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Gute Geschichten?

Nikolaus Piper bezieht sich in der SZ (6.12.2019) auf Robert Shillers ‚Narrative Economics‘ und verweist auf die vielfältigen Narrative (die netten Geschichten) zur Ökonomie. Man könnte deutlicher auch sagen, die ganze Ökonomie besteht in ihrem wirkmächtigen Einfluss aus einer Vielzahl fragwürdiger, meist postfaktischer Narrative zum Markt, zur Sinnhaftigkeit des Wettbewerbs, zum sogenannten Freihandel, zur Globalisierung, zur Rente, zur Finanzwirtshaft, u.v.a.m..

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Herr Piper greift dann die Wahrnehmung vieler Menschen auf, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich laufend weiter öffnet und klassifiziert diese Wahrnehmung als ein fehlerhaftes Narrativ, weil angeblich zu komplex. Narrative der Ökonomie sind immer simpel, meist zu simpel, aber sonst wären es keine ‚guten‘ Geschichten. Der Informierte weiß das und ist ggfs. entsetzt. Die große Mehrheit tut im Wesentlichen das, was mit der Geschichte beabsichtigt ist. Und die Initiatoren freuen sich, dass ihr psychologischer Angriff auf die Hirne der Massen Früchte trägt.

Herr Piper begründet seine Meinung anhand des Gini-Koeffizienten mit einem Wert für Deutschland von 0,29 für die Einkommens- und einem Wert von 0,78 für die Vermögensstruktur, wobei der Bezugszeitraum offenbleibt. Nach herrschender Auffassung soll der Gini-Koeffizient die Spreizung zwischen Arm und Reich zum Ausdruck bringen. Piper korrigiert den Vermögens-Koeffizienten schnell noch um die Ansprüche des in der gesetzlichen Altersversorgung gebundenen Vermögens und meint, damit begründen zu können, dass unsere gesellschaftliche Vermögensverteilung mit einem Gini-Koeffizienten von („nur“) 0,59 ja doch im normalen Rahmen der europäischen Länder liege. Warum also diese Aufregung? Schön hingedreht!

Diesem Narrativ muss widersprochen werden!

Der Gini-Koeffizient fußt auf statistischen Daten und geschätzten Fortschreibungen. Nun ist es so, dass in Deutschland seit der Aussetzung der Vermögensteuer in den 90iger Jahren keinerlei verlässliche Zahlen mehr existieren, wie hoch das wirkliche Vermögen der oberen zehn bis fünfzehn Prozent der Einkommen und Vermögen einzuschätzen ist. Die statistischen Erhebungen hinsichtlich des Einkommens enden in einer Kategorie „18.000 Euro pro Monat und mehr“ und ich weiß aus eigener Berufserfahrung, die Einkommen am oberen Ende der Einkommenspyramide liegen gravierend darüber.

Die Vermögensseite basiert auf Schätzungen in Form von Fortschreibungen der letzten Erkenntnisse aus den Jahren vor Aussetzung der Vermögenssteuer. Die Schätz-Basis ist also fast 30 Jahre alt und die Vermögen haben seit jener Zeit allein durch eine Reihe von bemerkenswerten Steuervergünstigungen, die nur die großen Vermögen wirklich nutzen konnten, rasant zugenommen. Also ist mit ziemlicher Sicherheit der offizielle Gini-Koeffizient für die deutsche Vermögens- und Einkommensstruktur bei weitem und politisch gewollt zu niedrig geschätzt.

Wenn Sie dann, verehrter Herr Piper, unverfroren die zweckgebundenen Ansprüche aus der gesetzlichen Altersversorgung in die Vermögensstruktur einrechnen, um den Vermögens-Koeffizienten von einem sehr hohen Stand von 0,78 auf einen kommoderen Wert von 0,59 zu drücken, ist Ihr Vorgehen überaus fragwürdig. Das Vermögen der Altersversorgung ist nicht frei verfügbar, stellt auch keinen Kapitalstock dar, noch ist es in irgendeiner Form zu irgendeiner Zeit auf private Konten transferierbar. Es ist lediglich ein Anspruch, der ohne Gegenleistung verfällt, wenn z.B. die anspruchsberechtigte Person vor Erreichung der Altersgrenze verstirbt. Dass die Altersversorgung in der offiziellen Gini-Statistik nicht erscheint, ist deshalb richtig und angemessen und sollte auch von Ihnen so akzeptiert werden. Dass der „Gini“ noch andere ‚Konstruktions-Defizite‘ hat, sei dahingestellt.

Ökonomische Narrative fallen nie vom Himmel. Sie haben immer einen Autor und werden von ihm mit voller, meist politischer Absicht ins Leben gerufen. Gewöhnlich werden diese postfaktischen Narrative insbesondere von der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ oder einem vergleichbaren neoliberalen Think Tank in Auftrag gegeben.

Mein Narrativ zum „Gini“ sieht anders aus: Bei einem Gini-Wert von 0,78 und mehr frage ich mich, was die Vermögensballung auf einen immer kleineren Personenkreis bedeutet. Jede Vermögensmehrung geht immer mit einem entsprechenden Macht- und Einflusszuwachs der Nutznießer dieser Mehrung einher. Man spricht dann gewöhnlich von einer Oligarchie. Die amerikanische Struktur hat diesen Status schon ‚offiziell‘ erreicht. Was ist dann die Bedeutung von Demokratie? Ist das nur noch ein formales Spiel, damit die an der Macht Nichtbeteiligten ihre „Brot und Spiele“ (Bespaßung) zelebrieren können, aber wirkliche Entscheidungen fallen in den Hinterzimmern? Könnte man nicht das Straßenengagement vieler junger Menschen auch damit erklären, dass die etablierten Kreise nicht mehr aus ihrer eingelullten Komfortzone von „Brot und Spiele“ herauskommen und die Jugend nicht mehr mit der Hier und Jetzt- Betrachtung („Uns geht es gut!“) einverstanden ist und die Zukunft der Generationen als neues, schlagendes Argument entdeckt hat? Plötzlich kommt Bewegung in die Chose. Für die meisten anderen Argumente hat unsere Politik schon fertige Antworthülsen (Narrative) parat; dafür aber noch nicht! Und die Oligarchen als auch die Politik sind sprachlos, sie stottern nur herum. Damit haben sie nicht gerechnet.

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Wann wird man je verstehen….?

Friday for Future als auch die Generationen Stiftung werfen uns als Gesellschaft vor, wir hätten seit fast 50 Jahren (seit dem Club of Rome) Kenntnis über die verheerende Wirkung unserer Wirtschafts- und Lebensweise gehabt. Das hat mich veranlasst, noch einmal in Ausschnitten in einem populärwissenschaftlichen Bestseller aus dem Jahre 1982 nachzulesen und muss leider feststellen, der Vorwurf ist absolut berechtigt.

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Der studierte Physiker und heutige Ökologe Fritjof Capra brachte 1982 seine fünfhundertseitige „Wendezeit – Bausteine für ein neues Weltbild“ heraus. Das Buch wurde in deutscher Sprache 1983 in 5. Auflage vorgestellt und wird heute noch in einer Ausgabe aus 2016 verkauft. Die Vereinnahmung des Buches im Rahmen der New Age Bewegung ist mir nicht so recht nachvollziehbar.

In seinem Buch wird im Analyseteil nicht nur eine vehemente Kritik der Wirtschaftswissenschaften (S. 203ff), sondern auch die verhängnisvollen Folgen des unbegrenzten Wachstums beschrieben. Damals galt Capra für viele als Paradiesvogel, heute müssen wir feststellen, dass seine Kritik ins Schwarze getroffen hat. Im Folgenden zitiere ich einige Absätze, beginnend mit Seite 234:

Der größte Teil des wirtschaftlichen Denkens unserer Zeit (1982!) beruht auf der Idee des undifferenzierten Wachstums. Auf dem Gedanken, dass Wachstum hinderlich, ungesund oder krankhaft sein kann, kommt man gar nicht. Wir brauchen daher dringend eine Differenzierung und Qualifizierung des Wachstumsbegriffs. Wachstum muss von der übermäßigen Produktion und vom übertriebenen Konsum im privaten Bereich in die Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen kanalisiert werden, (…).

In den meisten Industriegesellschaften gibt es drei eng zusammenhängende Dimensionen des Wachstums – wirtschaftlich, technologisch und institutionell. Andauerndes wirtschaftliches Wachstum wird praktisch von allen Volkswirten als Dogma akzeptiert. Mit Keynes sind sie des Glaubens, das wäre der einzige Weg sicherzustellen, dass der materielle Reichtum zu den Armen durchsickert. Dabei ist schon lange nachgewiesen, wie unrealistisch dieses Wachstumsmodell des „Durchsickerns“ ist. Denn hohe Wachstumsraten tragen nicht nur wenig zur Linderung der dringenden sozialen und menschlichen Probleme bei; in vielen Ländern werden sie von wachsender Arbeitslosigkeit und allgemeiner Verschlechterung der sozialen Verhältnisse begleitet.

(…) Die Unternehmen geben unglaublich viel Geld für Werbung aus, um das gegenwärtige Konsummodell aufrecht zu erhalten. Viele der auf diese Weise konsumierten Waren sind unnötig, verschwenderisch und oft direkt schädlich. Der Preis, den wir für diese exzessive kulturelle Angewohnheit zahlen, besteht in der stetigen Verschlechterung der wirklichen Lebensqualität – der Luft, die wir atmen, der Nahrung, die wir essen, der Umwelt, in der wir leben und der gesellschaftlichen Beziehungen, die das Gewebe unseres Lebens bilden. Diese Kosten eines verschwenderischen Überkonsums wurden schon vor mehreren Jahrzehnten gut dokumentiert und sind seither noch gestiegen.

