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CO2 – Zertifikate – was ist das?

Die Bundesregierung ist wahnsinnig stolz auf die „marktwirtschaftliche“ Umsetzung der Idee der CO2 –Zertifikate. Erst ein Studium des Eckpunkte-Papiers lässt die Konstruktion dieser Zertifikate erkennen. Die Zertifikate starten mit einem Festpreis von zehn Euro ab 2021. Davor passiert gar nichts, weil man wohl meint, man brauche so lange, um hier eine gesetzliche Grundlage schaffen zu können.

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Dieser Festpreis steigt dann über die Jahre bis 2025 auf fünfunddreißig Euro. Danach erst wird eine maximale Emissionsmenge festgelegt, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Gleichzeitig wird der Preis je Tonne administriert (35 – 60 Euro maximal). Das ist der Knackpunkt: Heute verbraucht Deutschland ca. 800 Mio. Tonnen CO2; welcher Verbrauch im Rahmen der Klimaziele für 2030 anzustreben ist, verschweigt das Eckpunkte-Papier – aber gerade hier wäre doch für jedermann erkennbar, welcher „Druck auf dem Kessel“ lastet.

In den Jahren bis 2026 ist die Menge CO2 nicht beschränkt. Zwar werden nur so viele Zertifikate ausgegeben, wie jährlich Tonnen Co2 in der Vergangenheit in die Luft geblasen wurden. Es gibt aber die zulässige Möglichkeit, dass sich die deutsche Wirtschaft mit Zertifikaten anderer europäischer Länder versorgt, sollte die deutsche Menge an Zertifikaten nicht ausreichen, um den deutschen Bedarf zu decken. Das heißt im Klartext: wenn im kommenden Jahr Zertifikate aus dem Ausland dazugekauft werden, übersteigt der CO2-Ausstoß die heutige Menge von 800 Mio. to um x Prozent. Bis wir dann endlich in die „Puschen“ kommen, kann es sehr gut sein, dass in einem guten Konjunkturjahr noch einmal 100 Mio. to hinzukommen. Erst in 2026, also in 7 Jahren, werden wir dann von der erreichten neuen Höhe uns auf das zulässige Maß in 2030 herunterhangeln müssen. Das tut richtig weh! Es wird gezielt der schmerzvolle Teil der Operation in die Zukunft geschoben.

Weiterhin sagt das Papier nichts aus über die jährliche Verringerung der maximalen Emissionsmenge ab 2027. Es sind, gut gerechnet, dann nur noch 4 Jahre bis 2030, d.h. in jedem Jahr müssten von der dann bestehenden Differenz jeweils 25% in jedem Jahr eingespart werden. Das ist vermutlich nicht durchsetzbar. Da das Referenzziel in 2030 nicht klar definiert ist, droht die Politik wieder den Weg des kleinsten Widerstands zu gehen und lieber die Klimaziele platzen lassen als sich für eine politisch schwierige Lösung zu engagieren.

Wenn die maximale Emissionsmenge (als Deckel) rasch herabgesetzt wird, entsteht absehbar ein Schwarzmarkt für Zertifikate: der maximale Festpreis von 60 Euro wird dem Staat bezahlt, um dann das überaus knappe Zertifikat am schwarzen Markt unter der Hand für ein Vielfaches zu verkaufen. Es wird ganz schnell Firmen geben, die das schlichte Geschäftsmodell „Vermitteln von Zertifikaten“ professionell nutzen werden. Der amerikanische Goldrausch im vorletzten Jahrhundert erscheint dagegen als „Pillepalle“ (A. Merkel).

Wie wirkt die Maßnahme? So wie es Autofahrer gibt, die aus dem Autofahren eine Ideologie machen und auch dann noch Autofahren wollen, wenn der Spritpreis durch die Decke geht, so gibt es auch Unternehmen, deren Führung die 10 Euro pro Tonne abdrücken und weitermachen wie bisher. Sie wollen die Zeichen an der Wand partout nicht sehen. Es liegt ja auch ein Systembruch vor: Das Klimapaket ist im Prinzip langfristig angelegt (etwa auf 30 Jahre und mehr) und die Unternehmensführung wird i.d.R. auf Vierteljahresergebnisse verpflichtet. „Es ist schwer, einen Mann dazu zu bewegen, etwas zu verstehen, wenn die Höhe seines Gehaltes davon abhängt, dass er es nicht versteht.“ (Upton Sinclair)

Was geschieht mit den Finanzen? Im ersten Schritt werden bei 800 Mio. to CO2 aus den Zertifikatverkäufen 8 Mrd. Euro in die Kassen der Bundesregierung fließen. Wenn der Zertifikathandel das gewünschte Ergebnis einer Reduktion auf z.B. 500 Mio. to sicherstellen kann, dann fließen ab 2030 jährlich immer noch 30 Mrd. Euro aus den Zertifikatverkäufen in die öffentlichen Kassen.

Versuchen wir eine Zusammenfassung auf Grund von vorsichtigen Schätzungen:

2021   10 Euro pro Zertifikat bei 800 Mio. to                                        €    8.000.000.000

2022   20 Euro pro Zertifikat bei 780 Mio. to                                        €  15.600.000.000

2023   25 Euro pro Zertifikat bei 760 Mio. to                                        €  19.000.000.000

2024   30 Euro pro Zertifikat bei 750 Mio. to.                                       €  22.500.000.000

2025   35 Euro pro Zertifikat bei 745 Mio. to                                        €  26.075.000.000

2026    60 Euro pro Zertifikat bei 730 Mio. to (gedeckelt)               €  43.800.000.000

2027    60 Euro pro Zertifikat bei 672,5 Mio. to (gedeckelt)           €  40.350.000.000

2028   60 Euro pro Zertifikat bei 615,0 Mio. to (gedeckelt)            €  36.900.000.000

2029   60 Euro pro Zertifikat bei 557,5 Mio. to (gedeckelt)            €  33.450.000.000

2030   60 Euro pro Zertifikat bei 500,0 Mio. to (gedeckelt)            €  30.000.000.000

Summe                                                                                                               €275.675.000.000

Der Zertifikathandel wird in der Zeit von 2021 bis 2030 schätzungsweise € 250 bis 300 Mrd. Euro den öffentlichen Kassen zuführen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die ersten Einsparungen aus dem Überfluss bedient werden können. Danach geht es Schritt  für Schritt ans Eingemachte. Deshalb sinkt bis 2026 die mögliche Einsparung pro Jahr. Ab 2027 sinkt die bereitgestellte Zahl der Zertifikate jeweils um 25% der Differenz zum angenommenen Ziel von 500 Mio. to.

Auch nach 2030 wird eine anhaltende Zuweisung in der Größenordnung von 30 Mrd. jährlich abnehmend bis 2050 weiterhin zufließen. Die Summe über die folgenden 20 Jahre von 2030 bis 2050 ist nicht sinnvoll zu schätzen. Über 2050 hinaus wird jede Schätzung kritisch, weil das Ziel der Klimaneutralität erreicht sein müsste und darüber wird sich die Welt so stark verändert haben, dass heute jede Aussage nur falsch sein.

Und was hat das Klimakabinett bis 2030 seinen Wähler versprochen: ein Klimapaket in der Größenordnung von 50 – 54 Mrd. Euro bis 2030. Wo steckt denn die Differenz? Eine vorsichtige Schätzung macht Abschläge, aber doch nicht 80% des geschätzten Aufkommens. Hier fehlt ein wesentliches Stück Information!

Als weitere Frage bleibt, wo diese Finanzen verwaltet werden. Sind sie Gegenstand des regulären Haushaltsplans mit allen Rechten und Pflichten oder wird hier – wie schon öfters versucht – eine „Kasse“ eröffnet, die im Wesentlichen nur der Regierung zugänglich ist, ohne parlamentarische Kontrolle und ohne die Kontrolle der Rechnungshöfe. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese „Töpfe“ so riesig sind, dass Begehrlichkeiten entstehen – dem ist vorzubeugen.

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Eine politische Zeitenwende?

Vermutlich ist das zu hoch gegriffen. Und dabei meine ich nicht das temporäre Aufflackern der rechten AfD. Was ich meine, dass durch eine Vielzahl von Fehlentwicklungen Sachzwänge entstanden sind, die die Menschen bewegen, sie aufschrecken und die Heftigkeit zumindest in Teilen so weit geht, dass das rechte Gedankengut der AfD nur noch ein „Vogelschiss“ in der jüngeren Geschichte dieser Republik darstellen wird.

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Der Höhepunkt der Schaffung von Sachzwängen wurde m.E. durch die Agenda 2010 ausgelöst. Auch davor wütete das Menschenbild des Neoliberalismus aus dem 19. Jahrhundert (der Homo oeconomicus) in den Reihen unserer Politiker und unserer Gesellschaft. Untersuchungen der Universität Osnabrück haben im Rahmen der Vorbereitungen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung gezeigt, dass in den letzten 30 und mehr Jahren die Wünsche der kleinen Leute systematisch ignoriert wurden und jene Wünsche der sogenannten Geldeliten regelmäßig ihre Erfüllung in den erlassenen Gesetzen gefunden haben. (Diese Untersuchungsergebnisse tauchen in dem endgültigen Bericht nicht mehr auf – sie waren offensichtlich zu brisant). Diesen Effekt haben wir nicht nur in Deutschland, diesen Effekt weist auch die amerikanische Politik auf. Die horrende Einseitigkeit, die Blindheit für die Bedürfnisse einer breiteren Gesellschaftsschicht haben die Politik in eine Sackgasse aus Sachzwängen geführt, die mit den alten abgenutzten Mitteln der Politik wohl kaum mehr beherrschbar sein wird.

Was wird wirtschaftlich deutlich? Der Betrug vieler deutscher Automobilhersteller haben den Ruf dieser Branche in einem Tempo zusammenbrechen lassen, dass einem schwindelt. Die Verkaufszahlen für SUV in Deutschland sind seit kurzem, so meine (ungeprüften) Informationen, stark rückläufig. Die Mobilitätsfrage, nicht die Automobilitätfrage, beschäftigt die Menschen nach wie vor intensiv. Das Automobil in seiner herkömmlichen Form und Ausprägung führt sich aufgrund des schwindenden Raums in den Metropolen selbst ad absurdum. Was kann die allgemeine Mobilität wieder herstellen? Die Politik hat sich einseitig auf die Seite des Elektroantriebs gestellt ohne einmal durchzurechnen, ob das in der kurzen Zeit und bei dem vorhandenen Energieangebot überhaupt möglich ist. Wenn wir wieder eine Technologie oben draufpacken, und dafür nicht andere energiefressende Technologien aus dem Verkehr ziehen, bleibt alles beim Alten. Um diese kumulativen Wirkungen zurückzudrängen, ist eine drastische Verteuerung insbesondere fossiler Energieträge unumgänglich.

Das wird aber nicht gelingen, wenn wir von erdölgetriebenen Autos einseitig auf strombetriebene Antriebe umstellen. Das Problem ist viel zu komplex, um es mit einer relativ „simplen“ Entscheidung aus der Welt zu schaffen. Hier braucht es eine vielseitige Strategie der konsequenten, aber kleinen Schritte an vielen Stellen. Die Stellschrauben sind vielfältig und deren wechselseitigen Einflüsse machen uns das Leben auch nicht leichter. Die Politik glaubte, die letzten 30 Jahre nicht auf die Wissenschaften hören zu müssen, weil der „Markt“ und das Geld scheinbar alles lösen kann. Sie wird sich wieder etwas von der Wissenschaft sagen lassen müssen, ohne immer gleich in die Schockstarre ihrer veralteten und rückwärtsgewandten Ideologien zu verfallen.

