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Handlungsalternativen II (Finanzmarkt)

Eigentum, wie es die Börse vermittelt, ist mit Art. 14, Abs.2 GG und der damit verbundenen sozialen Bindung des Eigentums nicht zu vereinbaren. Es wird gar kein Eigentum gebildet, weil die soziale und emotionale Bindung zum erworbenen Gut komplett fehlt und auch nicht angestrebt wird.

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Wenn man nun den Hochgeschwindigkeitshandel entschleunigen will, um dem Eigentumsgedanken mit dem damit inhärent verbundenen Risiko der zeitlichen Bindung zu fördern, bleiben im Prinzip zwei Möglichkeiten: den Hochfrequenzhandel schlicht zu verbieten oder aber die Eigentumsveränderung durch verlängerte Haltezeiten (eine Lock-up-Periode) zu erschweren. Da Verbote kontrolliert werden müssen, erscheint die zweite Lösung die einfachere. Jeder Anleger, der an der Börse einen Wert kauft, wird verpflichtet, die Anteile (ggfs. in Abhängigkeit von dem Volumen der Transaktion) über einen längeren Zeitraum zu halten. Die Mindesthaltezeit wäre z.B. eine Woche und würde je nach Umfang der Transaktion bis zu 6 Monaten (z.B. bei Transaktionen großer Teile der Marktkapitalisierung der Aktie) ansteigen. Diese Vorgehensweise kann zwar nicht den Eigentumsgedanken übermäßig fördern, nimmt aber dem Hochgeschwindigkeitsmarkt seinen spekulativen Kick. Die Lock-up-Periode erhöht das Investitionsrisiko und der Investor ist gezwungen, die Entscheidung dementsprechend besser vorzubereiten, um einen vergleichbaren Erfolg herbeiführen zu können. Die Wertpapierbank kontrolliert die Einhaltung der Lock-up-Periode und wird auf noch zu schaffender gesetzlicher Grundlage die Nichteinhaltung der Lock-up-Periode durch einen Kostenabschlag auf die Verkaufserlöse in Höhe von z.B. 3% des Investments (und nicht des Gewinns) belasten – m.a.W. der Investor kann schalten und walten, wie er will, er muss nur den potenziellen Obolus bei vorzeitiger Veräußerung ins Risikomodell einbeziehen. Es gibt seit Jahren ein Streit um die Tobin-Steuer, die die Transaktionen belasten und einschränken soll. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Also erscheint die Lock-up-Periode ein probates Mittel zu sein. Die Entschleunigung wird bei Aktien mit hinreichender Sicherheit gewährleistet.

Der Derivatehandel, der heute hoch spekulativ gefahren wird, wird insoweit eingedampft, dass jedem Derivat ein effektives Basisgeschäft der Realwirtschaft zugrunde liegen muss. Da auch diese Derivate nur durch Banken aufgelegt werden können, muss der Antragsteller entsprechend reale Vertragswerke vorlegen können, um die gewünschte Absicherung aufbauen zu können. Ohne Kontrakte keine Derivat.

Es ist auch für jeden erkennbar: wenn das nur ein Land isoliert durchzieht, so werden gewisse Geschäfte dort eben nicht mehr abgewickelt. Das Geld sucht den schnellen und einfachen Weg. Manche Finanzgeschäfte werden dann um das Land herumfließen. Es führt aber gleichzeitig zu einer gewaltigen Reduzierung des gesamtwirtschaftlichen Risikos dieses Landes. Da Finanzwirtschaft im klassischen Sinne keine produktiven Beiträge leistet, entgeht dem Land nichts, was für die Menschen unentbehrlich erscheinen würde.

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Handlungsalternativen I (Grundverständnis)

Man hat sich viel zu sehr daran gewöhnt, die Gedanken und Handlungen anderer zu kommentieren, zu klassifizieren und zu kritisieren. Aufgrund dieser Tätigkeit sammeln sich einen ganze Reihe von Handlungsvorschlägen an: eigene und solche von bekannten und unbekannten Mitstreitern, richtige und weniger richtige. Immer öfter wird man von ratlosen Menschen angesprochen und gefragt, kannst Du Vorschläge machen, wie sich das abzeichnende Chaos verhindern, in seiner Wirkung mindern oder gar vermeiden ließe? Vorschläge für Handlungsalternativen lassen sich formulieren, aber die Erwartung, dass diese Vorschläge in einem großen Wurf das Problem lösen, bleibt eine Illusion.

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Nur die schrittweise und besonnene, mühsame Restrukturierung von sinnvollen ‚Checks and Balances‘, die im Laufe der letzten dreißig Jahre im Rahmen der neoliberalen Ideologie als scheinbar überflüssig abgebaut wurden, können hier begrenzt Abhilfe schaffen. Dabei geht es nicht darum, die Vergangenheit wiederherzustellen, sondern der allgemeinen Fortentwicklung angemessen Rechnung zu tragen.  Es haben sich die Umstände, die Technologie und die Erwartungen der Bürger in den letzten dreißig Jahren gründlich geändert. Es ist nicht zielführend, die ‚guten alten Zeiten‘ zu beschwören. Da die Sache überaus komplex und die Zusammenhänge interdependent verwoben sind, kann man sich dem Thema nur schrittweise nähern, um immer wieder kontrollieren zu können, ob der gewünschte und erwartete Effekt in der Praxis auch eintritt.

Bei der Diskussion fällt aber auch auf, dass die meisten Stimmen, sei es Politik oder Wissenschaft, nur die Krise diskutieren ohne dabei die Chancen zu erkennen und zu thematisieren. Die Krisendiskussion braucht dringend eine Vision oder eine Beschreibung (Narration), wo es hingehen soll. Die Politik liefert gegenwärtig keine Visionen, die über die intellektuelle Selbstbegrenzung von mehr Wirtschaftswachstum hinausgeht. Wir benötigen doch angesichts einer „großen Transformation“ dringend eine Vision der Gerechtigkeit, des sozialen Ausgleichs, der humanen Umsetzung von interessanten neuen Technologien. Stattdessen drängt sich dem Betrachter ein Zustand des Politischen auf, das mit den Begriffen wie „weiter so“ und einer schwarzen Null im Staatshaushalt bestimmt wird. Beide Haltungen sind angesichts der technologischen Transformation, in der wir alle stehen, absolut unverständlich. Große Branchen sind dabei, ihren Einfluss zu verspielen (Energie, Banken, Versicherungen, Automobilindustrie, u.a.) oder müssen sich neu erfinden, neue Branchen stehen in den Startlöchern, benötigen aber klare Rahmenbedingungen, die die Politik zu schaffen hat, damit sich die Transformation nicht nur von ihrer negativen Seite zeigen wird. Die Transformation schreitet voran mit oder ohne politische Rahmenbedingungen. Man könnte meinen, es herrscht das Mikado-Prinzip – wer sich zuerst von der Stelle bewegt, hat verloren!