Die ernsteste Konsequenz des anhaltenden Wirtschaftswachstums ist die Erschöpfung der Bodenschätze unseres Planeten. Das Tempo dieser Ausbeutung wurde schon in den frühen fünfziger Jahren mit mathematischer Genauigkeit von dem Geologen M. King Hubbert vorausgesagt, (…). Inzwischen  hat die Geschichte Hubberts Voraussagen bis in die letzten Einzelheiten bestätigt, (…).

Um eine schnelle Erschöpfung unserer Rohstoffe  zu verlangsamen, müssen wir nicht nur die Idee anhaltenden wirtschaftlichen Wachstums aufgeben, sondern auch den weltweiten Bevölkerungszuwachs unter Kontrollen bringen. (…) Die Vorschläge reichen da von Erziehung und freiwilliger Familienplanung bis zum Zwang durch gesetzliche Mittel oder brutale Gewalt. Die meisten dieser Vorschläge sehen das Problem als rein biologisches Phänomen, das nur mit Fruchtbarkeit und Empfängnisverhütung zu tun hat. Die Demographen in aller Welt haben jedoch inzwischen schlüssige Beweise dafür zusammengetragen, dass das Bevölkerungswachstum ebenso sehr, wenn nicht mehr, von mächtigen sozialen Faktoren beeinflusst wird. Nach diesen Forschungsergebnissen wird die Zuwachsrate von einem komplexen Zusammenspiel biologischer, sozialer und psychologischer Kräfte  beeinflusst. (…) Indem (..) die Besserung der Lebensbedingungen immer weitere Fortschritte machte und die Sterberate fiel, begann auch die Geburtenrate zu sinken, womit das Bevölkerungswachstum zurückging. (…) Der wirksamste Weg zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums wäre, den Völkern der Dritten Welt zu einem Lebensstandard zu verhelfen, das sie dazu bringt, ihre Fruchtbarkeit freiwillig zu begrenzen. Das würde eine globale Umverteilung des Wohlstands erfordern. (…)

In unserer Kultur ist wirtschaftliches Wachstum untrennbar mit technologischem Wachstum verbunden. Individuen und Institutionen werden hypnotisiert von den Wundern der modernen Technologie und werden dadurch zu dem Glauben verleitet, für jedes Problem gebe es eine technologische Lösung. Ob es sich um ein politisches, psychologisches oder ökologisches Problem handelt – die erste Reaktion, fast automatisch, ist, seine Lösung durch irgendeine neue Technologie finden zu wollen. Der Vergeudung von Energie begegnet man mit Kernkraft (1982!), fehlende politische Einsicht wird ausgeglichen durch den Bau von noch mehr Raketen oder Bomben, und die Vergiftung unser natürlichen Umwelt hilft man ab durch Entwicklung spezieller Technologien, die ihrerseits die Umwelt in einer Weise beeinflussen, von der wir noch nicht wissen, welche Auswirkungen sie schließlich haben wird. Bei der Suche nach technologischen Lösungen für alle Probleme schieben wir diese gewöhnlich in unserem Ökosystem hin und her, und sehr oft sind die Nebenwirkungen der „Lösung“ schädlicher als das ursprüngliche Problem.“

Das mag genügen, um zu erkennen, dass wir in den letzten Jahrzehnten uns nur im Kreis gedreht haben – Capra sagte 1982, was Sache ist, aber wir sind einer Lösung nicht einen Schritt näher gekommen. Also ist die Tatsache, dass der jüngeren Generation allmählich der Kragen platzt, durchaus verständlich. Man muss sie unterstützen, denn es muss sich etwas ändern, wenn es gut werden soll.

Die Fußnoten zu Capra’s Ausführungen habe ich mir erlaubt wegzulassen. Jede der Aussagen von Capra ist mit zahlreichen Hinweisen weiterführender Literatur versehen.

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Ihr habt keinen Plan (2) …

Mein erster Eindruck hat mich nicht in die Irre geführt. Nach einer kurzen Nachricht des Verlags ist das Buch „Ihr habt keinen Plan (darum machen wir einen)“ ein sogenannter Bestseller. Diese Auszeichnung sagt gewöhnlich nichts über die Qualität des Buches, aber es lässt die Verbreitung des Buches erahnen.

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Meine größte Sorge beim Lesen dieser ‚Probleminventur‘ war, dass die sogenannten Leitmedien die Sache schlicht ignorieren werden (wie sie es schon häufig getan haben). Das wird bei einem Bestseller einfach schwierig. Wenn zu viele dem Buch ihre Beachtung schenken, (und es auch lesen) werden es auch die Mainstream-Medien tun (müssen) – schweren Herzens!

Damit sind meine ersten Bedenken ausgeräumt. Das Buch wird also seine notwendige Beachtung finden. Jetzt kommt es auf die Reaktionen an. Das Buch fordert heraus und ich bin auf den Tenor der Reaktionen gespannt. Da die Forderungen einen hohen Anspruch verkörpern, ist mit einigem Gegenwind zu rechnen. Deshalb wäre es ein sinnvolle Strategie der Generationen Stiftung, sich zur Umsetzung der Forderungen über ein paar wesentliche Punkte klar zu werden: Die hundert Forderungen, die das Buch aufzählt und zu begründen versucht, sind nicht alle in gleicher Weise von Bedeutung hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und hinsichtlich des Zeithorizontes.

Was ist langfristiges Ziel und was ist unumgänglich jetzt umzusetzen? Das langfristige Ziel hat eine Zeitachse, mit der man relativ flexibel umgehen kann. Die unumgänglichen Sachverhalte müssen in nächster Zukunft umgesetzt werden. Hier besteht keine Flexibilität. Diese Unterscheidung sollte man aber getroffen haben, bevor man ggfs. in eine Verhandlung eintritt (oder auch in Interviews seine(n) Mann/Frau stehen muss), um auch dem Verhandlungspartner gleich klare Grenzen setzen zu können – was ist verhandelbar (diskutierbar) und was nicht.

Wenn ich die hundert Forderungen Revue passieren lasse, so drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Realisierung bestimmter (Kern-)Forderungen schon eine Situation schaffen kann, in der möglicherweise einige der (Rand-)Forderungen keine oder nur noch eine geringe Bedeutung behalten. Diese Kernforderungen sind in den künftigen Diskussionen besonders herauszustellen und, soweit möglich, pragmatisch nachvollziehbar zu begründen.

Hierzu ein Beispiel, das in dem Buch m.E. nicht erfasst ist: Die Forderung, die kommerzielle Werbung auf die Beschreibung der Produkte (Werbung über Fakten) zu beschränken. Das Ziel wäre eine Aufhebung der psychologisch orientierten Status-Werbung und die Einschränkung des „Treibers“ für Überfluss und Konsum sowie die sich daraus ergebende Produktion von Müll. Mit anderen Worten: Eine sinnvolle Maßnahme schafft möglicherweise viele unerwartete Nebenwirkungen, die in erster Line gar nicht im Fokus gestanden haben. Oder denken wir an eine Einschränkung des Alkoholkonsums durch kräftige Preiserhöhungen, Verbot des Verkaufs an Minderjährige, Verbot des Verkaufs nach 22:00 Uhr: alles Maßnahmen, die den übermäßigen Alkoholkonsum in Deutschland sehr rasch auf das Niveau eines Genussmittels zurückführen. „Saufen“ muss etwas für arme, bemitleidenswerte Abhängige sein, so wie Raucher inzwischen keine in den Sonnenuntergang reitenden Helden mehr sind, sondern sich für ihre Abhängigkeit quasi entschuldigen und vor die Tür treten müssen.

Einige Forderungen münden zwangsläufig in ein Verbot. Hier tut sich unsere Politik besonders schwer, weil ein Verbot eine eindeutige und abschließende Haltung zum Ausdruck bringt. Und das ist nicht die Stärke unserer gegenwärtigen Politik und ihrer Unterstützer. Bei Verboten, so scheint mir, müssen sich die Massen durch den Verbots-Sachverhalt mobilisieren lassen, ähnlich dem Rauchverbot in Bayern oder dem Volksbegehren zum Bienensterben. Der Sinn eines Verbotes muss in ganz einfachen Worten emotional vermittelbar sein, um ein Erfolg zu werden. Verbote haben den Nachteil, dass wir nicht davon ausgehen können, dass sich die Bürger automatisch daran halten. Also muss das Verbot den unausgesprochenen Wunsch der Bürger treffen. Oder es muss eine Kontrollinstanz ins Leben rufen werden, die dann die nächsten Generationen nicht mehr aufgelöst wird, obwohl der Grund für die Kontrollen inzwischen weggefallen sein kann.

Die ersten Gegenargumente, die ich insbesondere von meiner Altersklasse gehört habe, waren Empörung, dass sich „die Jungen“ eine Anklage in so klaren Worten aufzustellen trauen. Das ist weitgehend unbeachtlich. Der zweite Vorwurf, den ich zu hören bekam, ist die Tatsache, dass hier nicht nur die Klimaproblematik (der Klimanotstand), sondern auch die soziale Frage angesprochen wird. „Das ginge doch gar nicht“ und das rücke das Vorhaben in die politisch ‚linke‘ Ecke. Dieses Argument vergisst, dass alle substantiellen Forderungen im Rahmen gesellschaftlicher Systeme spätestens seit der Aufklärung immer links angesiedelt sind, weil auf der rechten Seite regelmäßig jene sitzen, gegen die die Forderungen gerichtet werden müssen. Die Kategorie ‚links‘ ist immer mit den Forderungen und den Anliegen der Menschen (des Sozialen) verknüpft und die Kategorie ‚rechts‘ beschreibt regelmäßig die Seite, die (schnöde) ihre Privilegien (das Vermögen, die Macht, den Einfluss) verteidigen. Die rechte Seite neigt dazu, den Mitmenschen nicht als eigenständigen Wert zu betrachten, sondern durch ihre Brille primär als Mittel zur Mehrung von Vermögen, Macht und Einfluss zu verstehen.