Ideologien, die fester Bestandteil der politischen Programme sind, dürfen sich ruhig einmal runderneuern. Insbesondere die Ideologen, die der Auffassung sind, alles dem Markt überlassen zu können, müssen doch allmählich begreifen, dass diese Idee in seinem absoluten Anspruch dummes Geschwätz ist, weil unsere Politik mit der Wirtschaft so stark verquickt ist, dass ein Markt, wie er ideologisch gefordert wird, gar nicht darstellbar ist und auch künftig nie erreicht werden kann.

Die Politiker unseres Landes haben die globalen Klimaziele in der Vergangenheit immer fein säuberlich mitunterzeichnet, haben sich feiern lassen, haben aber national keine Reaktionen gezeigt. Durch den Druck der Straße hat man dann einen lauen Ausstieg aus der Braunkohle für 2038 zusammengebastelt, der keinem der Beteiligten wehtut, außer dem Klimawandel; und der saß ja nicht am Verhandlungstisch.

Mit der geplanten Umsetzung des Klimapakets greift die gegenwärtige Politik ungewollt die durchaus sinnvollen Ideen des Keynesianismus auf: 40 Mrd. Euro sind den Braunkohlenrevieren zugesagt, um dem Strukturwandel auf die Beine zu helfen. Das ist ein heftiges Konjunkturprogramm in einer Zeit, in der die Konjunktur abzukippen droht. Die sonstigen technischen Kosten, sowie die Kosten der Renaturierung, die im Braunkohlenrevier durch den Ausstieg entstehen, sind in diesem Betrag gar nicht angesprochen bzw. habe ich diese Kosten in hinreichend seriösen Veröffentlichen nicht finden können.

Das Paket zum Klimawandel wird soeben veröffentlicht. Aber außer den Ausführungen der Parteigranden ist kein Stück Papier zu finden, auf dem ausformuliert wäre, was denn nun Sache sein soll. (Heute, Sonntag, finde ich endlich ein 22 Seiten umfassendes Dossier: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975202/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019-09-20-klimaschutzprogramm-data.pdf?download=1) Ohne Kenntnisse der Details und nur auf Basis der Aussagen Dritter ist es kaum möglich, eine Aussage über den Mut zu treffen, den die Damen und Herren Politiker in die Waagschale geworfen haben. Man kann aber wohl konstatieren, dass es wieder einmal der kleinste gemeinsame Nenner geworden ist. Von einem großen Wurf zu sprechen, löst bei mir Lachkrämpfe aus. Die Auswirkungen des heißdiskutierten Klimapakets werden von den ganz normalen Veränderungen des Alltagslebens nicht zu unterscheiden sein.

Die CO2-Abgabe ist leider vom Tisch und die Co2-Zertifikate sollen 2021 angeblich mit läppischen 10 Euro pro Tonne beginnen. Und diese Zertifikate haben nur dann einen Nutzen, wenn gleichzeitig jährlich eine maximale nationale Gesamttonnenzahl für den CO2-Ausstoß klar definiert im Raum steht. Und diese Zahl muss ständig, planmäßig festgeschrieben, sinken, sonst ist das die übliche politische Augenwischerei. Die Wirtschaft muss sich auf die Rahmendaten einstellen können und darf keine Gelegenheit haben, an diesem Rahmendaten zu rütteln. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass im Zertifikatehandel grundsätzlich zwei Stellschrauben existieren: einmal der (Einstiegs-) Preis und zum anderen die mengenmäßige Deckelung der CO2-Ausstoßmenge. Man hat dabei grundsätzlich drei Handlungsalternativen: den Preis regelmäßig hochsetzen, die Menge Jahr für Jahr niedriger deckeln und dann auch beides zur gleichen Zeit. Wenn man sich nur für die Veränderung des Preises entscheidet, bleibt die Frage des jährlichen Gesamtausstoßes an CO2 offen (das ist auch kein Markt, weil die Knappheit fehlt und nur am Preis ein wenig gedreht wird). Wenn man sich für die Deckelung entscheidet, steigt der Preis der Zertifikate durch deren jährliche mengenmäßige Verknappung (wird die künstlich herbeigeführte Verknappung hochangesetzt, geht der Preis pro Zertifikat relativ schnell durch die Decke, denn es herrscht dann Knappheit – es gibt mehr Nachfrage als Angebot). Nutzt man beide Instrumente gleichzeitig, kann man m.E. auch viel Unheil anrichten. Die Wirtschaft muss in der Lage sein, sich (gegebenenfalls unter heftigen Geburtswehen) an die neue Situation anzupassen. Ich präferiere die Deckelung, denn sie zeigt mir an, wieviel zur Klimaneutralität noch fehlt. Deshalb muss diese Zahl auch regelmäßig kommuniziert werden. Zu begrüßen ist die Feststellung in dem Klimapaket, dass eine jährliche Überprüfung der Fortschritte installiert werden soll mit dem Sanktionsmechanismus, dass das die Ziele verfehlende Ministerium innerhalb von drei Monaten Abhilfe schaffen muss. Es könnte gut sein, dass wir sehr schnell hier über die Jahre in einen riesigen Abhilfe-Stau geraten.

Es äußerten sich am Freitag schon einige Fachleute und stellten fest, dass dieser Einstiegs-Preis weit zu niedrig sei und insbesondere fehlen klare Entwicklungsangaben für diesen Preis, mit anderen Worten, die Konservativen haben wieder zahllose Türen oder ganze Scheunentore offen gelassen, um dann, wenn der Druck der Straße (aus ihrer Sicht ‚hoffentlich‘) nachgelassen hat, wieder auf die bequeme Schiene zurückzukönnen. Die bequeme Schiene heißt konkret, die absehbaren Probleme nicht zu lösen, sondern sie auf die zukünftigen Generationen zu überwälzen. Die weiteren Einzelheiten des Pakets werden wir erst in Laufe der Zeit erfahren. Es ist ja bis jetzt ein Konsens über eine Absichtserklärung, die jetzt in Verordnungen und Gesetze gegossen werden muss. Die Politik hat nicht zum ersten Mal aus einem netten Baby ein Monster gemacht.

Die Umsetzung des Konjunkturprogramms des Klimapakets in Höhe von über 50 Mrd. Euro werden dem sich eventuell abzeichnenden Konjunktureinbruch aufgrund seiner Größe und Dauer entgegenwirken. Die unvermeidlichen Verluste in diesen Strukturprozessen werden durch die Gewinner mit ziemlicher Sicherheit überkompensiert.

Aber damit sind ja noch nicht die alten Probleme der Politik vom Tisch: Unsere Infrastruktur unseres Landes ist in einem jämmerlichen Zustand und man fragt sich manchmal, ob ein so reiches Land wie das unsrige sich solche maroden öffentlichen Einrichtungen leisten kann und darf. Die Wirkung von gut funktionierender Infrastruktur wird im Wirtschaftsleben ständig unterschätzt. 30 Jahre Neoliberalismus haben in einem ehemals aus Trümmern aufgebauten Land die private Seite übermäßig reich werden lassen und die öffentlichen Hände gesetzlich zu einer „schwarzen Null“ verpflichtet. Mit anderen Worten: systematisch verarmt, und so sieht unsere Infrastruktur in vielen Ländern unserer föderalen Struktur auch aus. Es beginnt bei den Schulen und deren personale und sachliche Ausstattung, geht über den Zustand der nachrangigen Straßen, Sozialeinrichtungen, und vieles mehr. Auch hier schlummert noch ein ‚Konjunkturprogramm‘ zur Abwendung dieser Sachzwänge von mehreren 10 Mrd. Euro. Das ist niedrig geschätzt, genauere Zahlen habe ich nicht finden können.

Fassen wir zusammen, so stellen wir fest, dass die Gazetten von der Sorge sprechen, dass die Autoindustrie als Mainstream an Boden verliert, dass die Versicherungswirtschaft einige Sparten auflöst, die Bankenstruktur sich grundlegend ändert und dass ganz generell angeblich die Konjunktur in eine Rezession zu fallen droht. Wenn ich mir dann auf der anderen Seite die politisch nicht gewollten, sondern durch den Druck der Straße herbeigeführten „Konjunkturprogramme“ in einer Größenordnung von deutlich über 100 Mrd. Euro über die nächsten anderthalb Jahrzehnte anschaue, dann kann ich über die Sorgen über das Abkippen der Konjunktur nur milde lächeln. Da wird so viel Geld rausgeblasen, da muss die private Seite schon viel falsch machen, wenn es nichts nutzen sollte. Ob sich dabei auch die Vermögensverteilungsschere verbessert, steht leider nicht auf der Tagesordnung.

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SUV – eine unselige Geschichte?

Die SUVs stehen zur Diskussion, aber nicht wegen des bedauerlichen Unfalls in Berlin, an dem ein solches Fahrzeug offensichtlich beteiligt war. SUVs werden in den Gazetten auch schon mal als „Stadtpanzer“ bezeichnet – der Schritt zum „Krieg auf den Straßen“ ist dann nicht mehr weit. Tatsache ist, dass der SUV zwar ein Verkaufsschlager der Autoindustrie ist, aber aufgrund seiner Größe, seiner Breite, seiner Anmutung als „Panzer“, seines Gewichtes und folglich seines Verbrauchs und seines relativ geringen Platzangebots ein Produkt ist, das absolut nicht in die Zeit passt, in der CO2 und der Ressourcenverbrauch zunehmend auch politisch eine größere Bedeutung gewinnt.

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Die Antwort der Autoindustrie auf die Infragestellung der Funktionalität eines SUV ist überaus dürftig: Es wird als Verkaufsargument einerseits die erhöhte Sitzposition und die bessere Übersicht angeführt und andererseits das Argument, der Markt verlange dieses Auto. Mehr und Besseres ist nicht zu hören. Die Sitzposition, die zugegeben insbesondere für ältere Menschen von erheblichem Vorteil ist, haben auch PKWs, z.B. u.a. die B-Klasse von Mercedes oder vor Jahren der Golf plus und auch neuere VW-Modelle, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Sitzposition ist also keinesfalls SUV-gebunden. Und das Argument der Nachfrage ist ein Scheinargument: wer schafft denn die Nachfrage? Dafür werden doch Marketing- Milliarden für Framing ausgegeben, um den Geschmack und die Begierde zu wecken und in einem gewissen Umfang auch zu steuern.

Bisher war der Klimawandel ein ziemlich lästiges Lippenbekenntnis der Politik. Jetzt merkt auch der verbohrteste Konservative, dass die Masche nicht mehr zieht. Erst bestand bei der CSU die Gefahr, dass wesentliche Teile der Wählerschaft sich mehr für Bienen interessiert als für ein kapitalistisches „Mehr, Schneller, Höher“ und dann kamen wenige Wochen danach die künftigen Wähler mit „Friday for Future“ und setzten sich vehement für eine andere Klimapolitik ein. Vergleichbares geschah in Baden-Württemberg. Und da liegt man mit einem solch dysfunktionalen Automobilkonzept absolut daneben – da hat sich irgendetwas im Mainstream grundlegend gedreht und drängt damit die Automobilindustrie noch weiter in die Defensive.