Die Handlungsalternativen sollten dort ansetzen, wo man mit den geringsten Mitteln einen nachhaltigen Effekt hofft auslösen zu können, ohne dass ein Zusammenbruch der Realwirtschaft zwangsläufig die Folge wäre. Keiner darf aber erwarten, dass damit plötzlich das Heil über uns hereinbricht und wir morgen in einer neuen, nachhaltigen, ökologischen und demokratischen Welt leben werden. Diese Welt muss erst noch erkämpft und  gebaut werden. Das Ziel ist es, wenige, aber treffende Maßnahmen zu beschreiben und keine neuen Theorien in die Welt zu setzen. Es beginnt im Folgenden mit der Finanzwirtschaft.

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Lobbyismus – einem Krebsgeschwür unserer Zeit

Der Lobbyismus ist kein neues Phänomen. Es gibt ihn von alters her unter dem Namen von Höflingen und Günstlingen an den absolutistischen Höfen. Sie repräsentieren die Satelliten unterschiedlichster Machtzentren und ihr Ziel ist es,  auf die Entscheidungen dieser Zentren informell Einfluss zu nehmen. Die Einflussnahme erfolgt selten im Eigeninteresse, sondern meist für die Interessen Dritter. Letztere bezahlen für diese Dienstleistung u.U. fürstliche ‚Apanagen‘.

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Wie läuft dieser Vorgang in einer Demokratie? Die Machtzentren der Demokratie sind die Parlamente und ihre Ausschüsse. Die dort tätigen Politiker haben ein erhebliches Arbeitspensum, das sich zwischen Wahlkreis und dem jeweiligen Versammlungsort  des Parlaments abspielt. Sie werden zudem mit unterschiedlichsten Informationen ‚zugeschüttet‘. Je mehr desto größer die Belastung und umso besser für den Lobbyisten. Wer sich mit dieser Nachrichtenflut nicht auf die eine oder andere Art arrangieren kann, ‚ertrinkt‘ in Informationen und droht als Folge den Überblick zu verlieren.

Das ist die Stunde des Lobbyismus der ‚ersten Klasse‘. Um als Lobbyist erfolgreich sein zu können, muss man den überlasteten Mitgliedern des jeweiligen Machtzentrums etwas bieten können, was ihnen unmittelbar nutzt. Und was ist i.d.R. das größte Defizit, bei dem sich ein Politiker ständig im Hintertreffen sieht: ihm bleibt keine Zeit sich eine eigene Meinung zu bilden. Nach zwölf Stunden Arbeit in unterschiedlichen Netzwerken und Gremien soll er noch die Kraft besitzen, sich jetzt mit der eigenen Meinungsbildung zu befassen. Das gelingt selten. Also ist der einzelne Politiker darauf angewiesen, sich Meinungen zu beschaffen. Und das ist die Chance des Lobbyisten: er liefert Meinung samt scheinbarer Fakten in einer Form, die es dem Politiker leicht macht, damit im Kreise der Kollegen und in der Öffentlichkeit Eindruck zu hinterlassen. Seriöser Lobbyismus arbeitet auch mit Fakten, aber eben sehr selektiv. Der Lobbyist hat ja das Ziel der Einflussnahme und seine Art, die Dinge darzustellen, ist von diesem Ziel in hohem Maße beeinflusst. Der Politiker, der sich darauf einlässt, bildet sich natürlich ein, Herr der Lage zu sein, aber der ‚Brain wash‘ ist so subtil, dass mit dem Zeitlauf die übermittelten Informationen und Meinungsangebote oft so wahrgenommen werden, wie sie der Absicht des Lobbyisten und seines Auftraggebers entsprechen. Da auf diesem Felde Millionen Euro ausgegeben werden, darf man darauf vertrauen, dass sie sich auch „rentieren“.

Effizienter Lobbyismus zielt auf Abhängigkeit. Der Politiker übernimmt eine Meinung, und macht sie öffentlich. Damit ist die Meinung mit der Person des Politikers verknüpft und manifest. Erkennt er nach weiteren übernommenen Meinungsschritten, dass die Reise in eine Richtung läuft, die er nicht erwartet hat, dann ist er durch die manifest vertretene und veröffentlichte Meinung ein Stück weit ‚gefangen‘ und kommt ohne Gesichtsverlust nur schwer aus der Sache heraus. Möglicherweise muss er sich dazu eines anderen Lobbyisten bedienen und begibt sich damit wieder in neue Abhängigkeit. Es kann zum Teufelskreis werden. Und dieser Teufelskreis ist von den hehren Zielen, denen Abgeordnete nach den Vorstellungen des Grundgesetzes folgen sollen, meilenweit entfernt.

Es gibt dann noch einen Ansatz, den man den Lobbyismus der ‚zweiten Klasse‘ nennen kann. Es gab Zeiten, da wurden politisch wichtige Fakten von der Exekutive und von der Legislative beauftragten externen Instituten neutral aufbereitet. Eine solche Unterstützung kostet Geld und das neoliberale Credo versucht glaubhaft zu machen, dass man darauf verzichten kann, indem man sich diese Fakten auf privatwirtschaftlichem Wege durch temporäre Aufträge besorgt. Die regelmäßige neutrale Aufarbeitung einer Faktenlage wurde deshalb vor Jahren aufgegeben, weil man glaubt, diese „Dienstleistung“ von Fall zu Fall einkaufen zu können.