Dabei hat „links“ nichts mit Sozialismus i.w.S. zu tun, sondern beschreibt lediglich die alte Sitzordnung, die bei den Verhandlungen während und nach der französischen Revolution zwischen den Fordernden (den „Revolutionären“), die auf der linken Seite und den Privilegierten und Etablierten (Inhaber von Eigentum und Macht), die auf der rechten Seite Platz zu nehmen hatten. Als Folge sind „Rechts“ und Links“ zwei Seiten der gleichen Medaille und repräsentieren immer nur die Perspektive des Betrachters und seiner eigenen Position. Jede Erfüllung einer Forderung der „Linken“ macht den (linken) Vertreter der Forderung zum Inhaber von (kleinen) Privilegien. Das ist die Strategie der „Rechten“: mit großen Worten unbedeutende Privilegien zu schaffen und damit in die „linke“ Seite den Spaltpilz einzuführen, um die Macht der Forderungen für die Zukunft zu schwächen. Das Buch stellt den Menschen in den Mittelpunkt und argumentiert vom Menschen her und damit ist klar, wo die Gegner dieser Gedanken wohl zu finden sein werden.

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Ihr habt keinen Plan, …!

Unter diesem Titel wird die Generationen Stiftung, Berlin, am 18.11.2019 ein Buch veröffentlichen, dessen Leseprobe viel versprechend ist. Sollte das Buch insgesamt die Qualität halten, die die Leseprobe verspricht, wird das Buch wie eine Bombe einschlagen. Der Grund für diese Annahme ist die Sprache und die zum Ausdruck gebrachte Sache.

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In Zeiten, in denen Hass und Hetze, Dummheit (als mangelndes Urteilsvermögen verstanden) und Ich-Bezogenheit weit verbreitet scheinen, taucht dieser Text auf, knallhart im Urteil, aber verbindlich im Ton. Dieser Text macht nicht die Fehler, sich auf die vorgefertigten Denkschablonen zu beziehen, sondern findet klare, einfache, aber treffende Worte, um einen im Grunde untragbaren Zustand zu beschreiben und dessen Veränderung einzufordern. Im Folgenden finden Sie einen Ausschnitt aus der Leseprobe (S. 19 ff), die im Internet verfügbar ist:

„Liebe Generation „not gonna happen“,

Mit diesem Buch klagen wir euch an.

Wir sind die Kinder und Enkel*innen, die von euch gelernt haben. Ihr habt uns gesagt, wir müssten immer ehrlich sein. Ihr habt uns eingebleut, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Wir sollten mutig sein, wenn andere sich verkriechen. Wir sollten füreinander einstehen und ein Miteinander gestalten. Wir sollten unser Gegenüber ernst nehmen und ihre Kritik annehmen. Ihr wolltet, dass wir Überzeugungen entwickeln und auch nach diesen leben. Wir sollten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir Fehler machen, so wurdet ihr nicht müde zu wiederholen, sollten wir sie gefälligst auch eingestehen und versuchen, sie auszubügeln. Auf diese Weise habt ihr uns vermittelt, was richtig und was falsch ist und worauf es ankommt. Wir haben uns all das zu Herzen genommen, und wir denken: Damit hattet ihr recht.

Jetzt halten wir euch den Spiegel vor. Ihr habt uns die ganze Zeit etwas vorgemacht, habt nicht nach euren eigenen Regeln gelebt und tut es immer noch nicht. Stattdessen habt ihr ein Leben geführt, das so nur möglich war, wenn man die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und unserer Zukunft hinnahm. Mit eurem Konsumverhalten habt ihr den ständigen Ressourcenraubau befeuert und die Ausbeutung vieler zugunsten weniger in Kauf genommen. Das ist Wahnsinn – und es erschüttert uns.

Aber wenn wir euch das vorhalten, nehmt ihr uns nicht ernst. Selbst bei Minimalzielen sagt ihr uns, das sei unrealistisch: Das ist doch zu viel. It’s not gonna happen. Dabei schaut ihr uns in die Augen, lächelt süffisant, manchmal auch selbstgefällig. Denn ihr habt ja die Welt verstanden. Wir denken: Nein. Habt ihr nicht. Wenn ihr ehrlich seid, habt ihr vor allem versagt. (…)

Wir werfen euch vor: Hätte die Mehrheit von euch sich interessiert, empört und engagiert, wären viele Dinge heute anders. Wusstet ihr es nicht besser, oder habt ihr es einfach ignoriert? (…)

Was wir euch vorwerfen, ist nicht nur euer zerstörerisches Handeln, sondern vielmehr euer zerstörerisches Unterlassen. Ihr sagt, dass Zukunftsthemen wichtig sind. Aber mit einem Gang alle paar Jahre zur Wahlurne ist es nicht getan. Wo seid ihr, wenn Jahr um Jahr einschneidende Maßnahmen gegen die Klimakrise verschlafen werden und wir immer weiter in Richtung Kollaps des Ökosystems schlittern? Ihr regt euch lieber im Privaten auf, statt zu handeln. Ihr habt die Verantwortung, Entscheidungen für alle zu treffen, an Politiker*innen delegiert. Aber das entbindet euch niemals von eurer Verantwortung für die Zukunft aller, die nach euch kommen. Wir nehmen euch in Haftung für alle Kosten, die ihr uns aufbürdet, für alle Folgen und Katastrophen, die euer Verhalten für unser Leben hat. (…)

Wir werden nicht mehr tatenlos zusehen, wie ihr unsere Zukunft gegen die Wand fahrt, während ihr behauptet, ihr hättet einen Plan. Euer „Plan“ schafft eine Krise nach der anderen, setzt unsere Zukunft aufs Spiel – aber die Konsequenzen sind euch egal. (..)

Dieses Buch ist eine Mischung aus Kampfansage und Einladung, aus Aufschrei und Hilferufen. Ihr wollt wissen, was gerade in uns vorgeht? Ihr wollt endlich herausfinden, warum wir so wütend sind? (…) Hier ist eure Chance! Nur mit wenigen möchten wir brechen. Die meisten aus der Generation „not gonna happen“ wollen wir aufrütteln. (…)“

(Ihr habt keinen Plan“, Hg: Claudia Langer für den Jugendrat der Generationen Stiftung, Verlag Blessing, 12,00 €, ab 18.11.2019 im Buchhandel)

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Containern und das Eigentum

Zwei Studentinnen haben aus einem Container Esswaren entnommen, die ein Discounter aufgrund des Ablaufs der Frischgarantie entsorgt (weggeworfen) hat. Sie wurden dabei erwischt und in zwei Instanzen mit einer verqueren Argumentation als „Diebe“ (zugegeben milde) verurteilt. Die Sache liegt jetzt beim Verfassungsgericht, weil jeder vernünftig denkende Mensch mit den ergangenen Urteilen nichts anfangen kann.

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Die Urteile erfolgten unter der geltenden Eigentumsprämisse, einer Prämisse, auf der unser ganzes Wirtschaftssystem fußt; deswegen tun sich die Gerichte auch so schwer. Alles starrt gebannt auf die Frage, ob des sich hier um ein Eigentumsdelikt handelt oder nicht. Offensichtlich fragt sich niemand, ob hier verantwortlich mit dem umgangen wurde, das wir Eigentum nennen. Müll ist nach herrschender Ansicht Eigentum, das mit der Deklaration als Müll anscheinend nicht aufgegeben wurde. Die Entnahme von Müll ist demnach Diebstahl. Wir haben aber nicht nur im Art. 14 des GG eine Eigentumsgarantie, sondern im Absatz II auch eine starke (leider oft vergessene) Verpflichtung zum Wohl der Allgemeinheit. Eine Änderung dieser Rechtsverhältnisse kann nur durch ein Gesetz erfolgen, mit anderen Worten: Wenn Müll Eigentum ist, und nachgewiesen ist, dass die Ware, die dort als Müll deklariert wird, noch großenteils einwandfrei verzehrbar ist, so muss vom Gesetzgeber sichergestellt werden, dass der Einzelhandel in der Deklaration von Müll eingeschränkt wird. Es gäbe dann drei Kategorien: Ware mit Verwendungsdatum, Ware, bei der das Verwendungsdatum überschritten ist und Müll! Die Ware mit Verwendungsdatum wird zum vollen Preis verkauft, die Ware mit abgelaufenem Verwendungsdatum kostet deutlich weniger (z.B. 30% – 50% weniger) und der Müll ist „Müll“, weil für den menschlichen Verzehr absolut ungeeignet. Dann gibt es auch kein Containern mehr und die beiden Studentinnen hätten ihr Ziel erreicht: im Einzelhandel wird dann weniger vermeidbarer Abfall  produziert.

