Jetzt rudert derselbe Finanzminister als Ministerpräsident zurück und versucht, den Genossenschafts – ‚Gaul‘ mit Staatgeldern neu aufzuzäumen.

Erbpacht

Wenn eine Gemeinde Grund und Boden ihrer Gemarkung verkauft hat, hat sie ein Stück weit Einfluss auf ihre Entwicklung verloren und in vielen Fällen sind ihr damit langfristig die Hände gebunden. Eine Reihe von Gemeinden ist deshalb dazu übergegangen, nicht mehr ihr Land zu verkaufen, sondern Grund und Boden den Bürgern über Erbpacht nur für eine oder mehrere Generationen zur Verfügung zu stellen. Der Erbpächter des Grundstücks kann das Grundstück nutzen wie ein Eigentümer, aber das Eigentum bleibt letztlich beim Gemeinwesen. Die Regelung hat auch nichts Revolutionäres, weil das Recht aus dem Erbpachtvertrag dem des Eigentums recht nahe kommt, zumindest für die Laufzeit des Erbpachtvertrages, und das sind üblicherweise 33 bis 99 Jahre. Wenn es keine wesentlichen Veränderungen der städtebaulichen Umstände gibt, steht auch einer Verlängerung des Vertrages nichts im Wege. Auf der anderen Seite ist das Gemeinwesen in der Lage, langfristig (über Generationen hinaus) zu planen und kann bei Ausbleiben des Erbpachtzinses oder mit Ablauf des Vertrages unter definierten Voraussetzungen die Kündigung des Erbpachtvertrages einzuleiten, um ihr Eigentumsrecht durchzusetzen. Es würde ausreichen, wenn zukünftig den Gemeinden über die kommenden Generationen bei jeder Vererbung ein Vorkaufsrecht eingeräumt würde. Ob und wie sie es nutzen, ist dann eine lokale Gremienentscheidung der Kommune.

Es ist nicht vorgesehen, Grund und Boden zu enteignen. Das Eigentum ist grundgesetzlich geschützt. Die Gemeinde kann das Grundstück ‚erwerben‘, nicht aber das darauf stehende Gebäude. Wie die Gemeinde den Kauf gestaltet, ist eine Frage der Verhandlung. Dem Erwerb des Grundstücks durch die Gemeinde stehen künftige Erbpachtzinsen als Einnahmen gegenüber, die z.B. so bemessen werden können, dass der frei vereinbarte Grundstückskaufpreis über 33 Jahre zinslos als Erbpachtzins verrechnet werden kann. Den Schulden der Gemeinde steht als Wertsicherung das Grundstück gegenüber, und als Amortisation stehen künftige Erbpachtzinsen zur Verfügung, die eine bescheidene, aber ‚ewige‘ Rendite für die Gemeinde erbringen werden. Der Erbpachtzins wird spätestens alle 33 Jahre an die realen Gegebenheiten (Inflation) angepasst. Zur objektiven Preisbestimmung gibt es Wertfeststellungen durch das Katasteramt, die sich auf real durchgeführte Verkäufe stützen. Das Ziel der Maßnahme ist es, auf lange Sicht dem Gemeinwesen seine Entscheidungshoheit über die Grundstücke seiner Gemarkung wieder mehrheitlich zu übertragen, um dann ebenfalls auf lange Sicht bei Bedarf gestaltend eingreifen zu können.[i] Wenn die Nutzung des Bodens in Erbpachtverträgen niedergelegt ist, dann liegt im Fall von Arrondierungen, Neuaufteilungen und ähnlichem die Entscheidung in den Händen des Gemeinwesens, und sie entscheidet aus der unangefochtenen Position des Eigentümers. Wenn sich Widerspruch rührt, was nicht auszuschließen ist, so steht unverändert der Rechtsweg offen.

Spekulation

Ergänzend wird durch das Erbpachtrecht die Spekulation weitgehend außer Kraft gesetzt, weil das Objekt der Begierde, der nicht vermehrbare Boden, dem Markt nicht mehr zur freien Disposition steht. Einmal ist das Recht der Erbpacht grundsätzlich zeitlich begrenzt, und weiter ist die Verfügbarkeit der Sache eingeschränkt. Ein Wechsel des Pächters setzt die Zustimmung des Eigentümers voraus. Das sind alles Eigenschaften, die es einer Immobilienspekulation schwermachen, ihren Vorteil in Bezug auf das Grundstück durchzusetzen. Es dauert zu lange, und die potenzielle Publizität ist dieser Art von Geschäften eher abträglich.

Diese Vorgehensweise wird das Verhalten der Erbpachtnutzer und des Eigentümers nicht grundsätzlich berühren, aber bei jedem Wechsel des Erbpachtvertrages ist die Gemeinde in der Lage, dessen Bonität des neuen Pächters zu prüfen und durch Auflageklauseln die Bebauung effektiver zu steuern als es über eine Bauleitplanung möglich ist. Investoren sind willkommen, aber was sie errichten, muss sich dem Stadtbild des Gemeinwesens anpassen. Zur Renditebetrachtung des Investors kommt eine zweite Sicht, nämlich die übergeordneten langfristigen Entwicklungsgesichtspunkte des Gemeinwesens. Üblicherweise geschieht das in begrenztem Umfang schon heute, aber der Erbpachtmodus gibt dem Gemeinwesen als Grundstückseigentümer eine deutlich stärkere Stellung.

Bestehende Erbpachtverträge sind immer und grundsätzlich vom Pächter übertragbar und veräußerlich. Die einzige Einschränkung liegt darin, dass der Verkauf des Hauses samt Erbpacht die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich macht, die in der Regel erteilt werden muss, wenn keine schwerwiegenden Tatsachen bekannt werden, die einer Zustimmung entgegenstehen.

Lokale Öffentlichkeit als Kontrolle

Wie kann man sicherstellen, dass hier nicht ›Mauschelei‹ betrieben wird, um sich die ›Filetstücke‹ der gegenüber dem Kauf deutlich günstigeren Erbpacht zu sichern. Wir dürfen sicher sein, dass das Interesse der Öffentlichkeit des Gemeinwesens für derartige Vorgänge groß sein wird, weil es sich nicht mehr um private Grundstücksgeschäfte handeln wird, sondern um eine öffentliche Vergabepraxis. Auch heute ist der private Grundstücksmarkt nicht frei von ›Mauschelei‹. Man kann davon ausgehen, dass die Kontrolle des Gemeinwesens durch die Bürger weitaus enger erfolgt als es heute der Fall ist. Durch die Tatsache, dass die Gemeinde Eigentümerin wird und bleibt, ist auch in viel stärkerem Maße die Diskussion über die künftige Stadt- oder Ortsentwicklung eröffnet. Für viele Kommunen ist es zwar schwierig aber wünschenswert, wenn wir auf Grund einer höheren Verdichtung immer enger zusammenrücken müssen. Konflikte können nicht mehr auf ewige Zeiten über das Eigentumsrecht an Grund und Boden ausgesessen werden. Durch die erweiterte Öffentlichkeit in einer Erbpachtausschreibung wird der Forderung nach demokratischer Kontrolle durchaus besser als bisher Rechnung getragen. Die Beteiligung am politischen Prozess wird auf einmal nachvollziehbar, und man kann erkennen, wo Veränderungen anstehen, weil die neuen Erbpachtverträge in der Gemeinde bekanntgemacht werden müssen.

Was sind die möglichen Folgen?

Als erstes entfallen für den Erbbauberechtigten die Anschaffungskosten für Grund und Boden, die durch eine deutlich moderatere, zinslose, aber inflationsabhängige Erbpacht ersetzt werden. Eine Grundsteuer wird künftig für diese Grundstücke entfallen. An der privaten Nutzung von Grundstücken ändert sich materiell nichts. Die Beschaffung von Eigentum und Wohnraum wird jedoch entscheidend günstiger und auch für Gesellschaftsschichten erschwinglich, die bisher keine Chance sahen, hier aktiv zu werden. Der allgemeine Wohnungsbau wird ebenfalls günstiger, weil auch hier die Anschaffungskosten von Grund und Boden entfallen[ii] und die Erbpachtzinsen in der Mietkostenabrechnung über die Zeit als anteilige Nebenkosten offen ausgewiesen werden.

Jeder Erbpachtvertrag ist für 33 Jahre von beiden Seiten nur aus wichtigem Grunde kündbar und die Kündigung muss mit Art 14 Abs.3 GG vereinbar sein. Ein Zwang zur Kündigung besteht aber nicht. Als zweckmäßig könnte es sich erweisen, die Laufzeit von Erbpachtverträgen auf 66 Jahre zu verlängern. Nach 66 Jahren benötigen die meisten Häuser eine Grundsanierung, um wieder an die technische Entwicklung Anschluss zu finden. Dann kann es sinnvoll sein, sich der Frage zu stellen, ob das Nutzungsrecht verkauft oder die Erbpacht um weitere 33 oder 66 Jahre verlängert und eine Generalsanierung durchgeführt werden soll. Oder das Grundstück wird aus Altersgründen, weil Erben fehlen oder aus anderen Gründen aufgegeben und der Gemeinde zur öffentlichen Ausschreibung nach Vertragsablauf zur Verfügung gestellt. Das aufstehende Gebäude muss vom neuen Nutzer zum Zeitwert abgelöst werden.

Die Mieten für Wohnraum werden sinken, weil sich die Anschaffungskosten um die Kosten für Grund und Boden reduzieren. Die Erbpacht erhöht die Miete zwar anteilig, ist aber nicht Teil der Miete, sondern wird transparent anteilig zugeschlagen, ist also in der Mietkostenumlage zu identifizieren.