Da man hinsichtlich der Lobbyisten in der Politik keine offiziellen Aufzeichnungen (Listen) führt noch Zulassungskriterien aufgebaut hat, werden Gesetzesvorlagen und andere gutachterliche Stellungnahmen an private Einrichtungen wie Think Tanks, sogenannte Experten oder ‚Lawfirms‘ gegen Honorar vergeben. Teilweise arbeiten diese Auftragnehmer wie nachrichtendienstliche  „U-Boote“ im gleichen Ministerium, indem das anstehende Gesetz oder die Gesetzesänderung formuliert werden soll und die Bezahlung des Auftragnehmers übernehmen die Lobbyisten.  Letzteres ist wohl die schlimmste Form der Beeinflussung – vor wenigen Jahren im Rahmen von Kapitalmarktgesetzesänderungen (Stichwort: Cum-EX) geschehen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss versucht jetzt hier Klarheit zu schaffen.

Hinsichtlich der Frage der Befangenheit dieser Einrichtungen ergeben sich Einschränkungen aus zweierlei Richtungen: einmal haben sich z.B.  Lawfirms schwerpunktmäßig dahin orientiert, nur Aufträge von der Arbeitgeberseite anzunehmen, um eine mögliche Befangenheit aus Arbeitgebersicht im Voraus auszuschließen. Sie essen also ausschließlich deren ‚Brot‘. (Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing‘). Zum anderen gibt es national oft nur ganz wenig „Große“, von denen man sich verspricht, dass sie der anstehenden Aufgabe der Entwicklung eines Gesetzentwurfes „gewachsen“ sind. Keine dieser großen Lawfirms könnte von sich behaupten, ihren Umsatz ausschließlich mit öffentlichen Aufträgen zu verdienen. Also müssen sie bei ihrer Arbeit auch ihren Auftraggebern zum Tagesgeschäft, der Arbeitgeberseite, Aufmerksamkeit widmen, und das sind mehrheitlich jene Auftraggeber, die auch die Lobbyisten beauftragen. (Honi soit qui mal y pense.)

Think Tanks arbeiten verdeckter, weil sie sich einen quasi wissenschaftlichen Anstrich geben, aber einem wissenschaftlichen Anspruch in keiner Weise genügen wollen. Das ist nicht ihr Ziel. Ihre Ausarbeitungen sind für einen kleinen exklusiven Politiker-Kreis bestimmt, werden von Stiftungen bezahlt und sehen selten als Licht der (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit. Sie arbeiten meist sehr effektiv unter der politischen Oberfläche.

Die jüngste Form des Lobbyismus der ‚dritten Klasse‘ ist der direkte Draht zum Wähler über ganzseitige Anzeigen in der Tagespresse. Think Tanks, die in aller Regel ihre Finanzierungsquellen nicht offenlegen, wenden sich nicht mehr an die Institutionen, sondern versuchen mit falschen oder zumindest nicht nachvollziehbaren Fakten Argumente unter das Wählervolk zu streuen, um Stimmung zu machen. Die Tendenzen der verschiedenen Medien sind uns inzwischen bekannt und schrecken uns nicht mehr, aber wenn sich ein Think Tank den Schafpelz einer ‚Neuen Sozialen Marktwirtschaft‘ überstreift und dann hammerhart und populistisch an der Wirklichkeit vorbei argumentiert, ist die Verwirrung groß und die Wirkungen der Gehirnwäsche sind nicht mehr absehbar.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

  1. Lobbyismus zu verbieten, ist keine Lösung, weil das Verbot nicht kontrollierbar ist.
  2. Lobbyisten können aber akkreditiert werden, zumindest jene, die diese Aufgabe gewerbsmäßig übernehmen. Sie müssen mit Akkreditierung ihre Auftraggeber offenlegen. Wenn sie das nicht wollen, müssen sie sich ein anderes Geschäftsfeld oder -modell suchen.
  3. Die ‚Amateure‘ in diesem Fach (die nicht akkreditierten) müssen bei Aufdeckung ihrer Aktivitäten mit erheblichen Sanktionen rechnen, die dieses Geschäft für sie unattraktiv werden lässt.
  4. Die Abgeordneten, die Fraktionen oder die Exekutive haben das Recht und die Pflicht, von der Wissenschaft zu wichtigen politischen Fragestellungen neutrale Studien anzufordern, die dann auch der Allgemeinheit und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit ohne jede Einschränkung zur Verfügung stehen müssen. Da diese Studien dann im laufenden Wissenschaftsbetrieb der öffentlichen Kritik unterliegen, wird es nicht so einfach, einseitige Faktenlagen zu propagieren und aufrecht zu erhalten. Diese wissenschaftlich neutralen Ausarbeitungen werden auch dazu beitragen, die Meinungshoheit der Lobbyisten nachhaltig zu brechen.
  5. Der Staat kann seine ureigene Gesetzgebungskompetenz nicht an Einrichtungen abgeben, die keine neutralen Ergebnisse erwarten lassen. Das grenzt an Selbstzerstörung. Hier müssen innerhalb der Staatsapparates Kapazitäten (wieder-)aufgebaut werden, die dem Gebot der Neutralität und dem Gebot des Gemeinwohls verpflichtet sind und nicht irgendeinem Partikularinteresse.

Das wären kleine Schritte in die richtige Richtung. Man muss sie aber gehen wollen.

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Die Aufarbeitung des Cum-Ex-Betrugsfalles

Der Staatsanwalt ermittelt und Razzien finden in aller Stille statt. Es geht nach den vorliegenden Meldungen um eine Betrugssumme von bis zu 10 Milliarden Euro. Wie muss man sich einen solchen Betrug vorstellen? Bei der Summe meint man, müsste ein Betrug doch ziemlich schnell auffliegen. Aber es brauchte Jahre und eine lange Ermittlungszeit. Aber Schritt um Schritt:

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Dividenden erhält nur die Person, die zu einem Stichtag im Besitz der Aktie(n) ist. Da der Aktienmarkt elektronisch abläuft, kann es nun passieren, dass ausgerechnet am Stichtag mehr als eine Person als Aktionär angesehen werden kann. Um 9:00 Uhr ist es Herr A, um 12:00 Uhr Frau B und kurz vor Schließung der Börse wird das Paket weiterverkauft und Herr C ist um 17:45 Uhr der letzte Eigentümer an diesem Tag.