War doch die Hoffnung dieser Industrie, nach dem Betrug an ihren Diesel-Kunden, auf Vergessen setzen und nun wieder durchatmen zu können, da kommt das nächste Problem: ausgerechnet die gewinnträchtigen SUVs werden jetzt hinsichtlich ihrer Funktionalität im Rahmen eines allgemeinen Mobilitätskonzeptes in Frage gestellt (zu groß, zu schwer, zu ineffizient). Das trifft noch nicht sofort die Umsatzzahlen, aber je länger die grüne „Community“ die Dysfunktion der SUVs thematisiert, desto mehr statusbezogene Kunden werden sich nach Alternativen umschauen (müssen).

In diesem Zusammenhang ist der tragische SUV-Unfall in Berlin natürlich für die psychologische „Kriegsführung“ verheerend, wenngleich es unbedeutend ist, welche Art Automobil diesen traurigen Unfall letztlich verursacht hat. Die Medien haben den „SUV“ jetzt ins Rampenlischt gestellt. Es zeigt sich auch hier, dass die Autoindustrie ihren vormaligen mächtigen Medien-Schutz weitgehend eingebüßt hat. Es werden Fragen nach der Sinnhaftigkeit dieser Automobil-Klasse gestellt und die lauwarmen Antworten machen einen sprachlos.

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Der Zertifizierungswahnsinn

Was wird heute nicht alles zertifiziert?! Und bekommt irgendein „Wapperl“ (eine aufgeklebte Marke), das eine irgendwie bezeichnete Zertifizierung bestätigt. Warum ist das so? Ist etwas ohne Zertifikat wertlos? Denken wir an „Bio“ als Auszeichnung von Lebensmitteln, bei denen – ja, was nun? – angeblich keine landwirtschaftlichen „Kampfstoffe“ Verwendung gefunden haben sollen? Oder denken wir an die ISO-Zertifizierung von Prozessen, bei denen nicht die Prozesse selbst gesichert werden, sondern nur die Dokumentation der Prozesse beurteilt wird.

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Heißt das nun, dass alle nicht zertifizierten Prozesse die reine Schlamperei darstellen? Das ist doch hirnrissig! Am Ende dieses Zertifizierungswahns steht neben jedem, der aktiv etwas tut, ein zweiter, der eifrig dokumentiert, dass der erste etwas getan hat. Gibt es ein schöneres Beispiel für Bürokratie?

In einem Wirtschaftssystem, indem nur die Quantität (Absatz) und Preis zählt, kommt die Qualität unter die Räder. Zertifizierung ist ein Versuch, den verlorenen Qualitätsbegriff durch die Hintertür wieder einzuführen, aber zu welchem Preis? Bei einem Hersteller eines Produktes (vom alten Schlag) stand immer die Qualitätsfrage im Vordergrund, denn von alters her war Qualität das wesentliche Verkaufsargument. Wenn die Qualität den Verbraucher nicht zufrieden stellte, war das ein absolutes KO-Kriterium. Man kaufte ja auch nicht, um aus Langeweile zu shoppen, sondern man trug sein schwerverdientes Geld nur dorthin, wo man für sein Geld Qualität geliefert bekam. Das Gekaufte musste jahrelang gebrauchsfähig bleiben und ggfs. auch zu reparieren sein. Ramsch war unter diesen Umständen undenkbar.

Das hat sich grundlegend gewandelt. Bei dem Versuch, Umsatz zu maximieren, wurde das Argument der Qualität durch den Preis ersetzt. Da Qualität Geld kostet, blieb sie auf der Strecke. Um im Preiswettbewerb bestehen zu können, hat sich die Qualität in aller Regel dem sinkenden Preis angepasst. Wenn man sich auf dem Markt ein wenig umschaut, stellt man zumindest im Retail (Einzelhandel) fest, dass zahllose angebotene Artikel im Grund nur produzierten Müll darstellen, der kaum eine sinnvolle einmalige Anwendung übersteht, um dann sofort im Müll zu landen. Wir merken dieses Verhalten schon gar nicht mehr; man kann sich heute Dinge mal schnell billig kaufen, für die musste ich vor 50 Jahren monatelang sparen. Mein Verhältnis zu dem Gekauften war aufgrund des Preises nicht durch Wegwerfen geprägt, sondern vom langfristigen Gebrauch.

Nun gibt es einen großen Teil der Bevölkerung, den dieser Wegwerfkonsum abstößt. Man hat irgendwo noch eine Idee von Qualität, kann und will sich aber auf die werblichen Aussagen des Handels und vieler Hersteller zu Recht nicht verlassen. Hier wurde dann wohl der Gedanke einer Zertifizierung geboren. Es ist der Versuch, die ursprüngliche Selbstverständlichkeit, Qualität abzuliefern, durch die Erlangung von Zertifikaten wieder einzuführen: Wer dieses Zertifikat erworben hat, so die Meinung, liefert Qualität!

Man merkt schon an der Wortwahl, dass diese Zertifikate gekauft werden müssen. Und wer zahlt, schafft an (Das ist ein wesentliches Grundgesetz des Kapitalismus)! Damit ist im Prinzip alles gesagt. Zertifizierung ist ein gnadenloses Geschäft und der Zertifizierungswahn befeuert diesen Markt. Wenn doch die kapitalistische Grundregel der Effizienz dazu führt, dass die Qualität aus dem System heraus fliegt, warum sollten dann „Zertifizierer“, die sich dem gleichen Prinzip zu unterwerfen haben, sicherstellen können, dass Qualität wieder Teil des Prozesses wird.

Die Zertifizierung bezieht sich in keinem Fall auf konkrete Vorgänge, es geht immer nur um die Zertifizierung der Beschreibung (Dokumentation) des Vorgangs. In einem zweiten Schritt wird dann überprüft, ob die Dokumentation auch angewendet wird. Wie macht man sowas? Man fordert von den Tätigen (im Unterschied zu den Kontrolleuren) auf jedem Stück Papier viele Häkchen, ein Datum und seine Initialen zu hinterlassen. Ob es stimmt, was da im Akkord abgehakelt und unterzeichnet wird, wissen nur die Götter. Aber mit jedem falsch gesetzten Haken riskiert der tätige Arbeitnehmer seinen Job. Und will man jemanden im Betrieb loswerden, so gibt es mindestens zwei Stellen, an denen man drehen kann: Reisekosten (in den oberen Etagen) und Mängel beim Ausfüllen von Zertifizierungs-Vorgaben.

Man muss sich das möglichst konkret vorstellen – beim Qualitätsmanagement geht nicht um das Produkt, um die verwendeten Materialien, die Sinnhaftigkeit des Produktes, es geht schlicht darum, dass diese Produkte immer mit der gleichbleibenden ‚Prozedure‘ hergestellt werden. Das Produkt selber kann funktional Schrott oder Müll sein. Das zu beurteilen steht der Zertifizierung auch nicht zu.

Heute bestimmt das Qualitätsmanagement häufig die Abläufe im Detail statt sich auf Abweichungen oder Ausnahmesituationen zu konzentrieren, die dann konkret im jeweiligen Fall eine gesonderte Korrekturmaßnahme erfordern würde. Das QM geht per se davon aus, dass Qualität nur dann erreicht wird, wenn alles unter Kontrolle ist. Aber es sollte umgekehrt sein: Der Produktions-oder Leistungsprozess ist so strukturiert, dass in 90 oder 95% der Fälle das gewünschte Maß an Qualität hervorgebracht wird und nur wenn hier Abweichungen entstehen, greift die Kontrolle.

Es wird immer wieder betont, dass unsere Wirtschaft kreativ oder innovativ sein solle. Dem kann man wenig entgegen setzen. Aber es muss klar sein, dass Zertifizierung als ein Element der verstärkten Bürokratisierung aufgefasst werden muss und in kreativen oder innovativen Kreisen keinen Platz haben kann. Zertifizierung kann erst dann einsetzen, wenn der ehemals eventuell innovative Ausgangsprozess in eine Standardabwicklung überführt wird. Er wird bürokratisiert. Dann hat der Prozess aber jede Kreativität verloren.

Ich denke, das beschreibt in wesentlichen Zügen, was Zertifizierung in unserem System zu leisten im Stande ist. Aber eins muss dabei klar sein, mit dem abstrakten Begriff Qualität, der sich aus der Beziehung von Produkt und (nachhaltiger) Anwendungsmöglichkeit entwickelt, hat die Zertifizierung nichts gemeinsam. Zertifizierung ist ein schlecht gemachtes Feigenblatt, mit dem wir uns einbilden, wir könnten die Eigenschaft ‚Qualität produzieren‘ in das System zurückholen. Es ist die Quadratur des Kreises: Ein auf Quantität programmiertes Wirtschaftssystem ist nicht in der Lage, wirkliche Qualität zu verstehen. Das kapitalistische System hat dafür keine Kategorien. Das schließt ja nicht aus, dass in unserem Land und anderswo Qualität produziert wird. Nur hat das mit der Zertifizierung nichts zu tun. Die meisten Hersteller, die Qualität produzieren, haben sich inzwischen (Not gedrungen) zertifizieren lassen, weil es offensichtlich dazu gehört, aber zu dem, was vernünftige Menschen unter Qualität (eines Produktes) verstehen, trägt die Zertifizierung nichts bei.

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Der Müll und der neoliberale Glaube an den Anreiz

Die Natur reproduziert sich ständig, „Müll“ fällt dabei zwar an, wird aber durch vergleichbare Produktionskräfte dem Kreislaufprozess wieder zugeführt. Wäre die Natur hierzu nicht in der Lage, so wäre sie schon vor Jahrtausenden an ihrem Natur-„Müll“ erstickt, denn die Naturproduktion läuft ja schon seit Jahrmillionen.

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Stellen Sie sich nur vor, die abgeworfenen Blätter als das sichtbare Zeichen des Herbstes würden nicht verrotten. Alte Bäume, die fünfhundert oder gar tausend Jahre diesen Vegetationswechsel mitmachen, würden sich schwertun, ihre prächtigen Kronen aus dem Natur-„Müll“ herausschauen zu lassen.

Übertragen wir diese Betrachtung auf unser tägliches Müllproblem. Wir nutzen, wie die Natur, Ressourcen, um etwas zu produzieren. All diese Produkte werden nach unterschiedlichen Fristen zu Müll – das ist ein Grundgesetz unserer Produktions- und Lebensweise. Man kann auch sagen, Ökonomie ist eine Form der Gestaltung des Verwertungsprozesses von Ressourcen zu Müll. Alles was wir produzieren, endet in der einen oder anderen Form von Müll. Nur hat unser System der Produktion die gesamte Seite des Recyclings erst vor wenigen Jahrzehnten erkannt und begonnen zu verstehen. Das gegenwärtige System ist weder intelligent, noch zwangläufig: Recycling besteht gegenwärtig in erster Linie in einer Verbrennung der Reststoffe (Müll). Das ist die veröffentlichte Ansicht; aber die Tatsache, dass unser Müll um die Welt reist, weil man nicht mehr weiß, wie man dieser Flut Herr werden will, wird gerne verschwiegen.

Die Markt -„Narren“ haben es leider geschafft, aus dem Müll ein Geschäft zu machen. Das hat den großen Vorteil, dass die politischen Institutionen bei diesem Problem nicht mehr verantwortlich zeichnen müssen. Man hat Unternehmer gefunden, die sich diese Sache gegen gutes Geld annehmen und verwalten. Und das Geld stammt nicht aus dem Staatssäckel, es wird anonym auf dem „Markt“ generiert und die Bürger sind der Markt, weil ja einer den Vorgang bezahlen muss; nicht direkt, sondern darüber, dass die Unternehmen mit dem Verkauf der Ware den Obolus für den Müll gleich mitkassieren und z.B. an den „Grünen Punkt“ und ähnliche Einrichtungen abführen.