Ein Erbpachtvertrag ist genauso fungibel wie ein herkömmlicher Eigentumstitel. Der Erbpachtberechtigte kann zu jeder Zeit seinen Vertrag gegen ein frei verhandeltes Entgelt für das Gebäude übertragen zzgl“ einer Abstandszahlung für die Bereitschaft, den Erbpachtvertrag auf den neuen Nutzer zu übertragen. Für die Übertragung des Erbpachtvertrages ist die Zustimmung des Eigentümers notwendig, die i.d.R. gegeben werden muss, wenn keine gewichtigen Einwände bestehen. Die Nutzungsklauseln des Erbpachtvertrages gelten, wenn keine Verhandlung zur Änderung aufgenommen wird, unverändert weiter. Wann immer ein Nutzerwechsel ansteht, haben der Eigentümer (und auch der künftige Nutzer) grundsätzlich das Recht und die Möglichkeit, in eine Verhandlung über eine Änderung des bisher bestehenden Vertrages einzutreten.
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[i]    Es ist nicht erforderlich, flächendeckend das Eigentum an Grund und Boden wieder auf das Gemeinwesen zu übertragen. Es genügt, wenn ein ›Flickenteppich‹ erreicht wird, um der Spekulation wirksam begegnen und um eventuell gestaltende Maßnahmen ergreifen zu können.

[ii]    Die Erbpacht ist ökonomisch vergleichbar mit einer langfristigen Miete, verbunden mit eigentumsähnlichen Rechten.

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Umweltpolitik mit der Klima-Dividende

Die Südd.Zeitung hat unter der Rubrik Steuerpolitik eine Idee dargestellt, die sie als Klima-Dividende bezeichnet hat. Die Idee, die wohl aus republikanischen Kreisen der USA (Climate Leadership Council) stammt, hat aber mit Steuerpolitik im Grunde nichts zu tun.

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Umweltpolitisches Werkzeug

Es geht darum, ein umweltpolitisches Werkzeug zu schaffen, mit dem man glaubt, die dringend notwendigen umweltpolitischen Maßnahmen durchsetzen zu können, ohne dass erwartet werden muss, dass die Wähler und die Wirtschaft dagegen Sturm laufen werden. Die Grundidee ist relativ einfach: Man erhebt von den Wirtschaftsunternehmen im Zeitverlauf progressiv steigende Abgaben für jede Einheit verwendeter fossiler Rohstoffe. Die dabei erfassten Abgaben werden aber nicht als Steuern vom Staat vereinnahmt, sondern sie sollen als Kopfpauschale wieder ausbezahlt werden (also an jede inländische Person ab einem bestimmten Alter in gleichen Beträgen pro Person).

Was bedeutet das im Klartext: Durch die Abgaben wird sich die Verwendung von fossilen Rohstoffen deutlich verteuern, d.h. die Energiekosten aus fossilen Brennstoffen z.B. werden erheblich steigen, weil plausibel unterstellt werden kann, dass die Wirtschaft die Abgabe auf ihre Preise aufschlägt. Diese höheren Energiepreise treffen alle, aber insbesondere jene Bevölkerungskreise empfindlich, die auf energetisch großem Fuße leben. Um die Wirkung der Kostensteigerung zu mildern, wird dann mehrmals pro Jahr eine „Klima-Dividende“ (so nennt es die SZ) oder auch „CO2-Dividende“ ausgeschüttet. Jeder Einwohner bekommt den gleichen Betrag, unabhängig vom Einkommen und unabhängig auf welchem energetischen Fußabdruck er gegenwärtig lebt. D.h. der, der relativ wenig Energie verbraucht, hat einen größeren Vorteil als der, der relativ große Energiemengen verbraucht. Bei der Rückerstattung ist also ein kleiner Umverteilungseffekt eingebaut. So jedenfalls sehen es die Initiatoren der Idee (u.a. auch der US-Ökonom Gilbert Metcalf, (Paying for Pollution)). Für den Climate Leadership Council ergeben sich aus dieser Idee drei wichtige Gesichtspunkte (eigene sinngemäße Übersetzung):

  • „Die stetig steigende Abgabe sendet ein starkes Marktsignal, das zu technologischer Innovation und zu einer umfassenden Substitution der bestehenden Energie- und Transportinfrastruktur ermutigt“ (es müsste ehrlicherweise heißen: auffordert);
  • „Steigende fossile Brennstoffkosten bieten Unternehmen eine Berechenbarkeit des Energiemarktes für längerfristige Investitionen, die dem Markt heute fehlt.“ (im Klartext: Du kommst aus der Nummer nicht mehr raus.)
  • „Die Rückerstattung (die Dividende) wird einen wichtigen Anreiz bieten, das rückerstattete Geld als Endkonsument wieder auszugeben.“ (das Ziel ist nur am Rande Umweltpolitik, das Ziel ist eine Verstärkung oder zumindest Sicherung des Konsums in Zeiten wirtschaftlicher Veränderung)“

Fragen der Umsetzung

Man verspricht sich eine große Wirkung, weil die Steuerung der Wirtschaft über den Preis als effektiv und elegant gilt. Aber Vorsicht: in Deutschland zahlt die Großindustrie deutlich niedrigere Preise pro KWh als jeder Haushalt. Und nicht nur in Deutschland – Vergleichbares wird es in allen Ländern der EU geben. Das Verhältnis liegt nach meinen Informationen in Deutschland etwa bei 1:3 oder 1:4, d.h. wenn der gewöhnliche Haushalt ohne Berücksichtigung des Grundbetrages etwa 22 – 24 ct/KWh bezahlt, zahlt die Industrie nur etwa ein Drittel bis ein Viertel des Preises. Wenn sich also eine solche Abgabe wie oben angesprochen auf der Basis von subventionierten Preisen ermittelt wird, vergrößern wir nur die Subventionsspanne, was nicht Sinn der Übung sein kann. Die Abgabe muss also auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Energiemenge x Abgabe pro Energieeinheit ansetzen, um hier realistische und vergleichbare Abgabenwerte zu erzielen. Sonst werden die Bürger gleich zweimal hinters Licht geführt. Zudem würde ihnen ‚Dividende‘ (Gewinn) entzogen, eine ‚Verfehlung‘, für das man im Kapitalismus mit hohen Strafen rechnen darf.

Das starke Marktsignal ist in erster Linie gegen die ‚Jumbos‘ (Großkonzerne) gerichtet, die mit politische Maßnahmen nicht mehr zu innovativem Handeln gebracht werden können. Deren Strukturen sind so verkrustet, dass nur ganz rabiate Maßnahmen (in einem netten Kleide verpackt) die Chance bieten, dass die ‚Jumbos‘ sich bewegen. Ein deutliches Beispiel bietet die deutsche Automobilindustrie. Von sich selbst sehr überzeugt, setzt siegesgewohnt auf das falsche Pferd und verschläft schlicht den Mobilitätstrend und muss jetzt mit einer Vielzahl von Problemen kämpfen, bei denen nicht sicher ist, ob sie ihre Marktstellung wird halten können.

Der Hinweis auf die Berechenbarkeit hinsichtlich künftig steigenden Brennstoffkosten bietet ja nicht nur einen Vorteil einer besseren Planbarkeit, es sagt auch ganz deutlich, entweder du bist beim Umbau dabei oder du darfst nicht mehr „mitspielen“.

Und die Rückerstattung (oder die Dividende) ist dann das Zuckerbrot: Die auferlegten Abgaben sollen wieder in den Konsum fließen und die kapitalistische Wachstumsmaschine weiter antreiben. Genau das ist m.E. der umweltpolitische Schwachpunkt des Konzepts.

Konzeptionelle Einschränkungen

Es werden die Preise für fossile Brennstoffe erhöht, um ihre Verwendung zu reduzieren. Das ist umweltpolitisch sicher gewollt. Damit diese „Kröte“ von der Wirtschaft geschluckt werden kann, wird der Endkonsument subventioniert, indem davon ausgegangen wird, dass der Empfänger der Dividende den erhaltenen Betrag wieder dazu benutzt, die höhere Kostenbelastung bei sich abzufedern. Die Wirtschaft soll den guten Willen der Politik anerkennen, den Konsum trotz Preissteigerung im Markt aufrecht zu halten oder eventuell auch zu erhöhen. Das wiederum kann umweltpolitisch nicht gewollt sein. Wie schon angeführt, ist das „Marktsignal“ weniger ein Signal für eine Reduzierung des globalen Verbrauchs an fossilen Brennstoffen, als ein Signal an die Wirtschaft: Baut um – wir sichern Euch den anhaltenden Konsum (so gut als möglich), denn der Umbau ist unumgänglich. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Wirtschaft dazu stellt.

Entscheidend ist die Frage, wie wird der Dividenden-Empfänger reagieren? Wird er oder sie das zusätzliche erhaltene Kapital in den Konsum stecken oder sinnvoller (nachhaltiger) verwenden? Was wirklich passiert, wird nur die Praxis zeigen können. Aber man kann über Plausibilitäten versuchen, ein paar Szenarien aufzubauen:

Die Vermögenden werden sich wenig um die Energiekostenerhöhung kümmern. Sie wird nichts an ihrer Haltung grundsätzlich ändern und die Umwelt-Dividende landet in der Portokasse. Der zur Diskussion stehende Betrag pro Kopf hat nicht die Höhe, bei der dieser Kreis sich über die Verwendung des Geldbetrages (strategische) Gedanken macht. Das Geld läuft in die täglichen Ausgaben und wird zu Konsum.