Im Augenblick streiten sich die Parteien und fokussieren sich auf die heilige Kuh, das Eigentum. Ist es Diebstahl oder ist es gerechtfertigt, sich verzehrbaren Müll anzueignen. Da wird rumdiskutiert, ob hier der Mundraub-Paragraph oder der Diebstahl-Paragraph anzuwenden ist oder nicht. Hätte die Politik ihre Aufgabe verstanden, hätte sie den Missstand von zu viel Müll, der größtenteils durch die gesetzlichen Vorschriften herausgefordert wird, schon vor Jahren aufgegriffen – aber wir müssen erkennen, dass je mehr Müll produziert wird, desto mehr „Wachstum“ können die Regierungen für sich reklamieren – also tun sie nichts! Ein weiterer Gesichtspunkt der Politik ist die hirnrissige Abwägung zwischen der Frage Müllproduktion oder falschverstandener marktwirtschaftlicher Grundsätze, nach dem Prinzip: „Don’t touch a winning team!“. Sie nehmen lieber mehr Müll in Kauf als dass die Politik bereit wäre, hier klärend einzugreifen. Was ist wichtiger: der Grundsatz oder die Beseitigung eines schwachsinnigen, aber gesetzeskonformen Verhalten, das sich für unsere langfristige Entwicklung als völlig kontraproduktiv erweist.

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Rente mit 69? – Wozu diese Drohung?

Die SZ zitiert die Deutsche Bundesbank, die meint anregen zu müssen, den Renteneintrittszeitpunkt von gegenwärtig einem Alter von 67 auf 69 anzuheben. Natürlich wird dieses Ansinnen auch begründet: unser Rentensystem würde angesichts der zunehmenden Vergreisung der Gesellschaft künftig überlastet. Die ganze Argumentation bricht mit dem Wort „künftig“ in sich zusammen, weil dieser unsinnige Vorschlag (wie so oft in der veröffentlichten Meinung) nur einen Teil der Geschichte erzählt und die Zusammenhänge dramatisch verkürzt.

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Wenn wir nur auf die zurzeit geltende Form der Altersversorgung starren, so ist das Ansinnen nachvollziehbar: immer weniger Lohnarbeitskräfte zahlen aufgrund ihrer Einkommenssituation (z.B. prekärer Sektor) immer weniger in das System ein, aber die Zahl der Rentner wird deshalb nicht geringer. Wir stellen weiter fest, dass in der Wirtschaft insgesamt nicht weniger verdient wird. Also besteht da ein Ungleichgewicht, das sich fortlaufend aufbaut. Die Lage wird zusätzlich verschärft, weil die prekär Beschäftigten von ihrem Einkommen so gerade leben können, aber eine Altersversorgung, die den Namen verdient, ist damit nicht verbunden. Das Rentensystem ist auf dem Solidaritätsgedanken aufgebaut: was der einzelne nicht schafft, kann die Gemeinschaft schaffen. Wenn aber der prekäre Sektor ständig wächst, der Mittelstand ständig an Boden verliert, kommt auch die Solidarität an ihre Grenzen. Mit anderen Worten: diesen Menschen droht Altersarmut, sie fallen u.U. in die Grundsicherung und verursachen öffentliche Kosten außerhalb des beitragsgesteuerten Rentensystems. Vor diesem isoliert betrachteten Zusammenhang könnte die Forderung eines Renteneintrittsalters von 69 begründbar sein. Aber diese Argumentationskette springt viel zu kurz!

Wenn ich die Geschichte richtig verstanden habe, so gibt es Lohnarbeit erst mit der Industrialisierung, also seit etwa 250 Jahren. Davor gab es auch abhängig Beschäftigte, aber eben keine Lohnarbeit im großen Stil. Die Rentenreformen kurz vor 1900 waren eine mühsam erkämpfte Antwort auf die Verelendung dieser Lohnarbeiter. Lohnarbeit war ein ganz wesentlicher Wirtschaftsfaktor in der Wirtschaft 1.0. Und weil er so bedeutend herauskristallisierte, desto mehr war die Unternehmerseite daran interessiert, diesen Lohnfaktor durch Rationalisierung und Standardisierung einzufangen. Um einen langen Weg abzukürzen: die Bemühungen liefen darauf hinaus, dem Lohnfaktor Schritt für Schritt seine immense Bedeutung zu nehmen und diese Bedeutung dem Kapital zuzuführen. Erzählt wurde die nette Geschichte, dass wir irgendwann nicht mehr so hart oder gar nicht mehr arbeiten müssen, weil die harte Arbeit die „Energiesklaven“ (Niko Paech) übernehmen würden. Soweit so gut – aber was ist die Konsequenz? Die gezielte Strategie, die menschliche Arbeitskraft soweit es irgend geht durch Maschinen zu ersetzen, ersetzt Lohnarbeit durch Maschinen (=Kapital). Wenn jetzt diese Maschinen auch noch intelligent (im Sinne von Künstlicher Intelligenz) werden, fällt die Lohnarbeit immer weiter zurück. Unser Rentensystem ist aber auf Arbeits- bzw. Lohnarbeit angewiesen, denn nur dieser Einkommensteil ist Grundlage für die Bemessung unserer Renten.

Und die Lohnarbeit geht uns aus. Alles was eine Maschine heute übernimmt, war einmal Lohnarbeit und fütterte in der Vergangenheit das Rentensystem. Die Antwort, die die Bundesbank darauf gefunden hat, ist wie schon zuvor durchgeführt, eine Senkung der Renten über den Trick, das Eintrittsalter zu erhöhen. Je später ein Arbeitnehmer Rentner wird, desto kürzer ist sein Rentnerdasein. Dieses Vorgehen entbehrt nicht einer gewissen Komik: Wieviel Lohnarbeiter erreichen ein Eintrittsalter von 65? Wenn nun das Eintrittsalter auf 67 oder gar 69 Jahre erhöht wird, werden es noch weniger Menschen sein. Wie geht das Spiel dann weiter? Demnächst ist dann das Eintrittsalter 71 Jahre, 73 Jahre…? Ziel erreicht? Mitnichten – was ist mit denen, die das Alter zwar erreichen, aber schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr in ihrem Beruf arbeitsfähig sind. Das ist das übliche Schachteldenken – diese Menschen erhalten deutlich weniger (zu wenig) aus dem Rentenversorgungssystem, und müssen dann aus anderen Quellen als dem Rentenversorgungssystem (meist unzureichend) aufgebessert werden und haben aber bei diesen Quellen keine Lobby. D.h. im Klartext: eine Renteneintritt mit 69 Jahren entlastet vordergründig und kurzfristig das Rentensystem, reduziert aber nicht die Last der Gesellschaft, die in der Pflicht steht, diesen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu garantieren.

Die logische Folgerung kann nicht sein, am alten Rentensystem mit seiner schwindenden Bemessungsgrundlage herumzudoktern; stattdessen müssten sich die Fachleute Gedanken für ein neues Alterssicherungssystem machen, das eben nicht auf die Lohneinkünfte einer immer kleiner werdenden „Community“ abzielt. Ich höre schon die Marktradikalen, die das System natürlich privatisieren wollen – die also dafür sorgen wollen, dass vor der eigentlichen Altersversorgung des Bürgers noch schnell ein privater Gewinn für eine dubiose Institution entsteht, die dann, wenn es schwierig wird, Insolvenz anmeldet und das ehemals als attraktiv angesehene Paket dem Staat vor die Füße legt. Das System muss sicher sein und darf sich nicht über die Börse refinanzieren wollen. Wenn die Finanzierung wegen des inhärenten Börsenrisikos nicht klappt, sehen die „Versorgten“ verdammt alt aus.

Erste Ansätze kommen über das bedingungslose Grundeinkommen. Dabei sollten sie skeptisch sein, wenn hier soziale Gesichtspunkte betont werden. Das bedingungslose Grundeinkommen wird von Seiten der Wirtschaft unterstützt. Diese Kreise verschenken doch nichts ohne Hintergedanken. Wenn immer mehr Menschen in den kommenden Jahrzehnten durch die Schlagworte Globalisierung und Digitalisierung ihre Jobs verlieren, wer konsumiert dann noch? Wir sind jetzt wieder da, wo die Industrialisierung angefangen hat: Damals hat man irgendwann (schweren Herzens) begriffen, wenn wir die Arbeiterschaft nicht ordentlich bezahlen, können wir unsere Produkte auch nicht verkaufen – denn von was sollte denn der Arbeiter das Produkt bezahlen, wenn er in der Verelendung steckt? Durch die mühsam erzielte Erkenntnis, dass nur angemessen bezahlte Arbeitskräfte die Produktion kaufen können, ist das entstanden, was wir heute Wohlstand nennen. Wenn wir jetzt eine Mehrzahl von Menschen aus den Wirtschaftsprozessen hinausdrängen, müssen sie zumindest weiter konsumieren können, sonst kollabiert unser Wirtschaftssystem in ganz kurzer Zeit. Die Lösung, die heute auf dem Tisch liegt und hinter verschlossenen Türen heiß diskutiert wird, ist das bedingungslose Grundeinkommen. Dabei sind hier viele Varianten denkbar, aber eines ist klar: der Konsum darf aus der Sicht der Wirtschaft nicht einbrechen. Über alles andere kann man reden. Die Finanzierung ist nicht einfach, aber durchaus darstellbar. Eine Finanztransaktionssteuer scheint als praktikabel erkennbar. Man muss möglicherweise auch anfangen, Gewinnanteile der oberen 10 Prozent als Verfügungsmasse anzusehen, denn auch für die Vermögenden gilt: besser ein wenig bluten (ein bisschen teilen) als alles verlieren. Und sie haben im Gegensatz zu über 50 Prozent der Bevölkerung, die nichts zu verlieren haben, viel zu verlieren.