Was bedeutet das? Die ausschüttende Aktiengesellschaft hat den Ausschüttungsstichtag festgelegt und führt ordnungsgemäß die auf die Dividende entfallende Steuer an das Finanzamt ab. Damit keine Doppelbesteuerung der Dividende anfällt, erhält der ausländische Aktionär mit der Dividendenzahlung eine Steuerbescheinigung, die er in seiner Steuererklärung mit seiner Steuerlast verrechnen kann. Was ist aber, wenn nun drei unterschiedliche Personen (A, B und C) am Stichtag die Bedingung des Eigentums kurzfristig erfüllen? Da haben die Banken im Zweifel eben drei Bescheinigungen ausgestellt. Diese Vorgehensweise entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes und insbesondere ist der Fiskus massiv geschädigt: Einmal Steuereinnahme von der Aktiengesellschaft und in unserem Fall dann dreimal eine Bescheinigung zum Verrechnen der einmal gezahlten Steuer mit den persönlichen Steuern der ausländischen Personen A, B und C. Ausländer sind auch im Ausland ansässige Gesellschaften, bei denen alle Gesellschafter als deutsche Inländer anzusprechen sind.

Diese fragwürdige Praxis sollte nun dadurch legalisiert werden, dass das entsprechende Gesetz geändert wird. Hierzu haben die Banken über ihren Verband Kontakt mit der Legislative aufgenommen und haben nicht nur ihre konkreten Wünsche kundgetan, sondern auch noch gleich einen ehemaligen Richter mit Finanzmarkterfahrung dem Ministerium zur Unterstützung angeboten. Diese Unterstützung wurde dankend angenommen, weil der Herr sein Salär von den Bankverbänden erhielt, so dass das Ministerium keinen zusätzlichen Aufwand hatte. Der beigestellte Richter wurde auch gleich mit dem neuen Gesetzesentwurf befasst und hat dafür gesorgt, dass in den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes ein Passus übernommen wurde, der mit dem Wunschschreiben des Bankenverbandes wortgleich war. Der Passus besagt, dass es rechtens ist, wenn eine ausstellende Bank auch zwei Steuerbescheinigungen für den Stichtag ausstellt. Die Folge ist, dass die Banken ihre alte Praxis jetzt weiterführten und nur darauf zu achten hatten: nicht mehr als zwei Bescheinigungen für den gleichen Vorgang auszustellen. Diese Regelung legalisierte die Abschöpfung der Dividendensteuer im Verhältnis 2:1 (einmal Geldeingang und zweimal Verrechnung des Geldeingangs mit der Steuerlast Dritter). Auf diese Weise entstand ein Schaden für den Fiskus in der Größenordnung von Angabe gemäß 10 Milliarden Euro.

Inzwischen wird der Fall im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geprüft, wobei die bodenlose Leichtfertigkeit im Umgang mit unseren Gesetzen deutlich zu Tage trat. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen und der Staatsanwalt sucht nach Möglichkeiten, die Praxis der letzten Jahre justiziabel zu machen, um die zu viel verrechneten Steuerbeträge wieder zurückzufordern. Die Aussichten sind nicht allzu schlecht, weil es Kreise gegeben hat, die dieses als „Cum-Ex“ bezeichnete Verfahren systematisch als Geschäftsmodell zum Schaden des Fiskus angewendet haben. Man hat also nicht mehr zufällig oder fehlerhaft zu viel Bescheinigungen ausgestellt, sondern vorsätzlich dafür gesorgt, dass mehrere Bescheinigungen ausgestellt wurden.

Die Mehrzahl der Bürger findet kaum Informationen über diesen Vorfall – er ist auch nur dort relevant, wo große Summen bewegt werden. Die Höhe des Schadens ist bemerkenswert, denn im Zweifel zahlt der Steuerzahler diese Beträge, wenn die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft nicht erfolgreich sind.

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Gentechnik – aus einer längerfristigen Perspektive

In der New York Times International Weekly vom 18.11.2016 (SZ-Beilage) hat Danny Hakim zur Gentechnik ein paar Gedanken zusammengetragen, die es lohnen, sich damit auseinander zu setzen. Die englischsprachige Beilage wird vermutlich nur von wenigen gründlich gelesen und dabei wird manchem entgangen sein, dass unter dem Titel „Das nicht eingelöste Versprechen“ ein entlarvender Blick auf die Gentechnik geworfen wird.

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Europa hat sich der Gentechnik in der landwirtschaftlichen Produktion verweigert. Dabei waren die vielen öffentlichen Argumente gegen Gentechnik mehrheitlich auf die vermuteten gesundheitlichen Folgen gerichtet. Ein Nachweis der gesundheitlichen Schädigung durch Gentechnik konnte bis heute aber nicht eindeutig erbracht werden. Deshalb bezieht sich Danny Hakim auf einen etwa dreißigjährigen Betrachtungszeitraum und hat sich die Frage gestellt, ob die Versprechen, mit denen die Industrie genveränderte Pflanzen vor etwa dreißig Jahren eingeführt hat, je erfüllt wurden.

Was waren die Versprechen? „Das Versprechen der Technik zur genetischen Veränderung von Pflanzen war zweifach: Durch Immunisierung der Pflanzen gegen die Wirkungen der Unkrautvernichtungsmittel und die damit verbundene Widerstandsfähigkeit gegen vielfältigen Schädlingsbefall würden die Pflanzen so kräftig wachsen, dass sie zur Ernährung der Weltbevölkerung unverzichtbar wären, wobei auch die erforderliche Anwendung von versprühten Pestiziden zurückgehen würde.“

Es gibt den einmaligen Fall, dass die USA und Kanada die Gentechnik im Agrarsektor mit offenen Armen begrüßt und genutzt haben und dass sich Europa der Gentechnik widersetzte und diese im Agrarsektor grundsätzlich nicht zuließ. Durch diese Entwicklung gibt es eine Region (Europa), die gänzlich ohne Gentechnik in der Landwirtschaft auskommen musste und eine zweite Region, die die Gentechnik begrüßte und exzessiv anwendete – und das über dreißig Jahre. Das ist eine Fallstudienkonstellation, wie sie sich nur selten in der gewünschten Klarheit darbietet.

Was ist aufgrund der oben angeführten Versprechen zu erwarten?