Der Bezieher eines monatlichen Durchschnittsbruttoeinkommens in Deutschland verfügt im Jahr 2017 über ca. 3.770 €. Wenn z.B. dieser Familienvater sich deutlich höhere Energiekosten gegenübersieht, wird er schweren Herzens seine Konsumquote erhöhen bzw. Wege suchen, seine Energiekosten durch entsprechende Maßnahmen zu verringern. Das ist umweltpolitisch erwünscht. Wenn dieser Familienvater dann noch eine Umwelt-Dividende beziehen würde, so wird er, da seine Grundbedürfnisse erfüllt sind, seine Sparquote erhöhen: Die Dividende wird nicht in den Konsum, sondern in die Rücklagen fließen. In Deutschland ist das Problem der Altersvorsorge virulent. Viele dieser Durchschnittsverdiener werden also die Variante des Aufbaus einer zusätzlichen Altersversorgung wählen oder notwendige Investitionen tätigen. Der Konsum ist die letzte (vielleicht auch die dümmste) Alternative.

Selbst Einkommensverhältnisse, die wir dem Segment des Prekariat zu rechnen, die also durch die Energiekosten tatsächlich betroffen sein werden, werden sich ähnlich verhalten, wie der Durchschnittsverdiener. Bei prekären Einkommensverhältnissen wird die Dividende aufgeteilt, aber das Bestreben gleicht dem eines Durchschnittsverdieners.

Wenn wir bei Hartz IV oder bei der Grundsicherung angekommen sind, dann nutzt die Umwelt-Dividende gar nichts mehr, weil sie vermutlich komplett von Staats wegen eingezogen wird bzw. es wird die Förderung nach dem Sozialgesetzbuch ausgesetzt. M. a. W. – der Kandidat hat keine Chance, seine Situation durch eine Umwelt-Dividende zu verbessern. Er kann auch keinen zusätzlichen Konsum auslösen, obwohl hier vermutlich eine recht hohe Konsumquote erreicht würde.

Wenn man ein Fazit ziehen will, wird deutlich, dass vermutlich nur ein Bruchteil der Dividende im Konsum landet, was natürlich die umweltpolitischen Chancen erhöht, dass die Ersparnisse sinnvoller und nachhaltiger ausgegeben werden als sie zu konsumieren. Aber der erwartete Konsumschub wird m. E. nicht eintreten. Auch das wäre umweltpolitisch nicht nachteilig. Es kann nicht sein, dass wir bestimmte Energieformen belasten oder besteuern und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, die den generellen Verbrauch an Energie weiter befeuern. Das ist die beknackte Vorstellung des Kapitalismus. Hauptsache, es dreht sich was. Wir verbrauchen heute schon mehr „Erden“ als wir besitzen. Aber das wollen die Vertreter dieser Denkweise nicht verstehen. Und keiner will mit dem Verstehen den Anfang machen – das nennt man das Mikado-Spiel: wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren.

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Umweltpolitik – ständige Reparatur oder eigenständiges Ziel?

Es gibt vertrauenswürdige Studien, die plausibel belegen, dass unsere westliche Lebensweise sich so entwickelt hat, dass wir im Grunde mehr als eine Erde benötigen, um sie mittel- und langfristig bedienen zu können. Unser Wirtschaftssystem ist blind gegenüber der Umwelt, dumm wegen ihrer mangelnden Erkenntnisfähigkeit und ein einseitiges Produkt der menschlichen Gier.

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Der Umweltpolitik fällt dabei die Aufgabe zu, die entstandenen Schäden ständig auszugleichen. Ob wir gegenwärtig eineinhalb oder zwei oder gar mehr Erden „verbrauchen“, ist für unsere Betrachtung nicht von so großer Bedeutung. Die Feststellung lautet  schlicht: Wir leben über unsere Verhältnisse oder konkreter: wir leben auf Kosten unserer Enkel. Die Frage nach der Gerechtigkeit ist berechtigt, wird hier aber kein Thema sein. Es ist ein großes Problem, aber die folgenden Gedanken kreisen noch um Grundsätzlicheres.

Die Reparaturstrategie

Umweltpolitik denken wir gegenwärtig nur aus der Position unseres Wirtschaftssystems heraus. Die Wirtschaftsform, der wir folgen, bringt die Probleme hervor und die Umweltpolitik läuft der Entwicklung hinterher. Sie versucht, die schlimmsten Fehlentwicklungen zu reparieren. Die heutige Umweltpolitik ist eine Reparaturstrategie, wobei die Maßnahmen sich immer an der Ökonomie ausrichten. Deren neoliberales Verhalten bestimmt, was Umwelt ist und sie bestimmt die Handlungsmaximen, auch die der Umweltpolitik:

  • ungehemmtes Gewinnstreben (Gewinnmaximierung),
  • der Markt regelt alles (ggfs. auch ethische Fragen der Gerechtigkeit) und
  • unbegrenzter Ressourceneinsatz (unbegrenztes Wachstum).
  • Eigentum verpflichtet nur zum Gewinnstreben (Art. 14 Abs2 GG gilt in diesen Kreisen nicht)

Und die Politik predigt die Auffassung: „Don’t touch a winning team!“ Also kann unter diesen Umständen Umweltpolitik nur eine symptom-orientierte Reparaturstrategie sein. Ein Problem poppt auf, dann muss eine lokal eingeschränkte Lösung her. Politisch wichtig ist dabei der Außeneffekt, der äußere Schein, nicht die eigentliche Lösung des Problems, die oft nur durch einen Eingriff in die ökonomischen Strukturen möglich wäre.

Dabei ist das Verrückte, dass sich Umweltpolitik an den gleichen Handlungsmaximen orientieren soll, die das Problem verursachen. Einstein hat schon vor mehr als einhundert Jahren sinngemäß festgestellt: „Die Ideologie, die das Problem schafft, ist nicht in der Lage, zur Lösung des Problems beizutragen.“ Wenn man sich die Bemühungen um den Klimaschutz anschaut – egal wie man dazu steht – stellt man fest, dass sich seit den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts nichts wesentlich zum Besseren verändert hat. Oder noch deutlicher: Die Umweltpolitik hat als Reparaturstrategie keinen nennenswerten Durchbruch erzielt. Und das seit Jahrzehnten! Und sie kann als willfähriges Anhängsel der Wirtschaft auch in keiner Weise auf die Tatsache Einfluss nehmen, dass wir mehr als eine Erde „verheizen“. Das müsste aber das Ziel einer sinnvollen, nachhaltigen Umweltpolitik sein.

Kennzeichnend für die Reparaturstrategie ist auch, dass es unzählige Ansätze von vielen Aktivisten gibt, die lokal und manchmal auch regional, einen beträchtlichen Einsatz bereitstellen. Und an dem Einsatz ist auch nichts falsch, aber die Ansätze kommen nie auf die Ebene, wo die punktuellen Anstrengungen über das Lokale hinauskommen. So laufen sich die umweltpolitischen Reparaturaktivitäten regelmäßig tot. Diese Tatsache kann man auch als Strategie der Verzettelung nennen: Lasst sie mal wursteln! Hauptsache, es bleiben Einzelaktionen und es wird daraus keine politisch oder wirtschaftlich relevante Machtzusammenballung! Ausnahmen wie das bayerische Referendum unter dem Slogan: „Rettet die Bienen!“ bringen sofort erhebliche Unruhe in die eher bräsig bayerische Politikszene und darüber hinaus.

Solange wir uns auf den ideologisch geprägten Begriff des Wachstums als ausschließliche Messung des politischen Erfolgs beschränken, ist Umweltpolitik oder – sagen wir es deutlicher – Politik zugunsten unserer nachfolgenden Generationen, nicht umsetzbar. Wenn wir gegenwärtig davon ausgehen können, dass wir deutlich mehr als eine Erde „verheizen“, so kann sich sinnvolle Umweltpolitik nur dadurch auszeichnen, dass sie tendenziell Wachstum einschränkt. Dabei wird aber stets und gerne vergessen, dass dieser Druck zur Reduktion seinerseits ja nicht nur linear als „Rückwärtsgang“ gedacht werden muss, sondern statt dem alten „Mehr“ (= Wachstum) auch ein „Qualitativ besser“ oder „Sparsamer bei gleicher Leistung“ eingeschlossen werden kann. Das sind Aspekte einer Umweltpolitik, die überhaupt nicht wahrgenommen werden, weil es dafür keinen Parameter gibt, der solche Effekte abbilden könnte.

Was wäre denn eine strategische Alternative?