Das Nachteilige dieser Vorgehensweise ist, dass der Bürger glaubt, damit werde jetzt ordentlich Müll entsorgt und die „Rohstoffe“ rückgewonnen, aber das stimmt so nicht. Der erfasste Müll wird durch das System geschleust, indem etwa 15% tatsächlich recycelt und der Rest thermisch recycelt (verbrannt) wird und damit CO2 freisetzt. So wie das sich in der Theorie anhört, bleiben eigentlich keine Mengen übrig, die wir nach Afrika oder nach Südostasien verschiffen können. Trotzdem finden wir dort unseren Müll in Massen wieder.

Der Müll muss im jeweiligen Land des Konsums verbleiben, denn nur so ist es möglich, zu verdeutlichen, dass wir zumindest in Europa im Grunde im Müll „ersaufen“. Dadurch würde der Problemdruck im Inland höher (es gäbe kein Export-„Ventil“ mehr, um den Druck niedrig zu halten) und die Frage, was machen wir mit all dem Müll, würde sich auf der politischen Agenda regelmäßig aufdrängen.

Die gefeierte Schaffung eines Marktes war politisch vordergründig und relativ kurzsichtig, weil die Abfallmengen zwar große Geldbeträge bei den Unternehmen generieren (=Wachstum), aber der wachsende Müllberg stinkt täglich mehr zum Himmel! Kein Markt kann Müll absorbieren – wie denn auch? Wenn der Müll-‚Markt‘ das Problem bloß vor sich her schiebt oder umschichtet, wird doch jedem klar, dass versucht wurde, das Müll-Problem vom falschen Ende her zu lösen.

Der Begriff der Entsorgung von Müll war politisch eine unglückliche Wahl. Die Entsorgung als Begriff signalisiert dem Verbraucher, dass er mit dem Müll auch noch Rohstoffe generiert, sich gut fühlen darf und sich darüber keine Sorgen machen muss – es wird von ‚höherer Stelle‘ besorgt. Ein Begriff der Müllvermeidung hätte hierbei eine andere Botschaft: jeder wäre aufgerufen, Müll zu vermeiden. Wenn die Vermeidung auf der Tagesordnung steht und der Druck der Müllmassen fordert z.B. ein partielles Produktionsverbot, so ist das jedem Bürger vermittelbar, denn er hat ja hoffentlich die ‚Vermeidung‘ als einfachsten und primären Lösungsansatz verinnerlicht. Bei der Wahrnehmung von Entsorgung kommt ein Verbot einem Eingriff in die souveränen Rechte (in die vermeintliche Freiheit) des Bürgers gleich und der Aufschrei wird dementsprechend groß sein.

Der Begriff der Entsorgung ist ein Wort aus dem Vokabular der neoliberalen Haltung unserer Regierung. Es werden über das Wort „Rohstoffrückgewinnung“ Anreize geschaffen, um dem Problem angeblich Herr zu werden. Wenn Anreize geschaffen werden, ist die Politik stets fein raus – handeln muss immer ein Dritter. Wenn sich dann herausstellt, dass Anreize zwar einen Markt und damit eine milliardenschwere Industrie schaffen kann, aber der Markt überhaupt nicht in der Lage ist, das Problem schlussendlich zu lösen, sondern nur gewinnbringend als ‚Perpetuum mobile‘ zu verwalten, poppt die Anfangsfrage wieder auf: Wie lösen wir eigentlich das Müllproblem? Wobei jetzt nicht nur das Müllproblem zu lösen ist, sondern auch die damit verquickte künstlich geschaffene, inzwischen milliardenschwere Müllindustrie. Wir können nicht nur davon ausgehen, nur das grundsätzliche Müllproblem lösen zu wollen, wir müssen das Problem einer ganzen Industrie lösen, das die Marktfetischisten ins Leben gerufen haben, ohne zu überreißen, dass das Vorgehen überhaupt keine Lösung darstellt.

Man hat sich in den eigenen Strategien verheddert: Um einer Lösung näher zu kommen, müssen möglicherweise harte Entscheidungen her (z.B. Verbote, klare Einschränkungen). Diese lösen dann bei Investoren sofort Ansprüche aus Vertrauensschaden gegen die Bundesrepublik Deutschland aus. Die Juristen unter uns werden mit dem spitzen Finger sofort auf die Verjährungsfrage hinweisen. Aber das ist naiv. Juristisch ist da wenig auszurichten, aber man kann für ein „kleines politisches Gegengeschäft“ wunderbar politischen Druck aufbauen. Denn zahlen, das dürfen wir dann als Bürger dieses Landes.

In neoliberal konservativen Kreisen argumentiert man in der Wirtschaftspolitik ideologisch und Mantra artig mit dem Setzen von Anreizen. Man ist der Meinung, dass Anreize weniger Initiative unterbinden wie eine klare politische Entscheidung. Mein Eindruck ist, dass man sich eher ängstlich um eine Entscheidung drückt. Ein klares Verbot, das auf einer fehlerhaften Einschätzung fußt, kann dem Entscheider natürlich auf die Füße fallen. Das ist richtig, das ist das Schicksal eines jedes Menschen, der eine Entscheidung zu vertreten hat. Und irren ist menschlich.

Aber was ist mit fehlerhaften Anreizen? Sie schaffen ein Milieu der politischen Verantwortungslosigkeit: keiner will es gewesen sein und diejenigen, die auf die Anreize reagiert haben und nun ggfs. das Nachsehen haben, sind dann aus der Sicht der Politik ‚selbst‘ schuld; sie hätten ja auf den Anreiz nicht reagieren müssen! Die Politik ist dabei fein raus, und der Dumme ist immer der Andere, der sich traute, eine Entscheidung umzusetzen. Es sei denn, der „Dumme“ ist ein wirtschaftlich „Großer“. Er wird über die Lobby und andere Kontakte das berühmte „kleine Gegengeschäft“ fordern und die Politik ist in vielen Fällen hier eingeknickt. Das sind die natürlichen Kosten des politischen Geschäfts, wenn man sich als Hoheitsträger (also als Entscheidungsträger), der sich eigentlich strikt auf den Wirtschaftsrahmen beschränken soll, auf „Anreiz-Deals“ mit der Wirtschaft einlässt. Donald Trump lässt grüßen!

Ein Verbot kostet insoweit Geld als das Verbot überwacht und ggfs. sanktioniert werden muss. Aber Anreize, wenn sie politische Wirkung erzielen sollen, kosten auch richtig Geld: gewöhnlich wird das gewünschte Verhalten im Rahmen des Anreizes finanziell großzügig ausgestattet und spricht in klassischer Weise die Gier (um etwas zu bekommen) oder die Angst (etwas zu verlieren) an. Es ist aber nicht sicher, dass dieser Anreiz keine unerwünschten Nebenwirkungen auslöst, vergleichbar mit denen eines Verbotes. Alle diese Argumente machen nur deutlich, dass es der Politik in der Frage einer Anreizpolitik an gestalterischem Willen fehlt. Es fehlt Rückgrat und Überzeugungskraft, um in entscheidenden wirtschaftspolitischen Fragen Kante und damit Gestaltungswillen zu zeigen.

Wer Müll reduzieren will, weil es einfach für den Bürger und die Natur nicht mehr zuträglich ist, muss das Grundgeschäft der Müllindustrie angreifen, die Jahrzehnte zuvor mit starken politischen Anreizen aufgebaut wurde. Müll ist bei der kapitalistischen Einstellung des „Schneller, Höher, Weiter“ (als Wachstumsmantra) vorprogrammiert. Müll ist die Residualgröße der menschlichen Produktionsweise in einer grundsätzlich begrenzten Welt: Mehr Wachstum – mehr Müll. Die Umkehrung lautet dann: Weniger Müll ist nur möglich, wenn wir von der Wachstumsideologie Abstand nehmen.

Es gibt mit Sicherheit Vertreter einer neoliberalen Politik, die mit Empörung auf das oben ausgeführte reagieren werden. Sie zählen zu jenen Politikern, die immer noch beten und auf das Wunder warten, dass Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu trennen sei – „es fehle nur an der richtigen Technologie“(!?). Müll lässt sich technologisch in gewissen Grenzen reduzieren, aber wie müsste der Anreiz hierfür aussehen? Und wenn möglich, welche hohen finanziellen Ressourcen müssten dabei eingesetzt werden, wenn dabei Angst und Gier herrschen soll? Wir müssen anfangen zu begreifen, dass wir mit Geld nicht alles kaufen können.

Haben Sie schon einmal einen seriösen Unternehmer gesehen, der in ein öffentliches Verbot investiert hat? Wenn das Verbot steht und in seinen unmittelbaren Wirkungen für jedermann nachvollziehbar ist, wird das nicht geschehen. Also sind die Folgekosten eines Verbotes deutlich kleiner als die einer Anreiz- Politik, bei der es immer Unternehmer geben wird, die sich auf den Vertrauensschaden der Politik berufen können. Und eins muss dem Politiker klar sein: ein Unternehmer verfügt immer über eine Dokumentation, die nicht der üblichen kurzfristigen Vergesslichkeit eines Wählers entspricht. Er ist auch nach mehr als zehn Jahren in der Lage, minutiös nachzuweisen, was alles schief gelaufen ist.

Franz Alt hat in einer Fernsehdiskussion zu dem Thema Anreize, Steuern oder Abgaben ganz trocken sinngemäß festgestellt: „Wie wurde die Sklaverei aufgehoben, wie wurden das Rauchen in öffentlichen Räumen eingeschränkt, wie haben wir Kinderarbeit aufgehoben – doch nicht durch Anreize oder Steuern, sondern schlicht mit durchgesetzten Verboten!!“ Das Verbot ist kein Allheilmittel für jede politische Tagesfragestellung, aber es gibt in unserer Gegenwart wichtige, ja existentielle Fragestellungen, die können nicht länger durch eine halbseidene Anreiztheorie, über einen Kuschelkurs und peinliche Anbiederung (z.B. Freiwilligkeit) gelöst werden. Die Zeit läuft uns einfach davon!

Das Müllproblem lässt sich nicht per Dekret lösen, aber wir müssen einen Anfang finden: z.B. Verbrauchsplastik und Verpackungsplastik erst hoch besteuern und dann nach einer Anpassungsphase für Industrie und Verbraucher verbieten. Meine Müllgebühren würden sich vermutlich halbieren.

Es ist klar, dass eine solche Maßnahme die Gemütlichkeit des politischen Lebens aufzuheben droht, aber haben wir eine andere Chance? Nicht nur der Verbraucher steht vor neuen Herausforderungen, eine ganze Industrie muss sich von Verbrauchsplastik (= produziertem Müll!!) auf Gebrauchsplastik umstellen. Das wird Verluste geben, ohne Frage – aber auch neue Gewinner! Wenn wir systematisch alle Plastikproduktionen in Deutschland darauf überprüfen, ob das Produkt regelmäßig nur zum kurzfristigen Verbrauch dient, um dann unmittelbar zu Müll zu werden, so ist dies mit Sicherheit ein Produkt, auf das wir in Zukunft verzichten sollten, indem wir die Produktion und den Import solcher Güter grundsätzlich (d.h. mit wenigen gezielten Ausnahmen) verbieten. Das wäre ein Anfang, um den Müll in den Griff zu bekommen. Ergänzend können wir Regeln von Singapur übernehmen: Das Wegwerfen im öffentlichen Raum gilt als unerwünscht und das Verhalten (nicht der weggeworfene Gegenstand) wird mit erheblichen Geldstrafen bedroht. Sicher keine tolle Lösung, aber in Singapur ist diese Vorgehensweise ganz offensichtlich sehr effektiv.