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CO2-Belastung – wieviel ist variabel?

Wenn man die neue Ansage der Regierung mit ihrem Klimakabinett ernst nehmen will, so bleibt die Frage, ob außer dem hoffentlich guten Willen auch mehr möglich oder zu erwarten ist. Es kursiert Zahlenmaterial, das immer wieder die Frage nach der Begründbarkeit aufwirft. Das Umweltbundesamt bietet die Ermittlung des jeweiligen CO2-Fußabdrucks und zeigt dabei, dass der Durchschnittsverbrauch an CO2 – Äquivalenten (der deutsche Fußabdruck) gegenwärtig bei 11,6 t/Jahr und Person liegt.

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Unterstellen wir, dass die Zahlen in ihrer Tendenz zumindest nicht falsch  sind, so bleibt die Frage, was ist das Ziel, wenn wir „klimaneutral“ sein wollen. Wenn ich mich richtig erinnere, liegt der Zielwert bei 2,5 t/Jahr. Mit andere Worten, es ist nicht nur ein bisschen Massage notwendig, das sind geforderte Einsparungen von 78,5% des heutigen Verbrauchswertes. Angesichts dieser Herkulesaufgabe wirken die Maßnahmen der Bundesregierung irgendwie „lächerlich“.

Wir können versuchen unseren Abdruck von 11,6 t/Jahr aufzuteilen, um zu erkennen, wo denn Spielräume zu finden sind, die in einem ersten Schritt genutzt werden sollten, bevor wir ans „Eingemachte“ gehen müssen. Die Aufteilung des Fußabdrucks, wie ihn das Bundesumweltamt darstellt, unterscheidet zwischen öffentlichen Emissionen (0,7 t/Jahr), Heizen und Strom (2,4 t/Jahr), Mobilität (2,2 t/Jahr) und Ernährung (1,7 t/Jahr) und Konsum (4,6 t/Jahr). Das sind in Summe die angesprochenen 11,6 t/Jahr, die ein Durchschnittsbürger (den es nur in der Theorie gibt) im Jahr an CO2 – Äquivalenten verbraucht. Es gibt also Menschen, die liegen deutlich darunter und es gibt folglich Menschen, die diesen Wert bei weitem übersteigen.

Es ist zweifelsohne ein sinnvoller Ansatz, sich die größten Brocken herauszusuchen, bei denen man unterstellen kann, dass hier auch das größte Einsparungspotenzial liegen müsste. Diese Darstellung, so wie ich sie verstehe, erfasst natürlich nicht nur den CO2-Ausstoß der Privathaushalte, sondern die Summe des privaten und gewerblichen Verbrauchs und teilt diese Summe dann durch die Anzahl der Bevölkerung (Durchschnitt). Mit anderen Worten: Ist es sinnvoll, beim privaten Bürger den Anfang zu machen, wenn letztlich feststeht, dass die großen „CO2“-Schleudern nicht unbedingt im Einflussbereich des Individuums liegen, sondern vermutlich im gewerblichen Bereich. Es ist nicht sinnvoll, uns Bürgern ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn gleichzeitig ganze Industriezweige immer noch subventioniert werden, um möglichst viel CO2 zu produzieren. Es geht um die Subvention bei Diesel, es geht um die Subventionierung von Flugbenzin (Kerosin), es geht um die Freistellung großer Energieverbraucher von den Lasten des EEG, es geht um die Braunkohlesubventionierung. Sie können als Bürger lange an ihrem persönlichen CO2-Fußabdruck „herumschrauben“, solange diese Milliardenbeträge dafür ausgegeben werden, damit die betreffenden Industrien „brummen“ und Unmengen von CO2 ausstoßen.

Die ganze CO2-Diskussion sollte doch in erster Linie in der Politik dazu führen, dass alle existierenden Subventionen darauf überprüft werden, inwieweit sie den Fußabdruck berühren. Es ist ein wahres Vergnügen den Subventionsbericht der Bundesregierung aufzuschlagen, um zu erkennen, wo die Stellschrauben für eine Senkung des CO2-Ausstosses zu finden sind. Wichtig ist dabei zu erkennen, dass es neben den im Bundesbericht aufgezählten Subventionen auch noch 16 Landesberichte geben müsste, um hier ein klares Bild zu erhalten. Das geht natürlich ins Mark unserer Wirtschaft und macht gleichzeitig deutlich, dass eigentlich so gut wie nichts in diesem Land ohne Subventionen läuft. Jetzt wäre es ein guter Anlass, angesichts des Drucks der Klimadiskussion, alle die staatlichen „Zuwendungen“ auf ihre Konformität mit den Anforderungen eines Klimawandels hin zu überprüfen.

Wenn Sie versuchen sollten, anhand der Berechnung des Fußabdrucks festzustellen, ob und wie sie ihren Fußabdruck verkleinern können, so werden Sie bitter enttäuscht. Was immer sie an Einsparung oder Veränderung vorschlagen oder planen, die dadurch ausgelöste Reduktion ihres persönlichen Fußabdrucks ist so unbedeutend gering, dass das Ergebnis für jemanden, der ehrlich bemüht ist, hier neue Wege zu gehen, überaus frustrierend ist. Der Ansatz mit dem Fußabdruck ist ja recht plakativ, aber er muss so individualisiert werden, dass die Stellschrauben zur Verfügung gestellt werden, an denen ich als Handelnder einen Erfolg sehen kann. Es ist klar, am Gesamtbild ändert sich dabei nicht viel, aber jeder, der mitmacht und auf seiner Schiene einen Erfolg erkennen kann, wird weitermachen, egal, ob das große Ganze noch weit davon entfernt ist, die 78,5% Einsparung auch nur in etwa zu erreichen. Aber der Prozess beginnt bei jedem, der mitmacht, indem er diesen Prozess unterstützt. Der Einzelne muss sich gut fühlen können, weil er das, was in seiner Macht steht, getan hat.

Die Aufmerksamkeit derer, die ihren Fußabdruck verkleinern wollen, wird von den Betreibern des Fußabdrucks (BUA) auf Heizung und Strom und auf Mobilität gelenkt, zusammen etwa 40% des Duchschnitts-CO2-Ausstoßes; bei der Ernährung (knapp 15%) fragt man sich, wie kommt der Wert zustande? Ist hier die intensive Landwirtschaft nach dem Vorbild von Monsanto & Co enthalten oder wie lautet die Rechnung? Nichts mehr Essen, ist keine Option, aber die Herstellung von Lebensmitteln anders (sinnvoller) gestalten, wäre sehr wohl eine Alternative.

Der größte Brocken von Umweltsünden wird bei dem Fußabdruck  als „Konsum“ bezeichnet. Dieser Teil umfasst etwa 40 % der besagten 11,6 t/Jahr CO2-Ausstoß. Auf diese Kategorie geht der  Fußabdruck kaum ein. Es ist klar, hier beginnt nach unserem Verständnis die Schmerzgrenze – wie schrecklich, wir können nicht mehr shoppen gehen und müssen unsere dadurch zum Ausdruck gebrachte Langeweile anders „töten“. Das ist die Seite der Bequemlichkeit. Aber weniger Konsumieren hat ja weitreichende Folgen in einem System, in dem der Konsum als die Wohlstandsicherung verstanden wird. Dabei geht es gar nicht so sehr um weniger Konsum als darum, eine andere Art von Konsum zu etablieren.

Konsum ist heute Masse, die möglichst schnell zu Müll umgewandelt werden soll, damit wieder ein Bedürfnis nach Masse entsteht. Das ist ein wesentliches Grundprinzip unserer Wirtschaftsform. Wenn Nachhaltigkeit wirklich Einzug hielte, hat das zwei sofortige Auswirkungen: Die Dinge, die unseren Konsum beflügeln, müssen langer halten, sie müssen reparierbar bzw. überholbar sein, ohne dass das Reparieren an der Frage des günstigeren Neukaufs scheitert. Die ‚Massenproduktion‘ muss teurer werden. Sie wird damit natürlich ihren Massecharakter verlieren. Masse ist ja genau das Gegenteil von der viel geschworenen Vielfältigkeit, die wir leben wollen.

Unsere Einstellung zum Konsum muss sich grundlegend ändern – es kann nicht sein, dass ein Artikel eine neue Farbe erhalten hat, und deshalb der „alte“ seine Wertschätzung verliert und der Wunsch gesellschaftlich unterstützt wird, diesen Artikel statt des alten erwerben zu wollen. Diese Haltung ist nur deshalb durchzusetzen, weil die Ware scheinbar billig ist. Aber die unverantwortliche Ressourcenverschwendung zur Produktion der Ware, der Hungerlohn für die Herstellung, der Transport der Ware über weite Strecken und die Aufwendungen für deren Beseitigung sind in dem billigen Preis nicht angemessen abgebildet – das zahlt nicht der momentane Konsument, das zahlt die Gesellschaft über Steuern, über Abgaben, über das EEG, über Aufwendungen für Migration, über immaterielle Schäden einer rechtsradikalen Haltung, und vieles mehr. Es gibt in unserem Wirtschaftssystem eine Fülle von „Sidepayments“, die wir leisten und uns darüber gar nicht bewusst sind, dass das „Nebenwirkungen“ unserer teilweise falschen Lebensumstände sind.