Was müsste ein strategisch veränderter Ansatz erfüllen, um erfolgreich neue Wege in der Umweltpolitik gehen zu können. Die Umweltpolitik müsste sich als erstes aus ihrer Dienstleistungshaltung gegenüber der Ökonomie lösen. Was heißt das? Die Umweltpolitik darf sich nicht die Brille der Ökonomen zu Eigen machen und immer nur entlang der Entwicklungsstränge des gängigen neoliberalen Ökonomie-Modell ihre Maßnahmen entwickeln. Denn, eines muss klar sein – Ökonomie ist keinesfalls Naturwissenschaft, Ökonomie ist eine Handlungsweise, die hochgradig ideologisch geprägt ist und die sich ein paar elementare menschliche Eigenschaften zu Nutze macht, um diese Eigenschaften zu Gesetzmäßigkeiten zu stilisieren und ihren Einfluss nutzbar zu machen. Selbst der Eigennutz oder der Egoismus sind nichts, was nicht überwunden werden kann, wenn die schlechten Auswirkungen dieses Verhaltens übermächtig werden. Nur dann ist es in der Regel zu spät – „das Kind liegt dann schon im Brunnen!“

Gehen wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zurück. Wir haben nur eine Erde, aber wir verbrauchen mehr ‚Erden‘ als wir zur Verfügung haben. Diese pauschale Aussage wird heute nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen. Also muss sich Umweltpolitik autonom von dieser Erkenntnis leiten lassen ohne auf die Ökonomie zu schielen. Umweltpolitik muss die Lösung bereitstellen – Ökonomie ist das problemschaffende Element! Ziel muss es sein, unsere Ansprüche und unser ‚Vermögen‘ (diese Erde) langfristig wieder unter einem Hut zu vereinen. Es geht, pathetisch gesprochen, nicht um persönliche Bereicherung (wie im Kapitalismus), sondern um das Überleben der Spezies Mensch. Und diesem Aspekt hat die Strategie primär Rechnung zu tragen.

Um nicht in den gleichen Fehler einer Verzettelung zu verfallen, wie bei der Reparaturstrategie, muss vermieden werden, den Ansatz von den Gegnern zerstückeln zu lassen. Wir haben ein kompaktes Problem (Umwelt), wir wissen, wer die Verursacher sind, und nun müssen wir nach (gesamtgesellschaftlichen) Handlungsparametern suchen. Für diese Parameter müssen dann sinnvolle und nachvollziehbare Entscheidungskriterien definiert werden. Dabei ist es wenig sinnvoll, „die Wirtschaft“, „Branchen“ oder „Verarbeitungsformen“ oder „die Verbraucher“ als alleinige Verursacher zu identifizieren. Hier droht nur Verzettelung, was den eigentlichen Verursachern nach dem alten Grundsatz: „Teile und Herrsche!“ tendenziell recht ist. Wenn die Verzettelung gelingt, dann steckt die Idee sofort fest und es passiert auf diesem Felde die nächsten Jahre nichts mehr. Und das kann durchaus in konservativen Kreisen politisch gewollt sein. Die Verzettelungsstrategie wird oft und gerne angewendet. Sie hat gegenüber der ebenfalls angewendeten Verwässerungsstrategie gewisse Vorteile. Sie muss nicht dagegen arbeiten, sondern sie sorgt dafür, dass die Dinge in kleine „Häppchen“ auf vielen unterschiedlichen Ebenen aufgeteilt werden. Das Vorhaben „stirbt“ dann an  dem notwendige Koordinationsaufwand, der die kleinen lokalen Erfolge übersteigt.

Beispiele zum besseren Verständnis

Wir müssen zurück zu Forderungen, die, unabhängig vom Wirtschaftssystem, unsere reale Lebensbasis darstellen: sauberes Trinkwasser, saubere Atemluft, sinnvolle Verwendung von Grund und Boden und die Bereitstellung von ausreichender und sauberer Energie. Das betrifft alle Menschen gleichermaßen und beschreibt einen großen Teil dessen, was Umwelt bedeutet. Um auch die Wirtschaft in einem gesamtheitlichen Konzept zu erfassen, bleibt Energie ein sinnvoller Parameter: alles was wir und/oder die Wirtschaft nutzen, wird bei seiner Herstellung und Nutzung Energie verbrauchen. Und die Bündelung und Bereitstellung von Energie verursacht Umweltprobleme. Ergänzen ließe sich die Liste der Parameter durch wesentliche Ressourcen, über die wir ggfs. verfügen oder die wir einführen müssen. Da der Autor dieser Zeilen möglicherweise strategisch sinnvoll argumentieren kann, aber Laie in Sachen Umwelt ist und bleibt, können die Vorschläge auch nur den strategischen Denkansatz verdeutlichen. Im konkreten Fall werden sich eventuell bessere, weil umfassendere und leichter quantifizierbare Maßstäbe finden lassen.

Warum gesamtgesellschaftliche Parameter? Der Parameter ist mit einem Kuchen in Kastenform zu vergleichen. Der ‚Kuchen‘ repräsentiert z.B. den gesamten Topf an Energie, der heute von uns verwendet wird. Die Größe des Kuchens kann festgestellt und festgeschrieben werden. Wird der Parameter-‚Kuchen‘ kleiner, bewegt sich also in die strategisch richtige Richtung, so gibt es vorerst keinen Handlungsbedarf. Der Parameter wird über ein Monitoring turnusmäßig angepasst. Wird aber der Parameter-‚Kuchen‘ größer und überschreitet übliche Schwankungsgrenzen, werden alle Energieverbraucher (Wirtschaft und Verbraucher) aufgefordert entsprechend eine Vorgabe von zu erzielenden Prozentsätzen zu sparen. Durch das regelmäßige Monitoring werden die Veränderungen offensichtlich. Werden die Sparziele durch freiwillige und eventuell geförderte Maßnahmen im definierten Zeitraum nicht erreicht, treten härtere Maßnahmen des Staates (in Vertretung künftiger Generationen) in Kraft. Hilft das nicht, drohen kostenpflichtige Auflagen, die das Leben einfach verteuern. Aber nicht so, dass die Last wieder die vielen „kleinen Leute“ bezahlen, und die „großen“ lachen sich ins Fäustchen. Das ist dann schlicht eine Frage der Gerechtigkeit. Dabei ist der Maßstab KWh und nicht das Geld. Unser Lebensstil hält viel von Geld, für die Überlastung unserer Biosphäre spielt Geld keine Rolle, da geht es um konkrete Zusammenhänge.

Ähnlich ist mit der Ressource sauberem Wasser zu verfahren. Es wird der Status quo fixiert oder ein sogar zu erzielender (besserer) Standard definiert. Steigt die Verschmutzung, so treten freiwillige Maßnahmen in Kraft und wenn das keine nachweisliche Besserung (über das Monitoring) erbringt, werden die Stoffe, die das Wasser verunreinigen, geächtet und mit Pönale belegt. Auch das wird das Leben verteuern. Aber Hand aus Herz, irgendwann ist Zahltag: irgendwann müssen wir für die Zerstörung unserer Umwelt die Verantwortung als Gesellschaft übernehmen.

Zur sauberen Luft lässt sich ein definierter Status feststellen. Der wird festgeschrieben. Es kann nicht sein, dass die saubere Luft in CO2, Stickoxyde, Feinstaub und anderes zerlegt wird. Das ist Verzettelungsstrategie, die nur Arbeit macht, aber am Problem vorbei geht. Wir wollen nun mal saubere Luft atmen und keine chemischen Bestandteile zu uns nehmen! Und wenn saubere Luft durch irgendeine Wertabweichung nicht mehr gewährleistet werden kann (siehe Monitoring), treten Maßnahmen ein. Es ist doch ein Affentheater, wenn Lungenfachärzte, die sich angeblich auch noch zu ihren Ungunsten verrechnet haben, meinen, es sei nicht nachgewiesen, dass belastete Luft Krankheiten erregt. Dann stellt sie doch einmal dreißig Minuten dorthin, wo eben keine saubere Luft herrscht und fragt sie, wie es ihnen geht. Wissenschaft ist etwas Faszinierendes, aber braucht es Wissenschaft auch da, wo der gesunder Menschenverstand sagt, was Sache ist!

Die Verwendung von Grund und Boden ist ein großes und heikles gesellschaftliches Problem. Grund und Boden ist vom Grundgesetz als Eigentum geschützt. Jeder kann damit machen, was er will. Aber Grund und Boden ist nicht beliebig vermehrbar. Die Vermehrbarkeit des Marktgegenstandes ist im Kapitalismus eine wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Markt. Die Konsequenz ist, dass dieser Markt im Sinne von Wettbewerb nicht funktioniert und auch nicht funktionieren kann. Das gilt zwar auch für Wasser und Luft, aber hier merken wir die Begrenzung (noch) nicht. Durch die Nichtvermehrbarkeit des Bodens kann es nur darum gehen, seine Verteilung in Kategorien wie bebaut, unbebaut, Straßen, Wald, Landschafts- und Naturschutzgebiete und ähnliches mehr zu fixieren. Auch hier wird ein Status festgestellt und festgeschrieben. Es muss politisch ein sinnvoller Mix fixiert werden. Ergeben sich hier über die Zeiträume größere Verschiebungen, so sind sie öffentlich politisch zu bewerten. Gegebenenfalls muss ordnend eingegriffen werden. Landespläne und nachgeordnete Planungen müssen sich an die Bewertung halten.

Für alle diese Stati verfügen wir gegenwärtig mehr oder weniger differenzierte Daten. Aber wir starren immer nur auf das Wirtschaftswachstum, das uns bei unserer Einsicht in das „Verheizen“ von mehr als einer Erde einen Bärendienst erweist. Zudem ist das Wirtschaftswachstum im Gegensatz zu den hier beispielhaft ausgewählten Parametern etwas absolut Abstraktes, etwas Abgeleitetes, ohne jeden praktischen Wert. Für die Prozentzahl des Wirtschaftswachstums kann man sich nichts kaufen. Er hat keinerlei reale Bedeutung, für keinen von uns. Aber wir lassen es zu, dass uns diese Abstraktion tyrannisiert!! Sauberes Wasser und saubere Luft sind konkret erfahrbar, Bodenspekulation ist konkret erfahrbar, auch eine Energieersparnis wird erfahren ebenso wie eine Energiekostenerhöhung. Aber Wachstum ist ein ziemlich leeres Wort ohne unmittelbaren Bezug.