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Künstliche Intelligenz (KI) – ein ferner Wunschtraum?

Im Rahmen eines außergewöhnlich guten Vortrags hatte ich Gelegenheit, der Frage nach der KI ein wenig nachzuspüren. Da mir viele Grundlagen fehlen, ist es mehr oder weniger eine Wertung aufgrund dessen, was ich verstanden habe. Der Vortrag stellte im ersten Schritt in einem breiten Fächer den Stand der Technik vor. Die Zuhörer waren sich darin einig: Das hat mit dem, was die Zuhörer unter künstlicher Intelligenz verstehen würden, aber so gar nichts zu tun. Da ist die Entwicklung noch Meilen von einer KI entfernt.

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Dann wurden wir mit einer Parabel vertraut gemacht. Auf dieser Parabel waren dann alle verschiedenen Stadien der unterschiedlichsten Ansätze zur KI aufgereiht. Ich kenne diese Parabel unter der Bezeichnung „Mount Stupid“ aus der Beschreibung des Anlegerverhaltens an der Börse. Damit werden Hypes für Aktienpreise umschrieben, die solange steigen, bis der ‚Mount Stupid‘ erreicht ist (also der Umkehrpunkt, an dem die Mehrzahl der Anleger gemerkt hat, dass das ein Flop ist). Danach fallen die Preise ins Bodenlose, um sich dann auf der Höhe des Beginns der Parabelaufzeichnung i.d.R. wieder zu fangen, um dann (vielleicht) als unaufgeregter Börsenwert doch noch seinen Weg zu machen.

Der Vortragende hat mit der Präsentation dieser Parabel wohl bewusst zum Ausdruck bringen wollen, dass KI sowohl im Rahmen der Wissenschaft als auch im Rahmen der die Wissenschaften finanzierenden Investoren als ein Hype zu betrachten ist. Alle reden, aber die wenigsten verstehen etwas davon und es wird noch viel Geld dabei verbrannt werden.

Aus meiner persönlichen Sicht greife ich auf ein Modell von vor 200 Jahren zurück. Schopenhauer hat es verwendet, um die Hirnfunktionen zu verdeutlichen. Dabei liefern die Sinne den Input und der Verstand sortiert und speichert diesen Input nach Raum, Zeit und Kausalität. Der Verstand ist nur die große Sammelstelle. Wertungen und Verknüpfungen (also Ansätze zur Intelligenz) erfolgen im Rahmen der Vernunft. Übertragen auf unsere Zeit bedeutet das, das die Bestrebungen der heutigen Digitalisierung in etwa der Sammelwut des Verstandes nahekommt und künstliche Intelligenz erst dann auftreten würde, wenn ein Äquivalent zur Vernunft (die sinnvoll werten und verknüpfen kann) gefunden wird.

Was gegenwärtig konkret passiert, hat mit KI eigentlich nichts zu tun. Die Datenkraken suchen nach immer besseren und schnelleren Auswertungen der Daten, die sie möglicherweise ungerechtfertigt nutzen, um durch Informationen über andere Menschen Verwertbares schaffen und verkaufen zu können. Dass dabei immer raffiniertere und aggressivere Methoden Verwendung finden, ist bedauerlich, hat aber mit KI unmittelbar nichts zu tun. Die Vorgehensweise schreit jedoch nach einer Regulierung.

Bei der Diskussion wurde dann auch verdeutlicht, dass der Begriff der Intelligenz (im Deutschen) und der der Intelligence (im Angelsächsischen) unterschiedlich interpretiert werden. Wir verstehen in Deutschland darunter eine individuelle Kapazität (die wir im Hirn lokalisieren) ohne eine Verwendung zu implizieren. Die Angelsachsen sehen das ein wenig anders. Sie erfassen damit auch Aktivitäten, allgemein insbesondere Untersuchungen, die verdeckt erfolgen im Sinne von Spionage. Aufgrund dieses ‚kleinen‘ Missverständnisses wird vielleicht das Handeln der Datenkraken – als eine Form der ‚Intelligence‘ aufgefasst – etwas verständlicher.

Aus meiner Sicht fußt aller Anfang von KI auf der Grundlage von Algorithmen, also verknüpften Schritten, die zu jederzeit wiederholbare Lösungen eines bestimmten Problems bereitstellen sollen. Ändert sich die Problemstellung, so verliert der vormals fixierte Algorithmus seine Fähigkeit, eine problemadäquate Lösung hervorzubringen. Der Algorithmus macht  – dumm wie er ist – zwar seine Schrittfolgen, aber seine Lösungen passen in keinem Fall mehr auf die veränderte Problemstellung. KI könnte nun dort beginnen, wo ein intelligenterer oder ein hierarchisch übergeordneter Algorithmus feststellen könnte: Stop! Die Voraussetzungen für eine valide Lösung sind nicht mehr gegeben. Die nächst höhere Stufe im Rahmen von KI wäre dann die Fähigkeit, erstens zu erkennen, worin der Mangel liegt und zweitens die Fähigkeit, gegebenenfalls den Algorithmus an die neue Problemlage anzupassen. Man merkt, dass wird schnell sehr komplex. Dort sind wir noch nicht und dorthin werden wir so schnell auch nicht kommen. Abgesehen davon, wäre die Frage nach einer Kontrolle einer solchen Art von Intelligenz außerhalb des Menschen sofort virulent. Hier müssen wir wirkungsvolle Regulierungen finden, die aber den Ansatz der KI nicht gleich im Kern ersticken.

Was wir heute beobachten können, ist die Perfektionierung im Sinne von „Intelligence“ (siehe NSA in den USA oder chinesische Überwachungsstrategien über Huawei). Hier gehen glücklicherweise zumindest bei uns in Europa die roten Ampeln an. Die neue Datengrundverordnung, die sich Europa gegeben hat, setzt diesen Bestrebungen – auch international – erste Grenzen. Was bei dem Vortrag für mich deutlich wurde: Wir müssen hier sehr darauf achten, dass wir rechtzeitige und grundsätzliche Grenzen der weiteren Entwicklung setzen. Nicht alles, was möglich ist, darf umgesetzt werden, nur weil es für gewisse Kreise Einkommen und insbesondere Macht bedeutet. Die Datengrundverordnung der EU hat hier einen ersten Meilenstein gesetzt. Durch die Einigung auf diesen Standard ist es der EU gelungen, die USA als Vertreter des ‚Intelligence‘ – Gedankens (des Überwachungsgedankens) auf den zweiten Platz zu verweisen. Die uneingeschränkte Nutzung von Daten mit dem flauschigen Versprechen einer künftigen Wunderwelt des KI hat damit einen deutlichen Rückschlag erlitten.

Lassen Sie mich nochmals auf den „Mount Stupid“ als Beschreibung von Hypes zurückkommen. KI ist ja nicht der erste Hype, den wir erleben. Mein erster Hype, den ich erlebt habe, war die Kernkraft. Sie wurde uns politisch mit Engelszungen vermittelt, versprach uns ein ‚güldenes‘ Zeitalter und hat uns als Gesellschaft enormes Geld gekostet und es hat dieser Industrie gewaltige Gewinne beschert. An den finanziellen Folgekosten sowie an den nach wie vor offenen Sicherheitsfragen knabbern wir noch heute. Ein Endlager ist nicht in Sicht. Die Politik hofft wohl darauf, dass das hohe Strahlenpotenzial des Kernkraftschrotts hoffentlich der Vergesslichkeit des Wählers anheimfällt.

Dann kam u.a. der Hype mit der Gentechnik auf dem Feld der Landwirtschaft. Sie sollte den Hunger auf der Welt ausrotten, so das hehre Versprechen der Agrochemie. Stattdessen sind Millionen Kleinbauern weltweit ins Elend gefallen und die Böden sind durch riesige Monokulturen, die man nur mit Gift und Kunstdünger aufrechterhalten kann, einer nachhaltigen Bewirtschaftung entzogen. Ein Vergleich der Erträge pro Hektor über dreißig Jahre zwischen USA (genmanipuliert) und Europa (nicht genmanipuliert) zeigen keine signifikanten Ertragsunterschiede. Der versprochene Vorteil der Genmanipulation hat sich nur in den Kassen bei Firmen wie Monsanto und Co. realisiert. Die Landwirtschaft ist nicht besser geworden, aber die Mehrzahl der notwendigen Zutaten für eine ‚moderne‘ Art von Landwirtschaft steht heute unter Patentschutz und ist damit signifikant teurer als früher. Man nennt so etwas einen Markt schaffen, wo keiner ist. Mal sehen, wie lange die jüngere Generation der Zerstörung ihrer Zukunft tatenlos zusieht.

Die Einführung des Personalcomputers war dann ein eher leiser, aber umso radikalerer Hype. Hier wurden keine wilden Versprechungen gemacht, wenngleich ich mich an damals faszinierende Bücher erinnere, wie „Die Arbeitswelt von morgen“ (Peter Lindemann). Dazu gab es zahllose vergleichbare Veröffentlichungen. Die Zukunft wurde wiederum in den rosigsten Farben geschildert. Wir haben dann als Folge 5 Mio. Arbeitnehmer in das Prekariat geschickt (heute soll die Zahl von 12 Mio. erreicht sein) und die Politik war stolz auf ihren bewussten Sozialab- oder -umbau. Wenn nun all diese prekär Beschäftigten ins Rentenalter kommen (und das beginnt jetzt 20 bis 30 Jahre danach), schaffen wir eine Altersarmut, die menschenunwürdig ist. Sie wird vermutlich so groß werden, dass sich sogar Wirtschaftsvertreter inzwischen überlegen, ob man nicht den absehbar erkennbaren Ausfall an Umsatz (im politischen Sinne =Wachstum) durch ein bedingungsloses Grundeinkommen auffangen kann.

Und jetzt KI als jüngster Hype – mal sehen, wie das regulatorisch ausgeht und was es uns als Gesellschaft am Ende aller Tage kostet! Dabei sind nicht die monetären Kosten das Problem (es ist ja bloß Geld, das Banken durch einen einfachen Buchungssatz ständig generieren), sondern die Frage, wohin sich die Gesellschaft verändern wird, wer gewinnt und insbesondere wer dabei verliert. Mancher wird fragen, wo bleibt der übliche Optimismus, aber irgendwann sollte sich durch die reale Entwicklung doch ein kleiner Lernfortschritt vollzielen – oder nicht?

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Mobilität aus einer anderen Perspektive

Die Regierung ist schon viele Jahre einseitig  mit der Automobilindustrie liiert und sieht sich jetzt gezwungen endlich mal zu „kreisen“ (im Sinne von gebären) – nicht immer nur Symbolik predigen, sondern etwas Handfestem und Zukunftsweisenden ins Leben zu helfen. In diesem Zusammenhang ist der SZ-Beitrag von Alex Rühle (22./23.6.2019) interessant, weil er unseren Blick perspektivisch weitet und unsere Aufmerksamkeit von der eigenen Nabelschau auch auf Teile der EU richtet, die das Problem der Mobilität völlig anders zu lösen versuchen.

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Es fällt vermehrt auf, dass in Beiträgen im Netz und in den Gazetten plötzlich Argumente auftauchen, bei denen man sich fragt, warum kommen sie erst jetzt. Hat sich an der Sachlage irgendetwas geändert? Nein, aber unser Blick auf die Sachlage ist dabei, Dinge wahrzunehmen, die bisher sakrosankt waren. Das Automobil galt als unser „heiligs Blechle“ und mit der Betrügerei durch die Autoindustrie scheint dieser schöne Schein plötzlich durchbrochen zu sein. Es wagen sich Gedanken an die Oberfläche, die noch von einem halben Jahr in den Redaktionen als inopportun zurückgewiesen wurden. Die heilige Kuh ‚Automobilindustrie‘ galt als nicht angreifbar. Diesen Schutz der öffentlichen Meinung hat sie wohl endgültig verloren (verscherzt).