Die Überlegungen haben immer Folgen für das Wachstum – eine der heiligen Kühe unserer Regierungen. Sowie der Konsum tangiert wird, hat das Auswirkungen auf die idiotische Maßzahl alles Wirtschaftens – den sogenannten Wachstumsquotient oder kurz – das Wachstum. Wachstum heißt im Klartext: wir müssen jedes Jahr mehr konsumieren als im Jahr davor, sonst machen die Herren des Geldes lange Gesichter und heben mahnend den Finger, indem sie uns verkünden, ab jetzt ginge es bergab. Es gibt gesicherte Untersuchungen, dass Lebenszufriedenheit der Menschen und Wachstum schon seit den 1960er Jahre auseinander laufen. Was heißt das? Die ersten Jahre nach dem Kriege wurde aufgebaut. Zu dieser Zeit laufen Zufriedenheit der Bevölkerung und Wachstum in die gleiche Richtung. Ab einem gewissen Punkt – er liegt wohl Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts endet diese Parallelität. Die Messzahl der Lebenszufriedenheit der Bevölkerung sinkt bzw. nimmt über die Jahre stetig ab, während die Kennzahl des Wachstums (mit einigen Dellen) stetig wächst. Diese Feststellung trifft nicht nur Europa, das ist in der ganzen westlichen Hemisphäre zu beobachten. Konkret bedeutet diese Entwicklung, dass die Ökonomie eine Entwicklung misst, die für die Bevölkerung überhaupt keine Relevanz besitzt. Die Ökonomie geht immer davon aus, dass die Gier nicht zu befriedigen sei, während die reale Bevölkerung schon längst intuitiv begriffen hat, dass „Mehr, Höher, Schneller“ – das Mantra des Kapitalismus – nicht zur mehr Zufriedenheit führt.

Solange wir unseren Erfolg am Wachstum orientieren, werden wir von dem CO2 nicht herunterkommen. Die Frage muss heißen, wieviel CO2 brauchen wir, um zufrieden leben zu können und deshalb müssten die Regierungen die andere Sichtweise (die der Zufriedenheit) propagieren, damit die Leute verstehen lernen, dass das Wachstum nur eine künstliche (statistische) Größe ist, die einem engen, kleinen Personenkreis ständig neues Geld zuführt. Geld, das andere für sie verdienen. Das Dumme ist, dass sich viele Menschen zu jenen zählen, die glauben von dem System zu gewinnen, weil sie sich Konsum leisten können, der ihnen in der Jugend unvorstellbar war. Aber die Statistik zeigt unnachgiebig, dass in diesem System nur noch die obersten Zirkel an Vermögen zulegen und darunter verlieren statistisch alle ohne Ausnahme! Sie merken es nur nicht, weil subjektiv viele das Gefühl haben, sie sitzen am Tisch der Gewinner (sie dürfen ja mitreden), und spüren nicht wie sie im Hamsterrad für die Erträge Dritter arbeiten.

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Nochmals zu den CO2 – Zertifikaten

Der Beitrag der „Anstalt“ hat mich nochmals veranlasst, die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 herauszusuchen. Die Ungereimtheiten, die man auf den ersten Blick nicht vermutet, weil das Paket doch recht serös daherkommt, sind zu groß, als dass man bereit ist, davon ausgehen, dass hier nicht alle Schweinereien, die in der Vergangenheit die Szene hinsichtlich EEG und Zertifikatehandel bestimmt haben, plötzlich in Luft auflösen.

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Angesichts des Insistierens der CDU auf der Freiwilligkeit von Maßnahme bei den meisten einschränkenden Vorhaben (vgl. jüngst Landwirtschaftsministerin Klöckner im Falle des allgemein befürworteten Nutri-Score-Labels) beschleicht den Leser der Verdacht, dass der so gepriesene CO2 – Zertifikatehandel auch auf Freiwilligkeit angelegt werden soll. Dann wären alle meine Überlegungen im vorherigen Artikel hinfällig.

Und siehe da – der ganze Abschnitt über den Zertifikatehandel in den „Eckpunkten …2030“ behandelt die Frage, ob der Zertifikatehandel für die betroffenen Industrien freiwillig oder verbindlich ist, überhaupt nicht. Es ist absolut offen, ob das Vorhaben freiwillig ist, ob hier die Ausnahmen, die gegenwärtig gelten (z.B. die 2000 Großunternehmen, die keine EEG-Umlage bezahlen, aber über 50% des CO2 – Ausstoßes zu verantworten haben) fallen. Wenn sie nicht fallen, ist der angestrebte Zertifikatehandel eine Farce oder eine Wählerverarschung. Ich entschuldige mich für die Wortwahl, aber es gibt kein treffenderes Wort.

Die Schätzung der Geldflüsse in meinem vorherigen Artikel geht von der Annahme aus, dass in den Zertifikatehandel ausnahmslos alle Unternehmen, die CO2 produzieren, eingeschlossen werden. Eine Unterteilung nach guten und weniger guten Sektoren und Branchen unterbleibt. Die Diskrepanz, die sich zwischen meinen geschätzten Zahlen und dem Umfang des Klimapakets auftut, lässt nun vermuten, dass es eben doch Ausnahmen geben wird. So wie man ein gutes Energie-Einspeisungs-Gesetz (EEG), das ehemals der Förderung von Erneuerbaren Energien diente, im Jahr 2010 so änderte, dass die ganze Solarenergiebranche von der Politik wissentlich an den Baum gefahren und der internationale Know-how-Vorsprung verloren wurde. Die Energieeinspeisung für Erneuerbare Energien kam damit praktisch zum Erliegen. Aber das war nicht genug. Man hat den 2.000 größten CO2-produzierenden Unternehmen auch noch politisch Dispens dadurch erteilt, dass sie von der Umlage des EEG nicht erfasst werden. Sie zahlen keine Umlage, sondern nur den viel niedrigeren Preis der Strombörse. Die Folge ist, dass die Bürger den Teil der Umlage, der auf die 2.000 Unternehmen entfällt, bezahlen müssen. Deshalb steigt der Strompreis ständig für den Otto Normalverbraucher.

Was mich auch verwundert, die die Tatsache, dass die geplante Einführung des Zertifikatehandels auf nationaler Ebene in den Gazetten nicht kritisch gewürdigt wurde. Das fällt irgendwie auf. Wo bleibt der Gegenwind? Wo bleibt die Diskussion von Alternativen? Was ist an der Vorstellung eine CO2-Steuer so schrecklich? Der ganze Verwaltungsapparat (die Finanzverwaltung) steht zur Verfügung. Zur Frage von Steuergeldern sind die Verfahrensregeln und die Gerichtsbarkeit eindeutig und klar. Für den Zertifikatehandel muss ein adäquater Apparat erst noch aufgebaut werden (kostet Zeit und extra Geld und ist insbesondere zu Beginn extrem fehleranfällig). Die Öffentliche Verwaltung hat für alle Arten von Geldzuflüssen Regeln entwickelt. Handelserlöse gibt es bei der öffentlichen Verwaltung nicht. Man kann also davon ausgehen, dass die Regierung sich des Problem auf die Weise entledigt, dass sie den Zertifikatehandel privatisiert. Das hat man auch mit der LKW-Maut gemacht und wurde von den Betreibern nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Seit sie das erkannt hat, sind die Anteile der Gesellschaft schon seit über einem Jahr wieder im Eigentum des Staates. Da ging der Privatisierungsschuss nach hinten los. Man sollte doch irgendwann einmal lernen, dass immer dann, wenn die öffentliche Hand ein Geschäft mit großem Geldvolumen in private Hände gibt, ohne sich die Möglichkeit einer jederzeitigen Prüfung mit Kündigung der Zusammenarbeit vorzubehalten, zum Scheitern verurteilt ist. Die Gier des großen Geldes zieht immer wieder fragwürdige Gestalten an.

Und noch ein letztes: Es gibt lt. „Anstalt“ einen europäischen Zertifikatehandel, der seit 14 Jahren versucht, die Idee in eine sinnvolle Funktion zu verwandeln. Der Zertifikatehandel der EU ist eigentlich ein totgeborenes Kind – aber die CDU will offensichtlich diese Sinnlosigkeit des Vorgehens. Sie kann jetzt Aktivismus demonstrieren, im schlichten Wissen, dass dabei nichts herauskommt. Das ist ein schmutziges Taktieren um eine ehrliche Sache, die große Teile der Jugend auf die Straßen getrieben hat. Und die Politik ist auf dem besten Wege, mit Verhaltensweisen von vorgestern diese Zukunftsaufgabe zu „verkacken“ (wie man das heute wohl auszudrücken pflegt).

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CO2 – Zertifikate – was ist das?

Die Bundesregierung ist wahnsinnig stolz auf die „marktwirtschaftliche“ Umsetzung der Idee der CO2 –Zertifikate. Erst ein Studium des Eckpunkte-Papiers lässt die Konstruktion dieser Zertifikate erkennen. Die Zertifikate starten mit einem Festpreis von zehn Euro ab 2021. Davor passiert gar nichts, weil man wohl meint, man brauche so lange, um hier eine gesetzliche Grundlage schaffen zu können.

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Dieser Festpreis steigt dann über die Jahre bis 2025 auf fünfunddreißig Euro. Danach erst wird eine maximale Emissionsmenge festgelegt, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Gleichzeitig wird der Preis je Tonne administriert (35 – 60 Euro maximal). Das ist der Knackpunkt: Heute verbraucht Deutschland ca. 800 Mio. Tonnen CO2; welcher Verbrauch im Rahmen der Klimaziele für 2030 anzustreben ist, verschweigt das Eckpunkte-Papier – aber gerade hier wäre doch für jedermann erkennbar, welcher „Druck auf dem Kessel“ lastet.