Eine Fragestellung bleibt noch: man wird aus berufenem Munde diesem Vorschlag entgegen halten, das ein nationaler Alleingang undenkbar sei, das müsse global gemacht werden. Das ist das übliche Totschlag-Argument, weil den Vertretern dieser Argumente die Phantasie fehlt, sich vorzustellen, das ein solches Vorgehen sinnvoll ist, verantwortlich ist und letztlich ‚alternativlos‘ ist. Die Ausrede mit der globalen Abstimmung ist gegenüber den künftigen Generationen einfach verantwortungslos. Klar, die künftigen Generationen sind noch keine potentiellen Wähler. Dann ist die Haltung unverschämt und missachtet Art. 38 GG. Aber vielleicht haben die Träger dieser Argumentation gar kein Gewissen bzw. sie haben es an ökonomische Interessen- und Wählergruppen verkauft.

Was ist neu an diesem Ansatz?

Die Erläuterungen zu dieser gesamthaften Strategie kommt ohne Rückgriff auf wilde ökonomische Konstrukte aus, deren wissenschaftliche Basis fragwürdig ist. Die Strategie versucht auch nicht einen Schuldigen zu finden. Den Verursacher im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Diejenigen, die produzieren, können meisten Falls davon ausgehen, dass sie einen Absatz finden. Dann ist der Verbraucher auch im Boot. Das ist also ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Diese Vorgehensweise verlangt nur ein Zugeständnis: wir müssen die falschen Götter „schlachten“: den Gott der Gewinnmaximierung und den Gott des Wachstums; wobei es m.E. reicht, wenn die Maximierung ‚geschlachtet‘ wird, ein einfaches Gewinnstreben werden wir nicht aus der Welt schaffen können. Den Menschen gibt es nicht. Wir müssen uns auf unsere natürlichen Grenzen besinnen, die da lauten: wir haben nur eine Erde und diese Erkenntnis müssen wir in die Tat umsetzen. Und dieser gemeinsamen Erkenntnis muss sich die Wirtschaft beugen. Das ist eine Herausforderung besonderer Art, weil der Kapitalismus nach herrschender Auffassung nur bei immerwährendem Wachstum erfolgreich sein kann. Aber genau das widerspricht sich: das ewiges Wachstum als Heilsbotschaft des Kapitalismus steht dem Problem gegenüber, dass wir inzwischen mehr Ressourcen verbrauchen, die eine Welt mittelfristig bereitzustellen in der Lage ist. Und die simple Erkenntnis, dass es nur eine Erde gibt und wir die Pflicht haben, diese Welt so intakt als möglich an unsere nachkommenden Generationen übergeben wollen. Wenn wir dieser Pflicht nicht nachkommen wollen, steht die Spezies Mensch auf die eine oder andere Weise zur Disposition.

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Der Niedergang der Politik?

Ich habe das Glück, auf einige Jahrzehnte meines Lebens zurückblicken zu können. Es drängt sich dabei der Eindruck auf, dass sowohl die Politik, als auch das politische Verhalten und nicht zuletzt die Politiker einem grundlegenden Wandel unterlegen sind.

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Es geht nicht darum, die gegenwärtige Politik – schwach ausgedrückt – als nicht nachvollziehbar zu brandmarken und die Politiker in ihrer heutigen Form als politische Karikaturen darzustellen. Wir stellen alle miteinander fest, dass es so nicht weitergehen kann – aus verschiedenen Gründen- und die Politik gibt uns manchmal sogar Recht, aber es bewegt sich trotzdem nichts. Stattdessen schmelzen die alten Parteien dahin, weil sie offensichtlich nicht in der Lage sind, die richtigen Fragen zu stellen oder notwendige Antworten zu liefern, die die Leute auch verstehen. Die Volksparteien sind deshalb primär mit sich selbst beschäftigt, um ihr Überleben zu retten. Durch die Defizite kommen neue politische Kräfte hoch, bei denen man sich fragt, ob sie ihre eigenen Argumente denn wohl ernst nehmen (können). Sinnvolle, d.h. den Problemen angemessene Lösungsansätze haben sie nicht.

Was könnten Gründe für dieses Bild sein? Wir dürfen uns nicht darauf zurückziehen, dass angeblich die heutigen Politiker nicht mehr das Format von damals haben. Es muss sich etwas im politischen System verändert haben, dass dazu geführt hat, dass wir heute andere Persönlichkeiten hervorbringen. Die Damen und Herren Politiker sind weitgehend austauschbar geworden. Die Parteizugehörigkeit spielt dabei keine signifikante Rolle. Man hat den Eindruck, nicht nur die natürliche Artenvielfalt hat abgenommen, auch die politische Artenvielfalt im Kreise der Politiker ging in Folge des Neoliberalismus verloren. Die vorgetragenen Ideen wirken so ausgelutscht, abgestanden und ewig gestrig. Begeisterung sieht wahrlich anders aus. Da brennt niemand für irgendwas. Purer Pragmatismus, an kleinsten Schritten orientiert, ziellos, eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes: konservativ!

Die wenigen feststellbaren Aktivitäten unterliegen einer grotesken Ökonomisierung, alles wird am Wohl und Wehe der Wirtschaft gemessen. Da man ohne Ziel aus dem Status quo heraus lebt, ist es auch nicht möglich, sich ernsthaft zu fragen, ob das der jeweils ‚richtige‘ Ansatz sein kann. Die Lebenssituation kommender Generationen (das wäre z.B. ein Ziel!) spielt in dem gegenwärtigen Ökonomieverständnis überhaupt keine Rolle. Wenn im Rahmen von Wahlen die eine oder andere Person sich profilieren konnte, so muss man oft feststellen, dass sich das Profil im täglichen Politikbetrieb rasch abschleift. Die Politik blockiert sich gegenseitig zum Nachteil der Interessen des Wählers und des ‚normalen‘ Bürgers. Und er sollte doch in einer Demokratie das Maß aller politischen Dinge sein. Aber genau da liegt m.E. das Problem.

Demokratie ist ja im Grunde eine Herrschaftsform, die jeden einzelnen heranzieht. Das repräsentative Modell einer Demokratie (als schwächere Variante) entstand aus der Angst der damals herrschenden Kreise, man könnte dem demokratischen „Mob“ nicht mehr Herr werden. Dass diese chauvinistische Denkweise in keiner Weise einer Demokratie würdig ist, fiel nicht sonderlich auf. Und heute hat man sich daran gewöhnt, dass Jefferson und seine Mitstreiter nicht nur in den USA durch das repräsentative Modell eine neue Politikerklasse geschaffen haben, die sich über das Volk erhaben fühlt. Man spricht nicht mehr vom „Mob“, man spricht von der hohen Komplexität der Entscheidungen, der die demokratischen Massen angeblich nicht gewachsen sind. Aber Hand aufs Herz – das gleiche gilt doch auch für große Teile der politischen Klasse! Sie plappern doch nur das nach, was ihnen die Fraktionsspitzen in die Ohren blasen.

Die Vorstellung, dass sie nach Art. 38 „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind, ist schon extrem naiv. Alle Abgeordneten, die nicht direkt gewählt sind, kommen über eine Wahlliste in das jeweilige Parlament. Und wer bestimmt den Inhalt der Liste? Mit anderen Worten: wer im Sinne der jeweiligen Partei kein Wohlverhalten zeigt, (d.h. sich nicht dem Fraktionszwang unterwirft, eine eigene und gar abweichende Meinung vertritt, usw.), hat bei der nächsten Wahl mit seinem Listenplatz vermutlich ein heftiges Problem! Da der günstige Listenplatz für die eigene Lebenssituation als Abgeordneter entscheidend ist, bleibt nicht viel Luft für Gewissen und für eine Unabhängigkeit von ‚Aufträgen und Weisungen‘. Das ‚Hemd ist stets näher als der Rock‘ – eine alte Lebensregel – und die wenigsten Abgeordneten sind, insbesondere in jungen Jahren, schon so situiert, dass diese Frage keinen Einfluss mehr auf ihre Entscheidungen haben kann. Und wie viele politische Entscheidungen gibt es im Laufe einer Legislaturperiode, die so grundsätzlich sind, dass hier das Gewissen so angesprochen und alle parteilichen Bedenken zur Seite gefegt werden, um einer wahren Gewissensentscheidung zu folgen? Ich sehe Mephisto blinzeln und die Feder zücken, um die Abgeordneten für einen fatalen Pakt zu gewinnen.

Aber nun konkret: was muss sich ändern, damit es besser wird! Wir regen uns auf, dass gewisse Manager für ihre Bemühungen Gehälter von Millionen pro Jahr ganz selbstverständlich zugesprochen erhalten. Wenn sich dann ihre Unfähigkeit erweist, werden sie mit weiteren Millionen heimgeschickt. Unsere Abgeordneten müssen sich einer Wahl stellen und werden dann, wenn sie es geschafft haben, mit Gehältern beglückt, über die würden viele Manager nicht einmal nachdenken. Wie wollen wir dem Art. 38, Abs. 1, S.2 GG Inhalt geben? Wie wollen wir sicherstellen, dass hier keine Weisungen und Aufträge erteilt werden und das Gewissen auch bei kleineren Fragestellungen eine Rolle spielen kann? Neben der Anerkennung, dass die Abgeordnetenaufgabe enorm wichtig ist und wir auf die Qualität der getroffenen Entscheidungen angewiesen sind, müssen wir die Abgeordneten so stellen, dass sie auch ohne Nachdenken Geld, Weisungen und Aufträge der Lobbyisten entspannt zurückweisen können. Sie müssen ihrem Gewissen bei wirtschaftlichen Fragen keine Schranken auferlegen, denn die Aussage: ‚der Markt regelt das‘, ist regelmäßig eine Lüge. Er regelt natürlich, aber nur zu Gunsten einer ganz kleinen Gruppe von Bürgern und der Rest geht regelmäßig leer aus. Und der ‚Rest‘ begreift diesen Betrug allmählich.