Nun ist es nicht so, dass nicht schon in der Vergangenheit kritische Stimmen existierten – aber sie wurden nicht überhört, sie wurden einfach ignoriert. In diesem Sinne hat Alex Rühle eine Reihe von Argumenten zusammengetragen, die deutlich machen, wie sehr die öffentliche oder die veröffentlichte Meinung das Automobil als ein Träger der Mobilität bevorzugt hat.

Plötzlich gibt es so etwas wie eine „Gerechtigkeitsfrage“ hinsichtlich des Flächenverbrauchs des automobilen Verkehrs in den Städten im Vergleich zu anderen Formen der Mobilität. Es wird zu Recht die Frage nach den Prioritäten gestellt, wenn die Stadtfläche nicht erweiterbar ist, aber große Zuwanderung herrscht: wer muss sich einschränken? Wo sollen die Flächen herkommen, wenn man begriffen hat, dass Grünflächen wichtiger sind als zusätzliche Straßen? In Berlin stehen lt. einer Studie den Autos 58% des öffentlichen Raums zur Verfügung, den Fahrradfahrern nur 3% (vgl. A. Rühle). Die Automobile werden immer größer und schwerer. Sie beanspruchen demnach auch immer mehr Platz. Dabei stehen die meisten Autos 23 Stunden am Tag Stoßstange an Stoßstange. Absolut ineffizient!!

Ein Bewohnerparkausweis kostet in Berlin (einer Flächenstadt) 20,40 Euro für zwei Jahre. Ein Automobil benötigt im Schnitt 12 qm Fläche (egal ob fahrend oder stehend, oder stauend) (vgl. A. Rühle). Sie können sich selber ausrechnen, was aufgrund der Angaben der vom Automobil in Anspruch genommene öffentliche Raum den Autofahrer in Berlin kostet (20,40/365 x 2) – keine 3 Eurocent pro Tag.

Falsch parken kostet in München zwischen 10 – 20 Euro. Gemessen an vielen anderen verkehrsgebundenen Ausgaben eine Lappalie (wenn man denn erwischt wird – und darauf spekulieren viele). In der Schweiz kostet die gleiche Ordnungswidrigkeit schon 100 Euro (da endet vermutlich jede Spekulation) und in den Niederlanden kostet der Spaß bis zu 140 Euro.

Das soziale Schein-Argument „Parken müsse sich jeder leisten können“ (das klingt so nach dem Sozialverständnis der CSU) ist ein schlechter Witz. Nach den Ausführungen von Alex Rühle verlangt die Stadt München (mit wenigen Ausnahmen) seit 2004 die gleichen Parkgebühren pro Stunde. Im gleichen Zeitraum sind die Tickets des ÖPNV zwischen 40 und 60% gestiegen und die Ordnungswidrigkeit des Schwarzfahrens (vergleichbar dem „Schwarz“-Parkens der Automobile) kostet inzwischen 60 Euro pro Fall. Der zum Ausdruck gebrachte ‚soziale‘ Gesichtspunkt spricht für sich.

Die Stadt Wien hat einen anderen Weg eingeschlagen. Während wir Bewohnerparkausweise ausstellen und damit die Erlaubnis erteilen, in einem Innenstadtbereich ohne Ordnungswidrigkeit parken zu dürfen, schließt der Bewohnerparkausweis die anderen potenziellen Parkraumsuchenden aus: ohne Ausweis darf in der Innenstadt gar nicht geparkt werden – man darf nur durchfahren. Die Folgen sind einfach: viele verzichten auf ein Auto, die Straßen werden leerer und befahrbar. Und viele Anwohner steigen um auf den ÖPNV, dessen Gebühren in Wien in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sind. Der Bewohnerparkausweis ist auch nicht billig (komplett 170 Euro pro Jahr). Die dadurch generierten Mehreinnahmen fließen in den Ausbau des Nahverkehrs, des Radwegenetzes und in den Bau von Parkhäusern.

Kopenhagen und Stockholm gehen einen anderen Weg. Hier wird nicht nur die Haltung verteuert, sondern generell die Anschaffung eines Pkw in den Metropolen. Wer in Dänemark ein Auto kauft, muss eine Zulassungssteuer von 85% des Anschaffungswertes bezahlen, vorausgesetzt, der Anschaffungspreis bleibt unter 25.000 Euro. Teurere Automobile kosten dann 150 %. Wer dann in der Innenstadt von Kopenhagen wohnt, zahlt für seinen Parkplatz jährlich 535 Euro. Ein ähnliches Konzept hat Stockholm, dort kostet der Innenstadt-Parkausweis pro Jahr 827 Euro. Kopenhagen ist dichter besiedelt als München – die Straßen und Plätze wirken trotzdem viel luftiger, ruhiger als in München (so Alex Rühle).

Wie man aus den Ausführungen (die auf Alex Rühle zurückgehen) erkennen kann, hat man anderswo schon lange gehandelt. Und die Lösungen sind nicht die schlechtesten. Vielleicht haben diese Standorte den großen Vorteil, dass die Regierungen von Dänemark, Schweden und Österreich von der Automobilindustrie nicht erpressbar sind. Und Wien, Kopenhagen und Stockholm sind vielleicht auch deshalb überaus beliebte Städte (geblieben), von denen die Besucher schwärmen, weil sie einschränkende Maßnahmen ergriffen haben, um die lokale Automobilität konsequent zurückzudrängen bzw. anderen Formen der Mobilität Raum zur Entwicklung zu geben.

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Die Entscheidung des EUGH

Der Verkehrsminister Scheuer bedauert die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) mit Krokodilstränen. Damit findet offensichtlich eine unter falscher Flagge aufgezogene Kampanie der CSU ihr unrühmliches Ende. Ich darf erinnern: der erste Name, unter dem ich von dieser Maut erfuhr, lautete „Ausländer-Maut“. Das war ca. 2010 oder 2011, als die CSU die ersten Versuche unternahm, um Unterstützer für ihr künftiges und unverzichtbares „Alleinstellungsmerkmal“ zu erlangen.

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Während die EU versuchte, Einigkeit zu zeigen, wurde in Bayern die Ausländermaut aus der Taufe gehoben. Mit Ausländern waren dabei genau jene EU-Mitglieder gemeint, die aufgrund der geographischen Lage Deutschlands regelmäßig über unsere Autobahnen reisten. Mit dem Begriff Ausländer wurde auch gezielt CSU-Stammtischpolitik betrieben. Den zahlreichen Rechtsaußen-Mitgliedern der CSU musste Gesprächsstoff geliefert werden und ihre fremdenfeindliche Haltung gefüttert werden. Je unsinniger, desto besser.

Aber jedem, der bis drei zählen konnte, war klar, dass die durch die ‚Ausländer-Maut‘ zum Ausdruck gebrachte Diskriminierung vor keinem Gericht der Welt Bestand haben würde. Eine Maut, so der Vorschlag, sollten ja bloß die ausländischen Nutzer unseres Straßensystems zahlen; die Inländer – so die erste Version – sollten unverändert mautfrei das Straßennetz nutzen dürfen. Deshalb hat man in einer neuen Version (Version zwei) gemeint, die Maut müsse dann von allen Nutzern bezahlt werden. Man hat also den Einstieg über die „Ausländer“ gewählt, um vorhersehbar, dann aber unter dem ablenkenden Hinweis auf die „bösen“ Gerichte, die Maut für alle Nutzer ins Leben gerufen.

Diese Entwicklung haben viele Bürger vorhergesehen und waren nicht damit einverstanden. Um deren Einwände zu beruhigen, hat man eine weitere Version (Version drei) ins Leben gerufen: Es sollte die Kfz-Steuer ganz oder teilweise auf die Maut, die ähnlich konzipiert sein sollte wie die „Pickerl“ in Österreich, anrechenbar sein. Der EU – Verwaltung war diese Maßnahme im Grund gleichgültig, weil es sich als eine nationale Maßnahme handelte und die EU damit über keine rechtliche Handhabe verfügte, weil dadurch in der EU kein Schaden entstanden ist.

Deshalb sprangen die Länder Österreich und Niederlande in die Bresche und übernahmen die Aufgabe, diese Benachteiligung ihrer Bevölkerung vom EUGH beurteilen zu lassen. Und jeder, der dieser Entwicklung folgt, wird zugeben, dass die Diskriminierung zu Recht festgestellt wurde. Das Urteil war nur deshalb überraschend, weil alle Welt glaubte, dass der EUGH in gleicher Weise wie die sie umschwirrenden CSU-Lobby-Satelliten beeinflussbar sei. Wenn man ehrlich ist, muss man feststellen, dass die Richter gar kein anderes Urteil hätten sprechen können, ohne der Funktion des EUGHs Schaden zu zufügen. Alle Satelliten waren durch intensive Massagearbeit der CSU-Lobby öffentlich zu der Erkenntnis gelangt, dass das Verrechnen der Leistungen keine Diskriminierung darstelle. Aber man hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Der EUGH durfte auf gar keinen Fall in das gleiche Horn pusten, wie die Satelliten – das hätte seiner Unabhängigkeit schwer geschadet.

Das ganze Theater soll den Steuerzahler (und nicht nur die Bayern) zwischen 40 Mio. und 140 Mio. Euro gekostet haben. Ich kann die Wut der jungen Generation so gut verstehen! Die CSU braucht Profil und das Profil bezahlen die Steuerzahler zusätzlich zur Parteienfinanzierung.

Dabei ist die Frage, warum die CSU sich für eine solche Maut stark gemacht hat, nicht beantwortet. Welcher Teufel reitet eine Partei wie die CSU, ohne Not über fast zehn Jahre eine solche (rechtlich im Grunde unhaltbare) Position zu beziehen? Ist es nur die Erschließung neuer Finanzierungsquellen? Das wäre staatsmännisch gedacht, aber bringt doch keinen Nutzen für die Partei. Die geplanten Maut-Pauschalen (analog zum „Pickerl“) hatten weder eine soziale noch eine ökologische Komponente, also keine Differenzierung nach der Größe der Fahrzeuge, nach der Fahrleistung, nach dem Co2-Ausstoß. Das Projekt war einfach nur als politische Wegelagerei gedacht mit dem Ziel, Manövriermasse in die Staatskassen zu spülen, mit der stillschweigenden Bindung der Mittel zur Förderung des Individualverkehrs. Der Öffentliche Personen- und Güter-Verkehr wäre mit einiger Sicherheit nicht einbezogen gewesen.

Die Unerklärbarkeit des Maut-Projektes der CSU hat mich veranlasst, am 23.3.2019 in diesem Blog den Zusammenhang in einer Strategie zu sehen, die offensichtlich zeitgleich in der Regierung umgesetzt wurde: Die Regierung hat die Autobahnen in eine Aktiengesellschaft eingebracht. Die Aktiengesellschaft gehört dem Bund und kann lt. Zusicherung der Bundesregierung auch „in alle Ewigkeit“ nicht in private Hände fallen. Dieses Vermögen (die aus Steuergeldern geschaffenen Autobahnen) liegt wirtschaftlich gesehen brach. Und nun kommt die CSU ins Spiel: Mit der Durchsetzung dieser pauschalen Maut wäre es der CSU gelungen, der Autobahnaktiengesellschaften ein einträgliches Geschäftsmodell zu realisieren. Das Vermögen in Form von Autobahnen erhielte plötzlich eine Renditemöglichkeit und damit wird diese Aktiengesellschaft für private Investoren interessant. Verkaufen geht nicht, aber pachten ist nicht ausgeschlossen. Damit wäre das Modell immer noch funktionstüchtig. Der Staat würde verdienen(Pacht), der Pächter würde verdienen (Maut) – nur der Bürger wäre dabei (wiedermal) gekniffen. Das ist jetzt vorerst vom Tisch!