  1. Amerika müsste aufgrund der Versprechen der Industrie einen deutlichen Vorsprung in der Ertragsfähigkeit pro Hektar gegenüber Europa erzielt haben. Eine solche Entwicklung ist aufgrund der langen Zeitreihe nicht nachweisbar. Die Ertragsfähigkeit pro Hektar ist in Amerika und Europa nicht signifikant unterscheidbar.
  2. Amerika müsste im Gebrauch von Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden pro Hektor deutlich günstiger liegen als Europa. Hier trifft das Gegenteil zu. Während es Europa innerhalb der letzten 30 Jahre gelingt, die Ausbringung dieser Gifte pro Hektar signifikant zu verringern, nimmt die Ausbringung in Amerika kräftig zu.

Das Ganze hat auch eine ökonomische Komponente. Genverändertes Saatgut ist patentiert und die Nutzung des Saatgutes ist mit einiger Sicherheit kostspieliger als natürliches Saatgut. Wie die Studie zeigt, sind aber die Erträge der genveränderten Saaten nicht signifikant besser als die der natürlichen Saaten.

Eine vergleichbare Betrachtung ist auch bei den Landwirtschaftsgiften zulässig. Offensichtlich müssen die amerikanischen Landwirte höhere Mengen dieser Gifte einsetzen. Es ist nicht zu erwarten, dass diese global angewendeten Gifte auf dem amerikanischen Kontinent wesentlich günstiger eingekauft werden können als jene in Europa. Diesen doppelten Wettbewerbsnachteil müssen die Landwirte in Amerika an ihre Kunden weitergeben oder die Einbußen als Folge der Entscheidung für die Verwendung genveränderter Saaten verbuchen.

Hakim hat Monsanto mit diesem Ergebnis konfrontiert. Monsanto hat natürlich die Datenbasis angegriffen und dann ausgeführt: „Jeder Farmer ist ein smarter Geschäftsmann und ein Farmer würde nicht bereit sein für eine Technologie zu bezahlen, wenn er glaubte, sie brächte ihm keinen wesentlichen Nutzen.“ Wenn die Farmer die Möglichkeit hätten, solche Vergleiche, wie hier durchgeführt, anzustellen, dann wäre diese Aussage ganz schnell ad absurdum geführt. Nur, Farmer denken selten global, weil ihre Fokus immer auf den lokalen Gegebenheiten basieren und solange sie die Zusatzkosten weiterbelasten können, werden sie auch nicht sonderlich nachdenklich.

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Bedingungsloses Grundeinkommen – eine Idee nimmt Fahrt auf

Die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen bekommt angesichts der Forderung nach noch mehr Digitalisierung Rückenwind. Endlich wird klar, dass mit der Digitalisierung Arbeitsplätze weggefallen sind und weiter wegfallen werden, die auch durch noch so große (Weiter-)Bildungsinitiativen nicht aufgefangen werden können. Das systematische Ziel der Automatisierung (die als wesentlichen Teil die Digitalisierung einschließt) ist nicht die Erleichterung vorhandener Arbeit, sondern das systematische Ziel der digitalen Automatisierung ist es, den Menschen im Arbeitsprozess weitgehend zu ersetzen.

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Da die Politik die Digitalisierung intensiv fördert, ist die unausweichliche Konsequenz, dass die Zahl der Menschen ohne adäquate Beschäftigung fortlaufend steigen wird. Die Politik zeigte sich von dem Ziel der Digitalisierung bis zur Wahl von Donald Trump begeistert. Die Wahl macht deutlich, dass die Machtbasis der demokratischen Parteien in ernster Gefahr ist. Man wird es nicht schaffen, mittelfristig 80 % der Bevölkerung von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abzuhängen, ohne dass sich die „Wut“ dieser 80% einen Weg bahnen wird. Eine Lösung des Problems wird vielfach und m.E. zu Recht in der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gesehen. Aber Vorsicht: Die Vertreter der Wirtschaft, die diese Form plötzlich aus dem Hut zaubern und schön reden, sind nicht  von einer sozialen Regung übermannt, sondern haben Sorge, dass mit jedem Bürger, der ins Prekariat geschickt wird, natürlich auch ein künftiger Konsument ausfällt. Und hier besteht die Möglichkeit, durch das Grundeinkommen eine Konsumwelle auszulösen. Ob sie sich nachhaltig gestalten lässt, ist nicht zu entscheiden.

Bevor wieder alle die kurzsichtigen Argumente auf den Tisch kommen, sind ein paar einfache Gedanken zu diesem Thema vielleicht hilfreich:

  1. Das Grundeinkommen erhält jeder Bürger des Landes. Aber nicht zusätzlich zu seinem Arbeitseinkommen, sondern unter Abzug von seinem Arbeitseinkommen. Die Unternehmen wissen, wer wieviel Grundeinkommen erhält (das ist ja für alle gleich), und werden alles unternehmen, dass diese öffentliche Einnahmequelle mit dem Arbeitseinkommen verrechnet wird. Wenn das geschehen sollte, dann ist das bedingungslose Grundeinkommen für die Unternehmen ein Konjunktur- und Kosteneinsparprogramm in einem finanziellen Umfang, den die Bundesrepublik seit ihrer Geburt noch nie gesehen hat. Die Personalkosten der Unternehmen werden in Höhe des verrechneten Grundeinkommens sinken und damit Kosteneinsparungen von gigantischer Höhe auslösen. Ob sich das dann in niedrigeren Preisen der Produkte oder in höheren Gewinnen der Unternehmen niederschlägt, ist heute nicht absehbar und eine Frage des dann geltenden Steuersystems.
  2. Unsere Sozialsysteme, die ganz wesentlich darauf aufbauen, dass Arbeitseinkommen entstehen, werden durch diese Neuausrichtung finanziell ausbluten. Den Sozialsystemen steht aber das System des bedingungslosen Grundeinkommens gegenüber. Die Sozialsysteme gehen also im Grundeinkommen auf, weil Hartz IV plus Grundeinkommen wohl nicht denkbar ist. Alle öffentlichen Sozialsysteme verschmelzen im Grundeinkommen, das jeder Mensch je nach Ausgestaltung des Systems mit Geburt oder mit der Volljährigkeit oder mit Erreichung des Rentenalters erhalten wird. Diese Sozialausgaben wird das Gemeinwesen also künftig „sparen“. Je länger wir das gegenwärtige öffentliche Sozialsystem aufrecht erhalten und je mehr wir feststellen müssen, dass immer mehr Menschen über ihre Arbeit ein nicht mehr ausreichendes Einkommen erzielen können, desto mehr nähert sich die Last der Sozialsysteme der Last an, die immer wieder mit der angeblichen Nichtfinanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommen verbunden wird. Die Last wird immer zu schultern sein. Die Frage ist nur, ob die Last über ein würdevolles gleichverteiltes Grundeinkommen geschultert wird oder ob die Politik immer mehr Leute in die würdelose Stigmatisierung als Sozialhilfeempfänger schicken will.
  3. Das Arbeitseinkommen war jahrzehntelang Grundlage unseres Bezugs zur Leistung und ist unverändert eine wesentliche Grundlage unseres Steuersystems. Mit der Einführung eines Grundeinkommens müssen wir eine veränderte Basis für das Steuersystem finden. Wir können auch erwarten, dass der Leistungsbezug für unser Selbstverständnis eine andere Dimension erhalten wird. Um in einem einfachen Bild zu bleiben: wenn immer mehr Roboter die Arbeit der Menschen übernehmen, werden wir unser Steuersystem möglicherweise an der Wertschöpfung dieser Roboter ausrichten müssen. Konkret: wir besteuern nicht mehr die Arbeitskraft der Menschen, sondern wir besteuern die Wertschöpfung der Roboter (der Maschinen), die die Arbeitskraft der Menschen ersetzen. Der Vorteil wäre, dass alle sozialen Überlegungen, die mit der Beschäftigung von Menschen entstehen, bei Maschinen entfallen können. Um noch einen Schritt weiter zu gehen, wäre nicht nur die Wertschöpfung der Maschine Grundlage der Besteuerung, sondern deren Energieverbrauch. Weniger Energieverbrauch, weniger Steuern. Da es ohne Energieverbrauch nicht geht, ist die Besteuerungsgrundlage grundsätzlich gesichert. Je mehr Menschen durch Maschinen ersetzt werden, umso größer wird das Steueraufkommen. Diese Steuerart wird vermutlich den Kosteneinsparungseffekt, den die Verrechnung des Grundeinkommens mit dem Arbeitseinkommen im ersten Schritt erzielt, auf lange Sicht wieder aufheben. Das Gemeinwesen ist darauf angewiesen, dass Steuereinnahmen fließen, sonst sind alle Überlegungen hinsichtlich der sogenannten abgehängten 80 % des Wahlvolks Makulatur.
  4. Wir sollten uns nichts vormachen: das bedingungslose Grundeinkommen wird die Arbeitswelt und die Gesellschaft grundlegend verändern. Beliebte und häufig verwendete subtile Sanktionsmechanismen der Wirtschaft werden plötzlich ins Leere laufen. Der Druck, den ein drohender sozialer Abstieg oder gar drohende Arbeitslosigkeit auf die Menschen auslöst, wird gemildert oder ganz entfallen. Arbeit kann repressionsfreier stattfinden und damit kreativer gestaltet werden. Der ökonomische Druck wird verringert. Es werden wichtige Wirtschaftsaufgaben aufgegriffen werden, die bisher an ihrer geringen Ertragsfähigkeit scheiterten. Eine Lebenspartnerschaft bzw. Eheleute werden über zwei Grundeinkommen verfügen können. Kinder werden kein finanzielles Risiko mehr darstellen, eher das Gegenteil. Es kann sein, dass die Fruchtbarkeitsrate schlagartig einen Wert erreicht, der mit der drohenden Überbevölkerung nicht zu vereinbaren sein wird. Frauen, die sich der Kindererziehung widmen, werden trotz allem über ein eigenes Einkommen und damit über eine eigene Altersversorgung verfügen. Die finanzielle Unabhängigkeit der Frau wird auch gesellschaftliche Veränderungen auslösen. Das Ehrenamt hat heute noch sozial einen hohen Stellenwert, weil die dort geleistet Arbeit zusätzlich und freiwillig geleistet wird. Im Falle eines allgemeinen Grundeinkommens wird im Grunde jeder Bürger ein Stück weit verpflichtet, sich ehrenamtlich für das Gemeinweisen i.w.S. zu engagieren. Hier kann eine gewisse, zumindest moralische Bringschuld eingefordert werden. Diese solidarische Haltung bringt wieder eine Idee in die Mitte der Gesellschaft, die mit dem Neoliberalismus vor etwa 30 Jahren systematisch Schritt um Schritt eliminiert wurde. Man kann hier aus allen Lebensbereichen Beispiele heranziehen. Die dargestellten sollen einen ersten Eindruck der möglichen Veränderungen vermitteln.

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Der Donald Trump – Effekt

Amerika hat gewählt und die Welt reibt sich die Augen. Eine seltsame Figur hat sich Amerika zum Präsidenten erwählt. Ist das nicht ein Anlass wert, zu versuchen den Vorgang in aller Kürze auf seine möglichen Gründe, Wirkungen und Parallelen zu analysieren.

Donald Trump ist Teil der Geldelite in den USA und ist dort fest verdrahtet und wird es auch weiterhin bleiben. Seine populistischen Aussagen sind skizzenhaft und niemand weiß, wie sie wirklich gemeint waren. Trump steht sicher nicht für soziale Gerechtigkeit, Trump steht eher für eine Haltung: Alles mir und den anderen möglichst wenig.

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Bei allem steht der Nutzen für ihn im Vordergrund. Damit bleibt er für die Eliten in jedem Fall akzeptabel, weil sie die gleiche Denke verfolgen. Trump hat den Mund populistisch weit aufgerissen und wird jetzt eine Lösung finden müssen, wie er aus der Falle der überdimensionierten Versprechungen herauskommt, ohne sein Gesicht zu verlieren. Er hat die Erwartungen zu erfüllen, etwas Neues zu kreieren, er steht dafür, dass es anders (und natürlich besser) gehen soll bzw. muss.

Hillary Clinton ist ebenfalls ein eingebetteter Teil der Geldelite in den USA. Ihr Credo “ Strong together“ war wenig glaubwürdig und ist gegenüber dem „Yes, we can“ ihres Vorgängers nur ein müder Abklatsch. Frau Clinton stand für das „Weiter so“, bloß keine Fragen stellen und damit hat sie die in Sorge um ihren Status ringende Mittelschicht nicht mehr erreicht. Sie hat die „Ängste“ in der Bevölkerung nie aufgreifen können – möglicherweise sind sie ihr auch emotional nicht zugänglich, weil sie in anderen Sphären lebt und denkt.