In den Jahren bis 2026 ist die Menge CO2 nicht beschränkt. Zwar werden nur so viele Zertifikate ausgegeben, wie jährlich Tonnen Co2 in der Vergangenheit in die Luft geblasen wurden. Es gibt aber die zulässige Möglichkeit, dass sich die deutsche Wirtschaft mit Zertifikaten anderer europäischer Länder versorgt, sollte die deutsche Menge an Zertifikaten nicht ausreichen, um den deutschen Bedarf zu decken. Das heißt im Klartext: wenn im kommenden Jahr Zertifikate aus dem Ausland dazugekauft werden, übersteigt der CO2-Ausstoß die heutige Menge von 800 Mio. to um x Prozent. Bis wir dann endlich in die „Puschen“ kommen, kann es sehr gut sein, dass in einem guten Konjunkturjahr noch einmal 100 Mio. to hinzukommen. Erst in 2026, also in 7 Jahren, werden wir dann von der erreichten neuen Höhe uns auf das zulässige Maß in 2030 herunterhangeln müssen. Das tut richtig weh! Es wird gezielt der schmerzvolle Teil der Operation in die Zukunft geschoben.

Weiterhin sagt das Papier nichts aus über die jährliche Verringerung der maximalen Emissionsmenge ab 2027. Es sind, gut gerechnet, dann nur noch 4 Jahre bis 2030, d.h. in jedem Jahr müssten von der dann bestehenden Differenz jeweils 25% in jedem Jahr eingespart werden. Das ist vermutlich nicht durchsetzbar. Da das Referenzziel in 2030 nicht klar definiert ist, droht die Politik wieder den Weg des kleinsten Widerstands zu gehen und lieber die Klimaziele platzen lassen als sich für eine politisch schwierige Lösung zu engagieren.

Wenn die maximale Emissionsmenge (als Deckel) rasch herabgesetzt wird, entsteht absehbar ein Schwarzmarkt für Zertifikate: der maximale Festpreis von 60 Euro wird dem Staat bezahlt, um dann das überaus knappe Zertifikat am schwarzen Markt unter der Hand für ein Vielfaches zu verkaufen. Es wird ganz schnell Firmen geben, die das schlichte Geschäftsmodell „Vermitteln von Zertifikaten“ professionell nutzen werden. Der amerikanische Goldrausch im vorletzten Jahrhundert erscheint dagegen als „Pillepalle“ (A. Merkel).

Wie wirkt die Maßnahme? So wie es Autofahrer gibt, die aus dem Autofahren eine Ideologie machen und auch dann noch Autofahren wollen, wenn der Spritpreis durch die Decke geht, so gibt es auch Unternehmen, deren Führung die 10 Euro pro Tonne abdrücken und weitermachen wie bisher. Sie wollen die Zeichen an der Wand partout nicht sehen. Es liegt ja auch ein Systembruch vor: Das Klimapaket ist im Prinzip langfristig angelegt (etwa auf 30 Jahre und mehr) und die Unternehmensführung wird i.d.R. auf Vierteljahresergebnisse verpflichtet. „Es ist schwer, einen Mann dazu zu bewegen, etwas zu verstehen, wenn die Höhe seines Gehaltes davon abhängt, dass er es nicht versteht.“ (Upton Sinclair)

Was geschieht mit den Finanzen? Im ersten Schritt werden bei 800 Mio. to CO2 aus den Zertifikatverkäufen 8 Mrd. Euro in die Kassen der Bundesregierung fließen. Wenn der Zertifikathandel das gewünschte Ergebnis einer Reduktion auf z.B. 500 Mio. to sicherstellen kann, dann fließen ab 2030 jährlich immer noch 30 Mrd. Euro aus den Zertifikatverkäufen in die öffentlichen Kassen.

Versuchen wir eine Zusammenfassung auf Grund von vorsichtigen Schätzungen:

2021   10 Euro pro Zertifikat bei 800 Mio. to                                        €    8.000.000.000

2022   20 Euro pro Zertifikat bei 780 Mio. to                                        €  15.600.000.000

2023   25 Euro pro Zertifikat bei 760 Mio. to                                        €  19.000.000.000

2024   30 Euro pro Zertifikat bei 750 Mio. to.                                       €  22.500.000.000

2025   35 Euro pro Zertifikat bei 745 Mio. to                                        €  26.075.000.000

2026    60 Euro pro Zertifikat bei 730 Mio. to (gedeckelt)               €  43.800.000.000

2027    60 Euro pro Zertifikat bei 672,5 Mio. to (gedeckelt)           €  40.350.000.000

2028   60 Euro pro Zertifikat bei 615,0 Mio. to (gedeckelt)            €  36.900.000.000

2029   60 Euro pro Zertifikat bei 557,5 Mio. to (gedeckelt)            €  33.450.000.000

2030   60 Euro pro Zertifikat bei 500,0 Mio. to (gedeckelt)            €  30.000.000.000

Summe                                                                                                               €275.675.000.000

Der Zertifikathandel wird in der Zeit von 2021 bis 2030 schätzungsweise € 250 bis 300 Mrd. Euro den öffentlichen Kassen zuführen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die ersten Einsparungen aus dem Überfluss bedient werden können. Danach geht es Schritt  für Schritt ans Eingemachte. Deshalb sinkt bis 2026 die mögliche Einsparung pro Jahr. Ab 2027 sinkt die bereitgestellte Zahl der Zertifikate jeweils um 25% der Differenz zum angenommenen Ziel von 500 Mio. to.

Auch nach 2030 wird eine anhaltende Zuweisung in der Größenordnung von 30 Mrd. jährlich abnehmend bis 2050 weiterhin zufließen. Die Summe über die folgenden 20 Jahre von 2030 bis 2050 ist nicht sinnvoll zu schätzen. Über 2050 hinaus wird jede Schätzung kritisch, weil das Ziel der Klimaneutralität erreicht sein müsste und darüber wird sich die Welt so stark verändert haben, dass heute jede Aussage nur falsch sein.

Und was hat das Klimakabinett bis 2030 seinen Wähler versprochen: ein Klimapaket in der Größenordnung von 50 – 54 Mrd. Euro bis 2030. Wo steckt denn die Differenz? Eine vorsichtige Schätzung macht Abschläge, aber doch nicht 80% des geschätzten Aufkommens. Hier fehlt ein wesentliches Stück Information!

Als weitere Frage bleibt, wo diese Finanzen verwaltet werden. Sind sie Gegenstand des regulären Haushaltsplans mit allen Rechten und Pflichten oder wird hier – wie schon öfters versucht – eine „Kasse“ eröffnet, die im Wesentlichen nur der Regierung zugänglich ist, ohne parlamentarische Kontrolle und ohne die Kontrolle der Rechnungshöfe. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese „Töpfe“ so riesig sind, dass Begehrlichkeiten entstehen – dem ist vorzubeugen.

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Eine politische Zeitenwende?

Vermutlich ist das zu hoch gegriffen. Und dabei meine ich nicht das temporäre Aufflackern der rechten AfD. Was ich meine, dass durch eine Vielzahl von Fehlentwicklungen Sachzwänge entstanden sind, die die Menschen bewegen, sie aufschrecken und die Heftigkeit zumindest in Teilen so weit geht, dass das rechte Gedankengut der AfD nur noch ein „Vogelschiss“ in der jüngeren Geschichte dieser Republik darstellen wird.

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Der Höhepunkt der Schaffung von Sachzwängen wurde m.E. durch die Agenda 2010 ausgelöst. Auch davor wütete das Menschenbild des Neoliberalismus aus dem 19. Jahrhundert (der Homo oeconomicus) in den Reihen unserer Politiker und unserer Gesellschaft. Untersuchungen der Universität Osnabrück haben im Rahmen der Vorbereitungen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung gezeigt, dass in den letzten 30 und mehr Jahren die Wünsche der kleinen Leute systematisch ignoriert wurden und jene Wünsche der sogenannten Geldeliten regelmäßig ihre Erfüllung in den erlassenen Gesetzen gefunden haben. (Diese Untersuchungsergebnisse tauchen in dem endgültigen Bericht nicht mehr auf – sie waren offensichtlich zu brisant). Diesen Effekt haben wir nicht nur in Deutschland, diesen Effekt weist auch die amerikanische Politik auf. Die horrende Einseitigkeit, die Blindheit für die Bedürfnisse einer breiteren Gesellschaftsschicht haben die Politik in eine Sackgasse aus Sachzwängen geführt, die mit den alten abgenutzten Mitteln der Politik wohl kaum mehr beherrschbar sein wird.

Was wird wirtschaftlich deutlich? Der Betrug vieler deutscher Automobilhersteller haben den Ruf dieser Branche in einem Tempo zusammenbrechen lassen, dass einem schwindelt. Die Verkaufszahlen für SUV in Deutschland sind seit kurzem, so meine (ungeprüften) Informationen, stark rückläufig. Die Mobilitätsfrage, nicht die Automobilitätfrage, beschäftigt die Menschen nach wie vor intensiv. Das Automobil in seiner herkömmlichen Form und Ausprägung führt sich aufgrund des schwindenden Raums in den Metropolen selbst ad absurdum. Was kann die allgemeine Mobilität wieder herstellen? Die Politik hat sich einseitig auf die Seite des Elektroantriebs gestellt ohne einmal durchzurechnen, ob das in der kurzen Zeit und bei dem vorhandenen Energieangebot überhaupt möglich ist. Wenn wir wieder eine Technologie oben draufpacken, und dafür nicht andere energiefressende Technologien aus dem Verkehr ziehen, bleibt alles beim Alten. Um diese kumulativen Wirkungen zurückzudrängen, ist eine drastische Verteuerung insbesondere fossiler Energieträge unumgänglich.