In jüngster Zeit hat sich der politische Wind gedreht. Wir müssen unsere Emissionen reduzieren. Diese Einsicht greift langsam Raum, weil den Verhinderern einer nachhaltigen Wirtschaft das Stimmvolk wegläuft. Mindestens dreißig Jahre lang galt es, jede Einmischung in die Wirtschaft aus ideologischen Gründen zu vermeiden. Wenn man den Demonstrationen Glauben schenken will, ist dieses goldene Kalb inzwischen geschlachtet. Die immer wieder propagierte freiwillige Verpflichtung der Wirtschaft hat sich wegen Nutzlosigkeit einfach totgelaufen; es ist schlicht nichts passiert, was einer Verpflichtung gleich käme. Es sind steuernde Eingriffe in der Diskussion und dabei wäre eine Maut wieder denkbar, aber mit klaren Erwartungen an den Eingriff hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Implikationen. Der Primat des Wachstums und der Gewinnmaximierung scheinen gebrochen. Es ist noch zu früh, hier Prognosen abzugeben, aber die Stoßrichtung der Demonstrationen ist eindeutig. Und sie ist eindeutig nicht von Wachstum und Gewinn geprägt.

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Schnell reich werden? – ein schwachsinniger Traum

Kennen Sie das auch? – es werden unter Bezug auf Personen des öffentlichen Interesses überproportionale Gewinne versprochen. Diese „Tour“ kann man in regelmäßigen Abständen finden. Sie sind journalistisch aufbereitet und zeigen Prominente, denen die Sache in den Mund gelegt wird, oder zeigen einen ‚armen Teufel‘, der dann durch den Einsatz einer kleinen Menge Geldes tolle Gewinne erzielen konnte. Sie müssen sich nur ganz schnell registrieren lassen, dann kommt auch das Glück zu Ihnen! Bei einer solchen oder ähnlichen Aussage sollten sich ihre Nackenhaare sträuben, es sollte sich ihr Magen verkrampfen, aber tun Sie nicht, was vorgeschlagen wird. Alles Mumpitz. Es ist ein direkter Angriff auf Ihr Bestes, auf Ihr Geld!

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Wenn es stimmen würde, was hier versprochen wird, müsste die Welt voller finanzieller Glückspilze sein –und so wie diese Klientel gewöhnlich gestrickt ist, würden die sozialen Medien von den Meldungen einfach überlaufen. Aber nichts dergleichen ist festzustellen. Also ist das ganze Getue Unfug oder – mit einem Ausdruck auf der Höhe der Zeit: „Bullshit!!!!“

Ich habe mich von dritter Seite bitten lassen, auf so ein „tolles Angebot“ einzugehen und habe mich registrieren lassen. Nach allem, was ich verstanden habe, erfolgt die Registrierung auf einer Plattform, die den interessierten Brokern zur Verfügung gestellt wird oder sogar von ihnen installiert wurde. Mit der Registrierung geben Sie Ihren Willen kund, dass Sie an dem Produkt grundsätzlich interessiert sind. Es erspart den Brokern die ‚Kaltaquise‘ und entlastet sie von dem Vorwurf, ggfs. Telefonterror zu betreiben.

Kurz darauf meldet sich ein Anrufer, stellt sich vor als Vertreter eines Brokerhauses. Er spricht als offensichtlicher Ausländer ein relativ verständliches Deutsch und versucht durch allgemeines Gerede, Sie dazu zu bringen, dass Sie ein Konto mit einer Mindesteinlage von 250 – 500 Euro eröffnen. Zu diesem Zeitpunkt wissen Sie mit keinem Wort, was das Ziel oder das Geschäftsmodell ist. Es werden Ihnen aber große Flausen versprochen: jederzeitige Rückgewähr der Mindesteinlage, auf dem Konto erfolgt die Gewinnakkumulation (Verluste scheint es nicht zu geben), die Gewinne sind jederzeit abrufbar und konkret auszahlbar. Er nimmt nebenbei ihre postalischen Personalien auf.

Wenn Sie sich von dem Gerede haben breitschlagen lassen, schickt die Kontaktperson ein Email, indem dann die Brokerfirma aufscheint. Im meinem Fall sitzt sie in der Schweiz. Der Kontaktmann hat einen ‚treudeutschen‘ Namen, der in keiner Weise zu seiner Ausdrucksweise passt. Die Telefonnummer, die ich im Display erkannt habe, war eine Nummer aus der Schweiz (0041). Die persönliche Mobilnummer meines Anrufers verweist mich in das United Kingdom (England) (0044).

Wie bei einer Bank zur Kontoeröffnung üblich, werden die restlichen persönlichen Daten erhoben (durch Kopien des Personalausweises). Wenn es dann zu dem Punkt der Mindesteinlage kommt, wurde nach meiner Kreditkarte gefragt: Nummer der Karte, die drei Zahlen auf der Rückseite und dann kommt der Hammer – er frug unverblümt nach der Pin-Nummer, die jetzt auch für Kreditkarten herausgegeben werden. Hätte ich sie ihm übergeben, wäre nicht nur die Mindesteinlage bei dem Broker gelandet, sondern solange die Kreditkarte nicht sofort gesperrt würde, könnte er gemütlich im Internet auf eine Einkaufstour zu meinen Lasten gehen. Ich habe sie nicht verweigern müssen, ich nutze dieses Medium nicht und hatte auch nie einen PIN bei der Bank beantragt.

Da Sie jetzt über den Namen des Brokers verfügen (in meinem Fall: ProCapitalMarkets Ltd.), sollten Sie sofort in die Internetrecherche gehen, um sich ein erstes Bild von dem Unternehmen machen. In meinem Fall von ProCapitalMarkets wurde auf den internationalen Seiten schnell klar: Warnung! Das Unternehmen hat seinen Sitz irgendwo auf den Bahamas. Das Unternehmen hat als Brokerfirma weder für die USA, weder für Australien und auch nicht für die EU eine Zulasssung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser „Broker“ ein Ponzi-System aufgezogen hat.

Was ist ein Ponzi-System? Wir nennen das in Deutschland auch ein Schneeballsystem. Es ist in Deutschland verboten, weil diese Systeme die vorgeblichen Gewinne der alten Kunden mit den Mindesteinlagen-Einzahlungen der neuen Kunden bezahlen. Es wird also nichts getan, um reale Gewinne zu erwirtschaften. Es werden, solange die Zahl der Kunden zunimmt, die Neuzugänge dazu benutzt, die Altkunden durch Auszahlungen bei der Stange zu halten. Dabei werden natürlich hohe Provisionen fällig. Jedermann, der das System erkennt, ist klar, das Ding platzt früher oder später und ist dann ein Fall für den Staatanwalt.

Nun arbeiten diese sogenannten ‚Broker‘ (es gibt auch seriöse) mit einer Bank zusammen. Die Mindest-Einlage sollte in meinem Fall an eine Bank in Vilnius in Litauen überwiesen werden. Eine europäische Bank muss sich versichern, dass die Einlage nicht aus Geldwäschegeschäften stammt. Vermutlich aus diesem Grund sollte ich eine Kontokarte mit meinem Namen unterzeichnen. Das war EDV-technisch nicht machbar, ich bin darauf nicht eingerichtet. Also wurde ich in eine besondere Schleife geschickt, in der mich eine weibliche Stimme mit osteuropäischem Akzent bat, doch auf die Unterschriftszeile zu klicken und dann meinen Namen über die Tastatur einzugeben. Mein Einwand, dass das wohl keine Unterschrift sein könne, wurde bei Seite geschoben: „Das hätte seine Richtigkeit“. Wenn die das immer so machen, ist das nun wirklich kein vertrauensbildendes Verfahren. Die lettische Bank „MisterTango“ wird im Internet als eine sehr einfache Bank beschrieben, ohne Einlagensicherung, ohne Verzinsung, ohne Überziehungsmöglichkeiten bei kostenloser Kontoführung. Man könnte auf die Idee kommen, sich zu fragen, ob sich hier nicht auch Gelder tummeln, mit denen man nicht in Berührung kommen möchte (Drogengelder, Mafia-Gelder, Schwarze Kassen u.ä.).

Dann habe ich trotz meiner inzwischen aufkeimenden großen Bedenken die Mindesteinlage „geopfert“ (und gleich in Gedanken abgeschrieben) und habe sie klassisch überwiesen. Ich erhielt danach eine Flut von Emails, die ich nicht zuordnen konnte und auf die ich auch nicht reagiert habe. Viele dieser Emails forderten mich auf, den Link auf dem Email anzuklicken. Nun ich bin kein EDV-Freak, aber für so doof sollte man nicht angesehen werden. Ich habe die Emails im direkten Weg dem Papierkorb zugeführt. Auffällig war bei meinem ersten Kontakt, dass ich eine lange Kundennummer erhalten habe und den dringenden Hinweis erhielt, bei jedem Kontakt die Kundennummer zu verlangen. Die Emails, die mir zugingen, führten an keiner Stelle diese Kundennummer – also war auch eine Verifizierung und eine Unterscheidung in „right or wrong“ gar nicht möglich.

Tags darauf wurde ich von einem jungen Mann mit einem französischen Akzent angerufen, der mir mitteilte, dass er mich mit den Details vertraut machen wolle. Er begann mit so etwas wie einer Schulung. Ich habe ihn unterbrochen und ihn direkt gefragt, wie das Geschäftsmodell denn nun beschrieben werden könne. Kurze Sendepause, dann eine Entschuldigung, er sei noch zu frisch in dem Geschäft, er würde mich weitergeben an einen Kollegen, der mehr Erfahrung habe. Der nächste Kollege (seinen Akzent habe ich vergessen) begann mit der Aktie Uber und versuchte mir etwas über den Aktienmarkt zu erzählen. Dann rutsche ihm ein Hinweis herraus, dass die Geschäfte, die für mich vorgesehen waren, Hebelgeschäfte (Derivate) seien. Hier stoppte ich ihn, weil ich seit über 30 Jahren an der Börse aktiv bin, aber einen Grundsatz (von mehreren) habe: Keine Hebelgeschäfte!

Danach setzte ich mich hin und schrieb meine fristlose Kündigung der Geschäftsbeziehung. Natürlich in die Schweiz, das ist die einzige postalische Stelle, die mir bekannt geworden ist. Seit dem herrscht das große Schweigen im Walde. Und ich mache mir nichts vor, die Mindesteinlage werde ich nie mehr wiedersehen. Jetzt könnte man die Sache der Staatanwaltschaft übergeben. Aber es gibt nicht ein Stück Papier, keine Unterschrift, keinerlei Dokument, abgesehen von ein paar nichtssagenden Emails und natürlich meine Aussage, die aber nicht viel wert ist.

Soviel zum „Schnell Reich Werden“! Wer schnell und ohne eigene Leistung reich zu werden glaubt, der träumt. Wenn ich die Lösung dieses Problem gefunden hätte, so wie das in den Artikeln immer wieder beschworen wird, würde ich die Lösung still und leise für mich nutzen, aber keine Brokerfirma mit zweifelhafter Reputation aufbauen.