Bei früheren Wahlen ging die Mehrheit der Unterschicht in den USA ähnlich wie in Europa gar nicht zur Wahl. Dann taucht plötzlich in den USA der Populist Trump auf und gibt dieser wahltechnisch verlorenen Schicht eine Stimme und holt sie aus ihrer Lethargie. Plötzlich gehen mehr zur Wahl als je zuvor und es gehen neue Schichten zur Wahl und folgen natürlich ihrem Wortführer Donald Trump.

Es ist das gleiche Phänomen, das wir auch in Europa beobachten können. Auch hier haben die Regierungen einen Teil des Wahlvolks „abgeschrieben“ und als lethargisches Häuflein den Verlierern zugeschrieben. Nehmen Sie Deutschland: wir sind stolz, wenn wir deutlich mehr als 50 % Wahlbeteiligung erreichen. Die restlichen mindestens 40% schlummern wahltechnisch vor sind hin – bis Populisten, die sonst keinerlei Chance hätten, sich dieser verlorenen Häuflein annehmen, ihnen eine emotional treffende Stimme leihen und sie damit bewegen, zur Wahl zu gehen. Sie mobilisieren nicht alle, aber doch einen für die Wahlen ausschlaggebenden Anteil und sind plötzlich politisch an einem Punkt, den wir alle nicht für möglich gehalten haben – weil die Politik bzw. die Parteien mehrheitlich der Auffassung waren, diese unbeachtlich schweigende Mehrheit wird auch weiter schweigen. Dabei wird derjenige, der Ohren hat, zu hören, feststellen, dass es in diesen Schichten wild grummelt und sich die angestaute Wut in Reaktionen Luft verschafft, die wir dann als Einzelsachverhalte oder gar Entgleisungen deklarieren und unsere Polizei losschicken, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Wir haben nicht nur Flüchtlinge, wir haben auch ein hausgemachtes richtiges soziales Problem. Das sind alle jene, die von dem „Schneller, Höher, Weiter“ unserer wirtschaftsbezogenen Politik keinen Beitrag erhalten und auch nie eine Chance dazu bekommen werden. Es sind u.a. jene, die wir mit der Agenda 2010 als Minijobber und Solo-Unternehmer erst in das Prekariat geschickt haben, um sie dann in 10 – 20 Jahren in die Altersarmut zu entlassen. Unsere Gesellschaft hat zudem seit den 90iger Jahren auf die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt noch immer keine sinnvolle Antwort gefunden. Wir stellen noch nicht einmal die richtigen Fragen, um das Problem überhaupt angehen zu können. Und die Parteien samt ihren Vertretern haben es bisher nicht begriffen, dass sich da ein Reservoir von frustrierten und teilweise wütenden inaktiven Wählern ansammelt, das nur darauf wartet, von einem „geschickten“ (demagogischen) Populist aktiviert und mobilisiert zu werden. Noch ist Zeit, aber die Uhr tickt. Und wie uns Donald Trump lehrt, braucht es dafür nicht allzu viel durchdachte Strategie – es geht weitgehend über den angemessenen Einsatz von ziemlich platten Emotionen.

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Götterdämmerung

Die SZ hat diesen Begriff im Zusammenhang mit der Deutschen Bank verwendet – aber ist dieses Phänomen nur auf die Deutsche Bank zu beschränken?

Die Götterdämmerung beschreibt den unausweichlichen Niedergang eines bestehenden Göttergeschlechtes. Diesem Geschlecht sind nach dem Mytos andere Geschlechter vorausgegangen und es werden neue Geschlechter folgen. So die Sichtweise der alten Germanen. Das einzige, was besteht, ist die Welt, die von den Göttergeschlechtern mehr schlecht als recht verwaltet wird. „Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen.“

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Diese realistische Welterkenntnis unserer Altvorderen steht im krassen Gegensatz zu unserem gegenwärtigen Mythos, der die Ewigkeit herausfordert und durch einen unbegründbaren und sinnleeren Optimismus getragen wird.

Könnte es nicht sein, dass im übertragenen Sinne die „Götterdämmerung“ unseres gegenwärtigen Göttergeschlechtes, das sich zusammensetzt aus den Göttern Kapital, Zins, Wachstum, Wettbewerb und Globalisierung, mit der letzten Schlacht der ‚Diener des Geldes‘ spätestens im Jahre 2008 eingesetzt hat? Die Schlacht wurde nie entschieden, sie wurde schlicht durch das Brauen einer Unmenge von berauschendem Met (durch das Schuldenmachen) bis auf Sankt Nimmerlein vertagt. Man wollte die Entscheidung nicht; sie hätte sicherlich ein zumindest begrenztes Chaos ausgelöst, und sich für dieses Chaos zu entscheiden, hatten die kleingläubigen ‚Götter der Politik‘ nicht den Mut gehabt, wie Joschka Fischer in einem Beitrag der SZ zugegeben hat. Also hält die ‚Schlacht‘ unverändert an, in der Hoffnung, dass der ‚Gott der Zeit‘ irgendwie und irgendwann eine Lösung bereithalt.

Die erste Erwartung, die die kleinen Götter der Politik mit dem Metbrauen verbanden, war eine Stärkung des Wachstumsgottes. Letzterer aber verweigert den Met, er war ihm als Nahrung zu dünn. Zudem meldeten sich die ‚Götter des Zinseszins‘ und beschwerten sich, dass die Berauschung keine Wirkung mehr zeige. Der Alkoholgehalt des Mets war stark gesunken und bewegte sich auf dem Niveau des Wassers.

Das Zwergengeschlecht der reichen Alerichs, die das große Geld vertreten, trat vor die Götter und führte Beschwerde: Die Zinseszinsmaschine käme ins Stottern. Mangels anständiger Prozente aus der Zinseszinsmaschine drohe die Gefahr, dass den Alerichs ihr Vermögen verloren gehe und eine Verpflichtung zur Arbeit drohe und das wäre doch nicht zumutbar. Diesem Ansinnen halten die Götter entgegen, dass die Schlacht noch tobe und der Zeitgewinn laufend solche Mengen Met verschlinge, dass man froh sein müsse, dass der Met so niederprozentig ist. Sonst müsse die Quelle ganz schnell versiegen oder versiegelt werden – und die Schlacht wäre dann ja plötzlich zugunsten des begrenzten Chaos entschieden – und das wolle doch keiner, oder? Deshalb müssen wir uns weiter mit  schlechtem, niedrigprozentigem Met begnügen! Ob diese Haltung das Geschlecht der Alerichs zufriedenstellen wird? Jeden Tag verlieren sie sicheres Geld und müssen dafür volatile, unsichere Märkte aufsuchen, um durch waghalsige Transaktionen Zusatzgewinne zu suchen, um die sicheren Zinsverluste auszugleichen.