Also ist das laufende Einkommen der Abgeordneten so zu fassen, dass die alltäglich Versuchungen außen vor bleiben. Aber das genügt nicht: Nicht jeder Abgeordnete wird nach Ende seiner Parlamentskarriere mit einem lukrativen Posten als Austrag belohnt. Davor muss eine mehrjährige ‚Cooling down‘ – Phase vorgesehen werden und auch dann, wenn sich kein großartiges Angebot finden lässt, muss sichergestellt sein, dass der Abgeordnete (und seine Familie) langfristig abgesichert ist. Meinetwegen wird sein Abgeordnetengehalt zur Grundlage gelegt und solange er das Gehaltsniveau noch nicht erreicht hat, oder nie mehr erreicht, wird aufgebessert, wenn es sein muss bis zur Rente. Diese Absicherung ist notwendig und unabweislich mit der parlamentarischen Aufgabe verbunden. Liegt sein künftiges Einkommen über dem der Abgeordneten, entfällt die Unterstützung. Die Sorge, dass der Alt-Abgeordnete dem ‚süßen Leben‘ verfallen könnte, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, aber wenn wir uns bei den Managern darüber keine Gedanken machen, sollte es doch ggfs. auch den Alt-Abgeordneten zugebilligt werden. Das Geld ist dabei i.d.R. gut angelegt.

Durch die finanzielle Unabhängigkeit der Abgeordneten wird natürlich auch der Fraktionszwang zur Farce. Das Disziplinierungsinstrument der Fraktion entfällt; es ist nur dann anwendbar, wenn die Fraktionsführung Einfluss auf die Lebensplanung des Abgeordneten nehmen könnte. Das haben wir ihr aus der Hand genommen – jetzt muss sie wieder Argumente vorlegen, um die Einheit der Fraktion herstellen zu können. Da die Abgeordneten eine veränderte Einkommenssituation vorfinden, sind sie auch nicht mehr so sehr in der Rolle des parlamentarischen Lobbyisten zu finden. Diese Rolle steht ihnen nach Art 38 GG nicht zu. Sie könnte aber aus der Absicherungsnotwendigkeit geboren sein.

Es kann festgestellt werden, dass die Politik sich gerne auf die EU-Regeln herausredet. Man tut so, als ob die EU der „böse Bube“ sei und die nationale Politik ob dieser „außerirdischen“ Gewalt „machtlos“ sei. Die nationale Politik erweist damit dem Gedanken des gemeinsamen Hauses einer Europäischen Union einen Bärendienst. Weil der Feinstaub-Grenzwert, übrigens ein EU-Grenzwert, den Städten in den letzten zehn Jahren große Probleme bereitete, war man offensichtlich der Auffassung, den müsse man nicht so ernst nehmen, der kommt ja von der EU. Erst die verlorenen Prozesse holten die Politik in die Wirklichkeit zurück.

Auf der anderen Seite kann man feststellen, dass zum Glück vieles auf EU Ebene geregelt wird (im Gegensatz zur nationalen Ebene. Wenigsten diese politische Instanz setzt um, was sie verspricht oder meint, versprechen zu müssen.) Viele Entscheidungen wären ohne die EU-Bürokratie in Deutschland immer noch irgendwo in den Pipelines (alle stellen sich natürlich der ‚großen Verantwortung‘ und tun dann aus diesem Grunde lieber nichts). Das ist der Unterschied von Verantwortung und Verantwortlichkeit. Verantwortung ist ein pathetisch-vollmundiger Begriff ohne Inhalt und Biss – deshalb wird er auf dem politischen Feld ja so oft benutzt. Verantwortung tragen wir alle für irgendwas – das tut nicht weh. Bei Verantwortlichkeit kann man jemanden verantwortlich machen, für das, was er tut oder unterlässt. Beim Feinstaub wurden am Ende jetzt die Städte ‚verantwortlich‘ gemacht. Die Verantwortung wurde in Berlin so erdrückend empfunden, dass große Ratlosigkeit um sich griff und aus Verlegenheit mal schnell eine Milliarde Euro für die Kommunen in den Raum gestellt wurden. Vermutlich (denn ich weiß es nicht) ist das Geld immer noch in dem ‚Raum‘, weil keiner in der Lage ist, die Auszahlungsmodalitäten problemadäquat zu definieren. Es ist unklar, welche Maßnahmen die Kommunen denn sinnvoller Weise ergreifen sollen. Die Kommunen können deshalb die Zahlungszusage auch nicht abrufen. In fünf Jahren ist die als Hilfsprogramm gedachte Geldspritze aber verpufft oder anderweitig ‚versackt‘.

Die Europäische Union ist in Gefahr. Die Reduzierung des europäischen Gedankens auf einen schieren Wirtschaftsraum, erweist sich mit jedem Jahr als unzureichender, ja gefährlicher. In diesem EU-Raum spielen die Deutschen den Exportweltmeister auf Kosten der anderen Mitglieder. Wir produzieren viel zu viel und können diese Produktion nur unterbringen, indem wir das Inlandsprodukt unserer europäischen Mitstreiter unzulässig anzapfen. M. a. W: unser Wohlstand wird zu einem guten Teil dadurch finanziert, dass wir exportieren und unseren Mehrwert bei den Nachbarn abschöpfen. Was wir abschöpfen, steht der nationalen Verwendung unserer europäischen Partner nicht mehr zur Verfügung. Noch schauen die europäischen Nachbarn zu, aber sie beginnen mit Recht das Verhalten als gemeinschaftsschädlich in Frage zu stellen. Der Treibsatz, der die EU spalten könnte, braut sich zu einem guten Teil in Deutschland zusammen.

Europa wählt in diesem Jahr. Haben Sie schon etwas davon bemerkt? Die Wahl ist gelinde gesagt „a lame duck“(eine lahme Enten-Veranstaltung). Es gibt weder Aussagen, Haltungen, Ziele, Parteiprogramme oder sonstiges Papier, an dem sich eine wirkliche Diskussion entzünden könnte. Vielleicht will das auch keiner. Ist noch niemand auf die Idee gekommen, dass die pseudo – demokratische Struktur der EU der wesentliche Grund für diese langweilige Veranstaltung sein könnte? Warum – bitte schön – sollen wir wählen? Aus was sollen wir auswählen? Da ist doch nichts außer heißer Luft! Man könnte eine Gliederung der Demokratiemodelle aufmachen: die basis-demokratische Herrschaftsform würde dem „Volk“ oder dem „Souverän“ die größtmöglichen Rechte gewähren. Das war den Damen und Herren der konservativen Rechten zu wenig Hierarchie (ein ganz wesentliches Merkmal konservativer Haltung). Sie konnten nur durch die Eigentumsgarantie und durch die Einführung der repräsentativen Demokratie überhaupt für den demokratisch verfassten Staat gewonnen werden. Die nächste Steigerung in Richtung Abbau demokratischer Rechte ist dann die Struktur der Europäischen Union. Und da wundern sich die Akteure, dass dieses ganze Demokratie-Theater beim Wähler überhaupt keine Resonanz mehr findet?

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Mobilität oder Autoindustrie – wo liegt die Problemstellung?

Max Hägler macht sich in der SZ vom 25.Januar 2019 Gedanken um die Automobilindustrie und kommt zu merkwürdigen Schlussfolgerungen. Seit vielen Jahren ist es für jeden Menschen mit gesundem ökonomischen Verstand erkennbar, dass die Automobilindustrie in Probleme läuft, die sie teilweise selbst verursacht hat. Erstmals spricht nun auch Max Hägler einige dieser Probleme in einem entsprechenden Medium an. Die Vielzahl der Herausforderungen (wie das heute heißt) wird meist überhaupt nicht angesprochen.

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Hägler pickt sich nur die Tatsache heraus, dass durch das autonome Fahren (er spricht von Roboter-Autos) heftige Marktveränderungen zu erwarten sind. Von den Problemen, die weniger technologischer Natur sind, spricht er nicht: Das Automobil ist der Grund dafür, dass wir mehr in Staus stehen als wir tatsächlich fahren. Das Automobil ist mit ein Grund für den Flächenfraß: wir benötigen vor der Wohnung einen Parkplatz und im Grunde auch einen zweiten dort, wo wir arbeiten. Die Effizienz des PKW-Besitzes ist in der Mehrzahl der Fälle indiskutabel schlecht: die „Karre“ fährt zwei Stunden am Tag und den Rest des Tages stellt das Auto ruhenden Verkehr dar. Zahllose andere Kritikpunkte führen dazu, dass m.E. die Automobilindustrie ihren „Peak“ überschritten hat. In den Metropolen werden zunehmend keine Autos mehr gekauft, weil es sich nicht rechnet. Dieser Effekt wird vorerst auf die Metropolregionen beschränkt bleiben, aber in den Metropolen werden die hochwertigen Kraftfahrzeuge in Massen verkauft, auf dem flachen Lande ist es mangels eines öffentlichen Nahverkehrs eine Notwendigkeit, ein Auto zu besitzen, aber es sind in der Regel Fahrzeuge, die primär der Mobilität dienen und weniger dem sozialen Status, was Größe und Ausstattung angeht. All diese Problemstellungen spricht Hägler nicht an. Folglich geht er auch nicht darauf ein, wie die Industrie mit diesen Herausforderungen künftig umgehen will oder kann.