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Wie wollen wir uns ernähren?

Die Antwort auf diese Frage hat ein persönliche Komponente und eine Komponente, die sich aus der globalen Entwicklung ergibt. Die persönliche Komponente erfasst u.a. die Frage, welche Form der Ernährung erscheint ethisch vertretbar (Fleischkonsum, vegetarischer oder veganer Konsum). Diese Fragen sind wichtig, sie liegen aber in der Entscheidung jedes einzelnen. Hier wird im Folgenden versucht in groben Zügen die allgemeine Entwicklung unserer gegenwärtigen Landwirtschaft zu beschreiben. Dabei beschränke ich mich als relativer Laie auf Fragestellungen, die ich glaube, überblicken zu können.

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Bevor man sich mit den oft komplizierteren Fragen der Erzeugung auseinandersetzt, sollte man sich mit der einfacheren Fragestellung der Struktur befassen. Der Erzeuger (der Landwirt) produziert ein Nahrungsmittel, das rein optisch gewisse Klassifizierungs-Kriterien erfüllen soll. Ein Nahrungsmittel, das diese Kriterien nicht erfüllt, kommt erst gar nicht in den Handel und wird im positiven Fall zu Futtermittel verarbeitet, im anderen Fall zu Abfall oder Kompost. Das verkaufsfähige Nahrungsmittel kommt dann über das Transportsystem in den Großhandel. Dieser sortiert die inzwischen unverkäuflichen Warenteile  aus. Nach einem weiteren Transport sortiert der Einzelhandel seinerseits aus. Letztlich kommt der Verbraucher ins Spiel, kauft und sortiert beim Putzen der erworbenen Ware weiter aus. Nach ein paar Tagen entsorgen viel zu viele Verbraucher ihre bis dahin nicht verzehrten, unansehnlich gewordenen Nahrungsmittel in den Abfall.

Es gibt sehr unterschiedliche Zahlen, aber von dem Produkt, das der Landwirt von seinem Acker einbringt, dienen über alles betrachtet nur ca. 50% ihrem eigentlichen Endzweck, nämlich die Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die anderen 50% sind „Schwund“ oder besser als Verschwendung anzusehen. Wenn man also diese Verschwendung zu Recht verurteilt, müsste man nicht mehr anbauen oder schon gar mehr produzieren, sondern die Vorschriften und Regeln „ausmisten“, die zu solch einer Verschwendung führen. Dabei wäre es ein ziemlich dummes Argument, zu meinen, der Verbraucher (oder noch anonymer: „der Markt“) will das so! Die Erkenntnis, wenn sie überhaupt publik gemacht wird, macht den verständigen Verbraucher i.d.R. sehr betroffen. Niemand wird einen solchen Unsinn gutheißen und unterstützen. Warum also wird es dann nicht geändert?

Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass wir heute schon bei einem Verlust von 50% der Produktion eine tendenzielle Überproduktion vorfinden. Wenn also durch sinnvolle Maßnahmen deutlich mehr als 50% der Produkte beim Verbraucher ankämen, würde der Preis dieser Produkte sinken. Und hier wird selbst für Großbauern die Situation kritisch. Die Lobby des Bauernverbandes sorgt deshalb dafür, dass sich hier nichts ändert. Das ist aber keine sinnvolle Lösung!

Viele Produkte kommen von weit her. Ihr Transport wird gegenwärtig subventioniert, weil die Transportkosten in keiner Weise die Umweltschäden repräsentieren, die durch die langen Wege ausgelöst werden. Es ist schon merkwürdig, wenn Erdbeeren aus Südspanien (jahreszeitlich früher) und letztlich billiger sind, als spätere Erdbeeren aus der Region. Dabei wurden die südspanischen Erdbeeren mehr als 1000 km über die Straßen und Schienen Europas kutschiert. Da stimmt doch etwas nicht: Zieht man die regelmäßigen Transportkosten anteilig vom Preis ab, nimmt die Marge des Handels raus, was bleibt dann dem Erzeuger und insbesondere den Pflückern? Ist das moderner Sklavenhandel oder wie sonst soll man das bezeichnen?

Es gibt gegenwärtig prinzipiell zwei Arten, Landwirtschaft zu betreiben. Einmal ist es die konventionelle (intensive) Landwirtschaft, die ihr Heil bei der Agrochemie sucht. Auf der anderen Seite gibt die extensive Landwirtschaft, die sich an der Ökologie orientiert und dezidiert auf chemische Zusatzstoffe verzichtet. Diese Aufteilung ist sicherlich schwarz-weiß, aber für die folgenden Überlegungen m.E. tauglich. Es wird dabei nur um die intensive  konventionelle Landwirtschaft gehen. Hier liegt m.E. das inzwischen deutlich erkennbare Schadenspotenzial.

Die intensive Landwirtschaft geht auf Masse und kurzfristigen maximalen Ertrag und stellt diesem Ziel alle anderen Gesichtspunkte einer traditionell bäuerlichen Bewirtschaftung hintan. Sie verlässt sich auf die Aussagen der Agrochemie, die verspricht, mit Kunstdünger, besonderen Saaten und diversen Giftstoffen die maximalen Erträge bei minimalem Bearbeitungsaufwand auf Dauer darstellen zu können. Der Nachteil ist: das kostet Geld, viel Geld und macht m. E. hochgradig abhängig. Der Landwirt verliert seine vormals erworbenen Kenntnisse über die natürlichen Abläufe. Seine neuen Erkenntnisse sind von der Agrochemie so vorstrukturiert, dass er künftig keine wesentlichen landwirtschaftlichen Entscheidungen mehr treffen kann ohne den intensiven „Rat“ der Vertreter der Agrochemie einzuholen.

Die Versprechen der Agrochemie wurden in den letzten 50 Jahren nicht eingehalten. Es wurde versprochen, dass mit der Gentechnik eine Wende der Welternährung eintreten würde, also künftig der Hunger keine Rolle mehr spielen würde. Das hat sich nicht realisiert. Zum einen hat die Gentechnik nicht zu den Ertragsteigerungen geführt, die erwartet wurden. Die zugrundeliegende Studie zu dieser Aussage ist ein dreißig Jahre umfassender Vergleich der Erträge pro Flächeneinheit in USA (einem Land mit einem erheblichen Anteil genmanipulierter Saaten) mit Europa (einem Bereich, in dem genmanipulierte Saaten verboten sind). Die Differenz in den Erträgen der letzten dreißig Jahre kann nicht als signifikant angesehen werden. Gentechnik hat es nicht geschafft, nachhaltig höhere Erträge zu erwirtschaften. Sie hat aber dazu geführt, dass die Agrochemie trotzdem richtig abkassiert hat. (Das Geld fehlt jetzt den Landwirten!)

Zum anderen wurde durch die globalen Patent-Maßnahmen der Agrochemie einerseits die Artenvielfalt der Saaten global drastisch reduziert und andererseits hat die Anwendung ihrer global vertriebenen Technologie zu einer deutlichen Verteuerung der Produktion geführt, was die Vielzahl der Kleinbauern auf der Welt in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringt. Dieser Kreis von Landwirten hat seine Tradition verloren ohne eine vergleichbar günstige Folgestrategie erhalten zu haben. Sie sind schlicht verarmt. Also ist das Ziel einer Reduzierung des Hungers in der Welt eine werbewirksame Aussage ohne realen Inhalt.

Vergleichbares erfolgt mit den Agrargiften. Diese Gifte enthalten u.a. chemische Verbindungen, die nach ihrer Anwendung im Boden nicht in harmlose Moleküle zerfallen. Stattdessen reichern sie sich mit fortlaufender Anwendung im Boden an und sorgen dafür, dass über die Jahre im Boden eine Giftkonzentration erreicht wird, die über kurz oder lang zum Verbot der Mittel führen wird. Die Böden weisen dann aber unverändert eine hohe Gift-Konzentration auf, was konsequenter Weise dazu führt, dass diese Böden für die landwirtschaftliche Erzeugung nicht mehr zugelassen werden können.

Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass die Böden der intensiven Landwirtschaft noch für etwa 60 (sechzig) Ernten mit wachsendem Chemieeinsatz zur Verfügung stehen, um dann radikale Ertragseinbrüche zu verzeichnen, die so gravierend sein werden, dass der Ertrag weit unter jenem des ökologischen Landbaus liegen wird. Das wäre das Ende der intensiven Landwirtschaft. Die Böden sind für eine andere landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform verdorben und müssen erst über viele Perioden und mit hohen Kosten rekultiviert werden. Ob das gelingt, kann nicht sicher beurteilt werden.

Die Natur erholt sich garantiert. Die Frage ist nur, in welchen Zeiträumen. Man spricht davon, dass in der Natur für die Gewinnung von 8 cm Humus einen Zeitraum von eintausend Jahren benötigt. Das sind Zeiträume, mit denen der Mensch sinnvoller Weise nicht rechnen sollte. Es schafft aber das notwendige Problembewusstsein.

Die Möglichkeit des Chemieeinsatzes verleitet zu großflächigen Monokulturen. Man glaubt, durch den Einsatz von Chemie die Nachteile einer Monokultur auffangen zu können. Die Folge sind große Flächen mit Monokulturen, die folglich in der Natur einzelnen Spezies bei großem Nahrungsangebot explosionsartige Vermehrung ermöglichen. Das Gegenmittel der Wahl im Rahmen der Agrochemie ist Gift, das nicht nur die eigentliche Bedrohung bekämpft, sondern gleich auch noch radikal alles andere Leben auf diesen Flächen weitgehend vernichtet. Dann sind wir wieder oben bei der über die Jahre steigenden Giftkonzentration in den Böden.

Ähnliches wird mit der Massentierhaltung versucht. Wenn Tiere auf engstem Raume in großer Zahl eingepfercht werden, wachsen einerseits das Aggressionspotenzial und der Stress dieser Tiere untereinander und andererseits nimmt die Zahl der Krankheiterreger exponentiell zu. Der pharmakologische Einsatz von Mitteln zur Eindämmung dieser absehbaren Risiken kostet erhebliches Geld und schafft zunehmend Unsicherheit für die Gesundheit des Menschen. Die für ihn entwickelten Antibiotika verlieren fortlaufend an Wirkung. Aber die Gabe von Antibiotika hat nicht nur eine krankheitsbegrenzende Wirkung – sie führt auch dazu, dass die Tiere schneller an Gewicht zunehmen und damit deutlich früher schlachtreif werden. Antibiotika stellen ein Dopingmittel zur Verfügung, das aufgrund der Mastverkürzung Einkommensverbesserungen für den Landwirt bedeuten können. Vom Tierwohl und von den Nebenwirkungen dieser Form der Tierhaltung wird gar nicht gerne gesprochen. (Grundwasserbelastungen durch Überdüngung mit Gülle, Antibiotikabelastungen der Gewässer und Kläranlagen, Geruchsbelästigungen, CO2 Ausstoß, u.v.m.). Die so gehaltenen Tiere verlieren regelmäßig das letzte Quäntchen an Tierschutz und Würde – sie degenerieren schlicht zu einer Ware unter Verlust jeglichen Respekts vor dem Leben.

Aus wirtschaftlichen Gründen sucht man das Heil in der Betriebsgröße. Ich frage mich, ob hier noch das Risiko des Kapitaleinsatzes und der mögliche Ertrag ein einem vernünftigen Verhältnis stehen. Dabei sind wichtige Kosten, die der Allgemeinheit zur Last fallen, und noch gar nicht in den Preisen erfasst sind.

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