Die Götter müssen weiter feststellen, dass ihnen durch die Entscheidung, Met bis zum Umfallen zu brauen, die Qualität des Handwerkszeugs verdorben wurde. Die Rückkehr zu etwas hochprozentigerem Met haben sie sich verbaut, weil dann die Wertlosigkeit des schon gebrauten Gesöffs schlagartig offen zu Tage treten würde, bzw. die göttliche Metproduktion so viel Leerkapazität aufweisen würde, dass der politische Teil des Götterhimmels sofort sich selbst als illiquide aus dem Verkehr ziehen  müsste. Wenn jetzt noch die Metpreise absehbar inflationär durch die Decke gehen, haben die Götter keine Möglichkeit hochprozentig dagegen zu halten. Sie stecken in einer Zins-Falle und können nun ihre höchst persönliche Götterdämmerung einleiten.

Leider sagt der germanische Mythos nichts über jenes Geschlecht aus, das auf die Götterdämmerung folgen wird. Das wäre doch wirklich interessant, wenn man eine solche nicht alltägliche Götterdämmerung zu beobachten sich in der Lage wähnt.

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Was ist bloß los mit der Ökonomie?

Catherine Hoffmanns Artikel (SZ, 14.10.2016) bietet wenig Ansatz zur Kritik. Er bewegt sich strikt auf theoretisch–vergleichender Ebene, in dem sie die verschiedenen Theorieansätze gegeneinanderstellt, ohne ihre Umsetzungschancen so  recht zu gewichten. Das eigentliche, aber nicht angesprochene Problem ist doch die Tatsache, dass das kleine schwache Pflänzchen der Heterodoxie gegen den Mainstream der gegenwärtigen Ökonomie nicht ‚anstinken‘ noch politischen Einfluss gewinnen kann.

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Es gilt in der Ökonomie schon lange nicht mehr das bessere Argument, sondern die höhere Medienpräsenz. Es ist nachvollziehbar, dass dauernde Kritik auch den verbohrtesten Mainstream-Ökonomen irgendwann berührt, aber falsche (oder zumindest unvollständige) Theorien sterben immer erst mit ihren Protagonisten. Und diese Protagonisten haben sich gegenwärtig durch ihren gewaltigen Einfluss auf die herrschenden Ökonomieverhältnisse weitgehend gegen jegliche Einwände immun gemacht.

Hinzu kommt, dass die Institutionen und deren Vertreter, die die Ökonomie heute im Alltag konkret umsetzen, noch von einem Lehrbuchwissen vor etwa 20-30 Jahren leben, gepaart mit den einprägsamen, aber weitgehend falschen Versprechungen des Neoliberalismus, die ihnen jeden Tag durch zahllose Lobbyeinrichtungen auf ihrem jeweiligen Handlungsumfeld ins Ohr geflüstert werden. Es ist anzunehmen, dass eine Mehrheit dieser Ökonomen den Stand der Ökonomie repräsentiert, den sie mit Ende ihres Studiums zur Kenntnis genommen hatte. Für eine andere Sichtweise ist in den gewinnorientierten Gehirnen kein Platz mehr, denn ihre Zeit der Aufnahmefähigkeit von neuer Erkenntnis haben sie gedanklich abgeschlossen. Aber nicht, weil sie ‚verblödet‘ wären, sondern weil das Umfeld, indem sie zwischenzeitlich tätig sind, solche grundsätzlichen Gedanken zeitlich nicht mehr zulässt bzw. sogar mit Karriererücksetzungen bedroht.

Wenden Sie doch bitte einmal das wesentliche Grundprinzip der kapitalistischen Ökonomie auf die Teilnehmer des Ökonomie-Spiels selber an: Der orthodoxe Ökonom muss feststellen, er vertritt möglicherweise eine falsche Theorie, aber erstens stimmt seine persönliche „Kasse“ und zweitens vertrauen die Leute ihm unverändert. Was ist sein Risiko, diese Position zu verschlechtern? Dass morgen jemand auftaucht und strikt nachweisen kann, dass das, was er und andere vorgeben zu wissen, auf Annahmen beruht, die nicht zielführend oder möglicherwiese sogar falsch sind? Das ist höchst unwahrscheinlich. Und dann bleibt immer noch die Möglichkeit einer langatmigen Rückwärtsverteidigung (siehe den Fall Piketty und die Reaktionen des Mainstream), für die aber keiner Interesse zeigen wird, weil sie auf einem fachlich zu hohen Niveau stattfindet. Das sind dann die einsamen Rufer in der Wüste.

Die wichtige Frage, ob diese Einstellung ethisch richtig und/oder gesellschaftlich-wissenschaftlich vertretbar ist, dem Gedanken einer offenen Gesellschaft entspricht , kennt der Ökonom als solcher nicht, weil die Ökonomie zu dieser Fragestellung keine Aussagen trifft. Man sagt auch, sie sei (zumindest auf diesem Auge) blind.

Das einzige, was der Mainstream fürchten muss, sind Wirtschaftskrisen, die wie die Finanzkrise 2008 gnadenlos deutlich machen, dass die wissenschaftliche Ökonomie bis auf wenige Ausnahmen schlichtweg versagt hat. Aber auch das ist vom Risikogesichtspunkt her zu ertragen, weil sich die „Schande“ auf viele Schultern verteilt und damit nicht so weh tut. Leider zieht die Gesellschaft daraus regelmäßig keine Konsequenzen, um diese Ökonomen dahin zu schubsen, wo sie kein Unheil mehr anrichten können. Stattdessen ducken sich die Herren für ein paar Monate, tauchen dann auf wie Phönix aus der Asche, schütteln sich kurz und dürfen weitermachen, als ob nichts geschehen wäre (siehe Banken, Gutachter u.ä.).

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