Stattdessen macht er sich Gedanken, dass die Technologie des Roboter-Autos große Investitionen erfordert und er sieht hier das Problem, dass sich der einzelne Automobilhersteller an dieser Zukunftsinvention verheben könnte. Deshalb schlägt er vor, dass das Kartellrecht gelockert werden solle, damit die Riesenjumbos leichter zusammenarbeiten können, um diese Invention auch gemeinsam stemmen zu können. Man muss sich dabei fragen, ob Herr Hägler diesen Vorschlag wirklich ernst meint? Eine Wirtschaftsredaktion, die sich stramm zu einer marktwirtschaftlichen bzw. neoliberalen Linie bekennt, kommt auf die ‚verrückte‘ Idee, genau den Markt auszuhebeln zu wollen, den sie sonst immer vergöttert. Wenn sie wirklich an den Markt glauben würden (und das ist eine reine Glaubensfrage), müssten sie doch diese innovativen Veränderungen begrüßen, denn damit wird im Kapitalismus, so die herrschende Theorie, das Neue geschaffen (Schumpeter), die nächste Generation eingeleitet und es kann gut sein, dass sich dabei der heutige gewaltige politische Einfluss der Automobilindustrie künftig in Luft auflöst. Was ist daran schlimm? Wir haben leider die Kohleindustrie seit den 70iger Jahren (also seit mehr als 50 Jahren) durchsubventioniert und das war sicherlich ein Fehler. Soll das jetzt mit der Automobilindustrie genauso gemacht werden? Sind wir nicht mehr lernfähig? Dummheiten lassen sich aufgrund von Fehleinschätzungen nicht vermeiden. Sie gehören zu einem aktiven Leben, aber wiederholte Dummheit der gleichen Art ist ein absolutes KO-Kriterium.

Wir haben es bei der Automobilindustrie mit den ganz großen Wirtschaftseinheiten in unserem Lande zu tun. Ihre Größe ist so beachtlich, dass sie auch global in den vorderen Rängen mitspielen. Und ausgerechnet diese Einheiten sollen wir durch neue Gesetze subventionieren!? Wir können immer wieder feststellen, dass diese riesigen ‚Globalplayer‘ unfähig sind, auf Veränderungen adäquat zu reagieren. Diese Großkonzerne sind wie riesige Containerschiffe- geradeaus fahren geht noch, ausweichen wird schon schwierig – oder im Klartext: Diese Konzerne sind geschaffen und können sich nur halten, wenn es darum geht, dem bürokratischen Gesetz zu folgen. Sie sind darauf fixiert, immer mehr vom Gleichen hervorzubringen und das gelingt relativ effizient. Wenn aber Wendigkeit, Schnelligkeit, die Umsetzung von Inventionen oder Innovationen das Thema sind, versagen diese Organisationen kläglich, weil sie sich nicht in angemessener Zeit auf neue Situationen einstellen können. Das Beharrungsvermögen dieser Strukturen ist so unglaublich groß, dass jedes größere mittelständische und Eigentümer geführte Unternehmen die Großkonzerne diesbezüglich alt und klapperig aussehen lässt. Und gerade deshalb wäre es ein Sakrileg, diese Strukturen durch Subventionen, egal welcher Art, zu verewigen. Wenn sich die Zeiten gravierend ändern, dann müssen sich eben auch die ‚Jumbos‘ ändern oder sie sterben einfach aus!! Das dauert Jahre, eventuell Jahrzehnte, aber es gibt genügend Nachfolger, die in den Startlöchern sitzen.

Wer den Ausführungen keinen Glauben schenken will, beobachte die Globalplayer: sie bringen keine Innovationen in die Welt, sie sind nur riesige Bürokratie-Kraken. Sie versuchen diesen Mangel durch den Aufkauf von relativ kleinen, aber innovativen Unternehmen auszugleichen und ‚töten‘ damit in dem aufgekauften Unternehmen gleich im ersten Schritt jede künftige Innovation. Dabei ist es überaus unwahrscheinlich, dass die zu gekauften Innovationen, weil als Fremdkörper betrachtet, von den Strukturen des Jumbos angenommen werden. Das ehemalige Alleinunternehmen war damit innovativ und erfolgreich, aber der Jumbo schafft es dank seiner rigiden Strukturen, die ehemalige Effizienz des neuen Unternehmensteils in kürzester Zeit zu zerstören. Der Aufkauf hat möglicherweise Milliarden Euro gekostet. Die werden jetzt innerhalb von wenigen Monaten im Meer der Konzern-Bürokratie versenkt.

Vor der Automobilindustrie liegt eine Vielzahl von Herausforderungen. Viele haben wir hier gar nicht angesprochen. Wäre die Branche jünger und nicht so auf ihre vergangenen Erfolge fixiert, bestünde eine reelle Chance, mit den Herausforderungen erfolgreich umgehen zu können. Allein die Tatsache, dass Herr Hägler das Heil dieser Branche darin sieht, dass man sich nicht dem Wettbewerb stellt, sondern sich auf die Politik verlassen will, um die eigene Unfähigkeit zu kaschieren, bestätigt doch, dass der ‚Peak‘ im Automobilmarkt überschritten ist. Von jetzt an geht’s bergab. Es wird interessant sein, diesen vermutlich langen Prozess beobachten zu können. Die Kohleindustrie macht uns gerade vor, wie es nicht gehen sollte. Es ist aber bedauerlich, das mit diesem Niedergang auch Arbeitsplätze in größerem Umfang betroffen sein werden, während die Vorstandsetagen unverändert ihre schwer nachvollziehbaren Bezüge und Abfindungen kassieren werden.

Die eigentliche Herausforderung heißt nicht das Automobil, sondern ist die Frage: wie wollen wir die Mobilität künftig gestalten? Wir werden möglicherweise das Automobil aufgeben oder stark verändern, aber es erscheint mir sehr unwahrscheinlich, dass wir die Mobilität aufgeben werden. Gesellschaftlich hat das Automobil über die letzten Jahrzehnte (120 Jahre u.m.) gute Dienste geleistet. Aber es war deshalb so uneingeschränkt akzeptiert, weil es in der Vergangenheit die richtige und zeitgemäße Antwort auf die Frage nach der Mobilität war. Diese Periode nähert sich dem Ende. Das Automobil blockiert sich in den Metropolen selbst. Alle pubertären Wunschträume, die das Automobil erfüllt hat, werden Schritt für Schritt abgebaut: die Geschwindigkeit in Ortschaften liegt vielerorts bei unter 30 km/h; die Autobahnen, ehemals Schauplatz der PS-Präsentationen, sind meist geschwindigkeitsbeschränkt und eine generelle Beschränkung auf 120 oder 130 km/h ist nicht mehr aufzuhalten; die Abgasprobleme sind virulent (der Imageschaden immens), der Kraftstoffverbrauchs wird absehbar weiter eingeschränkt. Das Land wird seine ökologische Selbstverpflichtung ohne diese Eingriffe nicht realisieren können. Die Politik steht im Wort (was allerdings nicht viel heißt). Das alles bildet ein Szenario, das es schwierig macht, mit Automobilen künftig noch das große Geld wie früher zu verdienen.

Wie sieht die Lösung der Mobilitätsfrage aus? Wir haben jahrzehntelang fälschlicher Weise ausschließlich auf das Automobil gesetzt. Die Einseitigkeit rächt sich jetzt. Die absehbare Lösung bewegt sich in Richtung eines komplexen Mixes der bestehenden Mobilitätsformen. Man merkt an der Ausdrucksweise schon: der große Wurf ist das auch nicht, es ist die versuchsweise Fortführung des Status quo mit einigen marginalen Veränderungen. Das einzige, was deutlich wird: der private Autoverkehr soll in den Städten stark zurückgedrängt werden. Hier scheint sich eine Einigung abzuzeichnen. Wenn dann das sogenannte Roboter-Auto (autonomes Fahren) Realität wird, hat die Autoindustrie ein richtiges Problem: es wird kein PKW-Eigentum mehr geben, die PKWs werden nur noch der Mobilität dienen, ein sozialer Status wird sich nicht mehr damit verbinden lassen. Die Zahl der PKW wird in den Metropolregionen auf etwa ein Zehntel der heutigen PKWs zurückgehen (so erste grobe Schätzungen), unsere Straßen sind aber auf eine andere Auslastung ausgelegt. Parkplätze und Fahrspuren sind für die wegfallenden neunzig Prozent nicht mehr erforderlich. Sie werden für andere städtische Nutzungen frei. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was erwartet werden kann. Das ist und bleibt ungeheuer spannend!!

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Grenzwerttheater

Die klaren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte verwirren die Politik. So klare Entscheidungen sind sie nicht gewohnt. Dort wird mit Vorliebe aufgerechnet, was nicht aufgerechnet werden kann: man kann nicht Lebensqualität mit Arbeitsplätzen verrechnen, nur deshalb, weil bei einem Verlust von Arbeitsplätzen die eigene politische Position wackelt.