Das wird aber nicht gelingen, wenn wir von erdölgetriebenen Autos einseitig auf strombetriebene Antriebe umstellen. Das Problem ist viel zu komplex, um es mit einer relativ „simplen“ Entscheidung aus der Welt zu schaffen. Hier braucht es eine vielseitige Strategie der konsequenten, aber kleinen Schritte an vielen Stellen. Die Stellschrauben sind vielfältig und deren wechselseitigen Einflüsse machen uns das Leben auch nicht leichter. Die Politik glaubte, die letzten 30 Jahre nicht auf die Wissenschaften hören zu müssen, weil der „Markt“ und das Geld scheinbar alles lösen kann. Sie wird sich wieder etwas von der Wissenschaft sagen lassen müssen, ohne immer gleich in die Schockstarre ihrer veralteten und rückwärtsgewandten Ideologien zu verfallen.

Ideologien, die fester Bestandteil der politischen Programme sind, dürfen sich ruhig einmal runderneuern. Insbesondere die Ideologen, die der Auffassung sind, alles dem Markt überlassen zu können, müssen doch allmählich begreifen, dass diese Idee in seinem absoluten Anspruch dummes Geschwätz ist, weil unsere Politik mit der Wirtschaft so stark verquickt ist, dass ein Markt, wie er ideologisch gefordert wird, gar nicht darstellbar ist und auch künftig nie erreicht werden kann.

Die Politiker unseres Landes haben die globalen Klimaziele in der Vergangenheit immer fein säuberlich mitunterzeichnet, haben sich feiern lassen, haben aber national keine Reaktionen gezeigt. Durch den Druck der Straße hat man dann einen lauen Ausstieg aus der Braunkohle für 2038 zusammengebastelt, der keinem der Beteiligten wehtut, außer dem Klimawandel; und der saß ja nicht am Verhandlungstisch.

Mit der geplanten Umsetzung des Klimapakets greift die gegenwärtige Politik ungewollt die durchaus sinnvollen Ideen des Keynesianismus auf: 40 Mrd. Euro sind den Braunkohlenrevieren zugesagt, um dem Strukturwandel auf die Beine zu helfen. Das ist ein heftiges Konjunkturprogramm in einer Zeit, in der die Konjunktur abzukippen droht. Die sonstigen technischen Kosten, sowie die Kosten der Renaturierung, die im Braunkohlenrevier durch den Ausstieg entstehen, sind in diesem Betrag gar nicht angesprochen bzw. habe ich diese Kosten in hinreichend seriösen Veröffentlichen nicht finden können.

Das Paket zum Klimawandel wird soeben veröffentlicht. Aber außer den Ausführungen der Parteigranden ist kein Stück Papier zu finden, auf dem ausformuliert wäre, was denn nun Sache sein soll. (Heute, Sonntag, finde ich endlich ein 22 Seiten umfassendes Dossier: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975202/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019-09-20-klimaschutzprogramm-data.pdf?download=1) Ohne Kenntnisse der Details und nur auf Basis der Aussagen Dritter ist es kaum möglich, eine Aussage über den Mut zu treffen, den die Damen und Herren Politiker in die Waagschale geworfen haben. Man kann aber wohl konstatieren, dass es wieder einmal der kleinste gemeinsame Nenner geworden ist. Von einem großen Wurf zu sprechen, löst bei mir Lachkrämpfe aus. Die Auswirkungen des heißdiskutierten Klimapakets werden von den ganz normalen Veränderungen des Alltagslebens nicht zu unterscheiden sein.

Die CO2-Abgabe ist leider vom Tisch und die Co2-Zertifikate sollen 2021 angeblich mit läppischen 10 Euro pro Tonne beginnen. Und diese Zertifikate haben nur dann einen Nutzen, wenn gleichzeitig jährlich eine maximale nationale Gesamttonnenzahl für den CO2-Ausstoß klar definiert im Raum steht. Und diese Zahl muss ständig, planmäßig festgeschrieben, sinken, sonst ist das die übliche politische Augenwischerei. Die Wirtschaft muss sich auf die Rahmendaten einstellen können und darf keine Gelegenheit haben, an diesem Rahmendaten zu rütteln. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass im Zertifikatehandel grundsätzlich zwei Stellschrauben existieren: einmal der (Einstiegs-) Preis und zum anderen die mengenmäßige Deckelung der CO2-Ausstoßmenge. Man hat dabei grundsätzlich drei Handlungsalternativen: den Preis regelmäßig hochsetzen, die Menge Jahr für Jahr niedriger deckeln und dann auch beides zur gleichen Zeit. Wenn man sich nur für die Veränderung des Preises entscheidet, bleibt die Frage des jährlichen Gesamtausstoßes an CO2 offen (das ist auch kein Markt, weil die Knappheit fehlt und nur am Preis ein wenig gedreht wird). Wenn man sich für die Deckelung entscheidet, steigt der Preis der Zertifikate durch deren jährliche mengenmäßige Verknappung (wird die künstlich herbeigeführte Verknappung hochangesetzt, geht der Preis pro Zertifikat relativ schnell durch die Decke, denn es herrscht dann Knappheit – es gibt mehr Nachfrage als Angebot). Nutzt man beide Instrumente gleichzeitig, kann man m.E. auch viel Unheil anrichten. Die Wirtschaft muss in der Lage sein, sich (gegebenenfalls unter heftigen Geburtswehen) an die neue Situation anzupassen. Ich präferiere die Deckelung, denn sie zeigt mir an, wieviel zur Klimaneutralität noch fehlt. Deshalb muss diese Zahl auch regelmäßig kommuniziert werden. Zu begrüßen ist die Feststellung in dem Klimapaket, dass eine jährliche Überprüfung der Fortschritte installiert werden soll mit dem Sanktionsmechanismus, dass das die Ziele verfehlende Ministerium innerhalb von drei Monaten Abhilfe schaffen muss. Es könnte gut sein, dass wir sehr schnell hier über die Jahre in einen riesigen Abhilfe-Stau geraten.

Es äußerten sich am Freitag schon einige Fachleute und stellten fest, dass dieser Einstiegs-Preis weit zu niedrig sei und insbesondere fehlen klare Entwicklungsangaben für diesen Preis, mit anderen Worten, die Konservativen haben wieder zahllose Türen oder ganze Scheunentore offen gelassen, um dann, wenn der Druck der Straße (aus ihrer Sicht ‚hoffentlich‘) nachgelassen hat, wieder auf die bequeme Schiene zurückzukönnen. Die bequeme Schiene heißt konkret, die absehbaren Probleme nicht zu lösen, sondern sie auf die zukünftigen Generationen zu überwälzen. Die weiteren Einzelheiten des Pakets werden wir erst in Laufe der Zeit erfahren. Es ist ja bis jetzt ein Konsens über eine Absichtserklärung, die jetzt in Verordnungen und Gesetze gegossen werden muss. Die Politik hat nicht zum ersten Mal aus einem netten Baby ein Monster gemacht.

Die Umsetzung des Konjunkturprogramms des Klimapakets in Höhe von über 50 Mrd. Euro werden dem sich eventuell abzeichnenden Konjunktureinbruch aufgrund seiner Größe und Dauer entgegenwirken. Die unvermeidlichen Verluste in diesen Strukturprozessen werden durch die Gewinner mit ziemlicher Sicherheit überkompensiert.

Aber damit sind ja noch nicht die alten Probleme der Politik vom Tisch: Unsere Infrastruktur unseres Landes ist in einem jämmerlichen Zustand und man fragt sich manchmal, ob ein so reiches Land wie das unsrige sich solche maroden öffentlichen Einrichtungen leisten kann und darf. Die Wirkung von gut funktionierender Infrastruktur wird im Wirtschaftsleben ständig unterschätzt. 30 Jahre Neoliberalismus haben in einem ehemals aus Trümmern aufgebauten Land die private Seite übermäßig reich werden lassen und die öffentlichen Hände gesetzlich zu einer „schwarzen Null“ verpflichtet. Mit anderen Worten: systematisch verarmt, und so sieht unsere Infrastruktur in vielen Ländern unserer föderalen Struktur auch aus. Es beginnt bei den Schulen und deren personale und sachliche Ausstattung, geht über den Zustand der nachrangigen Straßen, Sozialeinrichtungen, und vieles mehr. Auch hier schlummert noch ein ‚Konjunkturprogramm‘ zur Abwendung dieser Sachzwänge von mehreren 10 Mrd. Euro. Das ist niedrig geschätzt, genauere Zahlen habe ich nicht finden können.

Fassen wir zusammen, so stellen wir fest, dass die Gazetten von der Sorge sprechen, dass die Autoindustrie als Mainstream an Boden verliert, dass die Versicherungswirtschaft einige Sparten auflöst, die Bankenstruktur sich grundlegend ändert und dass ganz generell angeblich die Konjunktur in eine Rezession zu fallen droht. Wenn ich mir dann auf der anderen Seite die politisch nicht gewollten, sondern durch den Druck der Straße herbeigeführten „Konjunkturprogramme“ in einer Größenordnung von deutlich über 100 Mrd. Euro über die nächsten anderthalb Jahrzehnte anschaue, dann kann ich über die Sorgen über das Abkippen der Konjunktur nur milde lächeln. Da wird so viel Geld rausgeblasen, da muss die private Seite schon viel falsch machen, wenn es nichts nutzen sollte. Ob sich dabei auch die Vermögensverteilungsschere verbessert, steht leider nicht auf der Tagesordnung.

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