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Man kann sich nicht dem Verdacht erwehren, dass Teile der Politiker, die schon zum Ausdruck gebracht haben, dass es unverhältnismäßig sei, eine Innenstadt einer Großstadt wegen der massiven Überschreitung eines Grenzwertes für den Individualverkehr still zu legen, nun die Lungenfachärzte aus dem Hut zaubern. Diese Damen und Herren sind bereit, festzustellen, dass die Grenzwerte hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Grundlage fragwürdig seien, weil es hierzu nur sehr wenige „belastbare“ Studien gäbe. Die wenigsten Menschen, die das zur Kenntnis nehmen, sind in der Lage, diese Aussage zu bewerten. Das ist auch gar nicht wichtig. Es geht nicht um die Wissenschaft, es geht darum, „seriöse“ Damen und Herren zu finden, die einfach kraft ihrer Kompetenz zu Ausdruck bringen, dass die Grenzwerte, die gegenwärtig in der EU gelten, einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Ich denke, die Fachleute haben Recht. In Zeiten einer von Drittmittel dominierten Forschung kann man doch für Alles und Jedes eine ‚wissenschaftliche‘ Meinung kaufen.

Um den Meinungsführern der Lungenfachärzte den Wind aus den Segeln zu nehmen, hätten die diversen Moderatoren doch mal die praktische Frage stellen sollen, ob die Herren damit einverstanden wären, wenn als Experiment ihre Enkel an eine der Straßenkreuzungen dem Gestank und der Belastung eines zwei- bis dreifach überhöhten Grenzwertes nur für eine Stunde lang ausgesetzt würden? Zugegeben, es wäre ein menschenverachtendes Experiment, aber es macht den Unterschied deutlich, ob wir über wissenschaftliche Nachweisbarkeit oder über eine konkrete Belastung sprechen (egal, welcher Stoff die größere Belastung verursacht). Und diesen Unterschied verwischen die Argumente der Lungenfachärzte. Sie haben der Politik und der Automobilindustrie mit ihrer quasi wissenschaftlichen Aussage einen riesigen Dienst erwiesen, weil die Mehrzahl der Bevölkerung diese Unterschiede gar nicht versteht und verstehen will. Da bleibt nur hängen: Die Grenzwerte (und im Bausch und Bogen: alle Grenzwerte) sind fragwürdig oder gar falsch.

Bei diesem Gerangel auf den billigen Plätzen wird völlig vergessen, dass unsere Innenstädte zumindest zeitweise hochgradig lebensfeindliche Räume sind und es auch unabhängig von einer Grenzwertdiskussion bleiben werden. Das Problem wird durch Verkehr i.w.S. ausgelöst, also ist der Ansatz, den Innenstadtverkehr drastisch zu reduzieren, absolut richtig. Das wird kein verantwortungsbewusster Politiker abstreiten können! Wenn da nicht die Lobbyisten wären, die jeden Tag auf die Politiker einhämmern und insbesondere mit Arbeitsplatzverlusten argumentieren: Das ist eine unzulässige Aufrechnung von konkreter Gesundheitsbeeinträchtigung einer Mehrheit von Menschen gegen die möglichen, aber hochgradig ungewissen Arbeitsplatzverluste einer Minderheit. Denken Sie bitte nur an das „Theater“ mit dem Katalysator vor etwa zwanzig Jahren. Und um diesen Konflikt wissen die Medien und schweigen im Voraus eilenden Gehorsam.

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Freiheit, die ich meine

Es gab einen Disput im Presseclub vom 13.1.2019 über das Verhalten der Ernährungsindustrie bezüglich der übermäßigen Verwendung von Zucker. Man war sich über die Gesundheitsschädlichkeit des Zuckers in allen wesentlichen Punkten einig. Aber bei der Frage, wie dagegen vorzugehen sei, gingen die Meinungen auseinander:

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Die freie Journalistin argumentierte pragmatisch und nutzte ihren gesunden Menschenverstand. Die Vertreterin der FAZ verstieg sich in neoliberale Grundsätze entlang des ideologischen Wirtschaftsverständnisses der FAZ.

Auffällig war, wie die Freiheit im Sinne des Neoliberalismus strapaziert wurde. Man könnte danach meinen, Freiheit reduziere sich ausschließlich darauf, im Einzelhandel unter möglichst vielen Kaffee- und Schokoladesorten wählen zu dürfen. Die freie Journalistin forderte die Politik auf, hinsichtlich des Zuckerkonsums dem Handel durch eine Steuer oder ein ähnliches Instrument klar nachvollziehbare Korsettstangen einzuziehen. Das war ein neoliberales Sakrileg und veranlasste die Gegenseite die neoliberale Märchenstunde zu eröffnen: Es könne nicht sein, dass die Politik in das Wirtschaftsgeschehen eingreift. Man würde der Macht der Verbraucher viel zu wenig Beachtung zu schenken. Wenn die Verbraucher der Meinung sind, sie wollen es süß, so dürfe da keine staatliche Stelle eingreifen. Die Folgekosten dieser Haltung gehen aber dummerweise zu Lasten der Gesellschaft – also ein klassischer Musterfall des Kapitalismus: die Gewinne aus dem undurchsichtigen Deal gehen an die Wirtschaft, die negativen gesundheitlichen Folgekosten gehen zu Lasten der Gesellschaft.

Die Wirkung des übermäßigen Zuckerkonsums ist unstrittig. Wir züchten bevorzugt in unteren Einkommensschichten (das ist politisch inkorrekt, aber leider die Wahrheit) Fettsucht, Diabetes, Kreislaufbeschwerden, u.v.m. Die Liste der negativen Wirkungen ist lang. Das lässt sich in den Publikationen seit mehr als drei Jahrzehnten beobachten. Aber die Politik unseres Landes sieht sich dafür nicht zuständig. Das oft genannte, aber falsche Argument verweist auf die Freiheit des Verbrauchers. Als ob wir heute diesbezüglich in „Unfreiheit“ leben würden, weil wir leider nur unter 15 Sorten Kaffee, 20 verschiedenen Schokoladesorten, diversen Cola-Anbietern und mehr als fünf Kartoffelchips-Anbietern wählen können. Niemand hat vor, diesen Irrsinn direkt einzuschränken, es würde mit der vorgeschlagenen Maßnahme nur deutlich teurer (vielleicht auch Luxus) werden, sich die Kalorien- und Zuckerbomben leisten zu wollen.

Die Argumente der FAZ-Vertreterin mit der zum Ausdruck gebrachten Freiheitsbesorgnis ist schon makaber: Sie ist dabei natürlich auf der Linie des Neoliberalismus. Aber lässt sich Freiheit auf die simple Auswahl von Konsumartikeln reduzieren? Ergänzt wird dieses Argument dann noch mit der „Macht“ der Verbraucher: sie hätten es in der Hand, was der Markt bereitstellt! Das ist zwar nicht Orginalton der Dame der FAZ, das steht auch so oder ähnlich unkommentiert in vielen Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre. Aber wo lebt diese Dame (und die Volkswirtschaftslehre) eigentlich? Ist sie nicht auch dem täglichen Trommelfeuer der Einflussnahme einer Konsumwerbung ausgesetzt? Sind wir überhaupt noch in der Lage, wenn wir über Konsumeinkäufe nachdenken, allgemeine neutrale Begriffe für die Waren zu finden: Kaufen wir noch Schokolade oder kaufen wir nur „Lindt“ oder „Ritter“, kaufen wir einfach Kaffee oder gleich „prodomo“ oder „Jacobs Krönung“. Haferflocken sind dann „Kölln-Flocken“ und Würstchen werden u.U. zu „Bökelunder“ oder so ähnlich. Markennamen ersetzen die allgemeinen Begriffe. Wir haben doch unsere „Freiheit“ als Verbraucher schon lange abgegeben und es bedarf einer besonderen Überlegung, dieser stillen Gehirnwäsche etwas bewusst entgegen zu setzen. Und das ist dann Freiheit? Da kann man nur mit Rousseau antworten: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten“. Sloterdijk kommt zu der Auffassung, dass „der Wille zur Freiheit (…) mehr und mehr „von der Nötigung zur Freiheit“ überlagert (werde).“ M.a.W.: Es besteht leider kaum noch der Wille zur Freiheit als Ausdruck eines Mangels und dringenden Wunsches nach Freiheit, sondern Freiheit wird heute als Nötigung benutzt, indem versucht wird, den eigenen Vorteil als Freiheit des Anderen zu ‚verkaufen‘.

Freiheit des Einen darf, so die herrschende Auffassung, die Freiheit der Anderen nicht einschränken. Dass ist eine Negativabgrenzung. Freiheit darf aber auch nicht instrumentalisiert werden, um eigene Vorteile unter dem Mäntelchen der Freiheit zu verkaufen und zu Lasten Dritter auszuleben. Die Freiheit der Unternehmensseite, ihre Produkte krankmachend herzustellen, trifft hier auf die Scheinfreiheit der Verbraucher, eine Wahl zu haben. Die inhärente Verknüpfung dieser Wahl mit dem Recht, körperlich unversehrt zu bleiben, wird aber bewusst ausgeblendet. Die Freiheit kann auch der Neoliberalismus nicht dadurch aufheben, dass sein Freiheitsbegriff nur die Freiheit einer Seite betont, aber die Freiheit des anderen schlicht übersieht oder, was naheliegender scheint, als ideologisch irrelevant betrachtet.

Zusätzlich wird dann fälschlicherweise von der Macht der Verbraucher gesprochen, wo keine wirkliche Macht herrscht: das atomisierte Verhalten der Verbraucher stellt keine Macht dar, solange diese Macht sich nicht kanalisieren und bündeln lässt. Damit dieser „GAU“ nicht eintritt, darauf achtet die Politik mit Argusaugen und sieht sich von Seiten der Wirtschaft gestützt. „Pass auf, dass du deine Freiheit nutzt; die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt! Sei wachsam!“ (Reinhard Mey)

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