Die Ziele des Neoliberalismus lasst sich auf drei Worte verdichten: Privatisierung, Steuersenkung und Sozialabbau. Die Privatisierung wurde unter dem ersten Teil der Reihe behandelt. Hier wollen wir uns mit dem Begriff der Steuersenkung oder Steuerentlastung beschäftigen, um herauszufinden, was damit gemeint sein könnte.
» weiterlesen
Die Vertreter des Neoliberalismus streben danach, den Staat und hier insbesondere die öffentlichen Dienstleistungen als überflüssig oder gar schädlich zu diskreditieren. Das hängt wieder eng mit dem Bestreben zusammen, Privatisierungen durchzusetzen, wo kein Bürger eine solche wünscht oder erwartet. Je „schlanker“ die öffentliche Hand durch wegfallende Einnahmen wird, desto leichter lassen sich Vertreter der öffentlichen Hand ‚überreden‘ oder zwingen, Gemeineigentum zu privatisieren.
Die öffentliche Hand hat sich in den letzten Jahren damit beholfen, fehlende Einnahmen aufgrund von Steuerentlastungen durch vermehrte Schuldenaufnahme zu kompensieren. Dieses Vorgehen wurde natürlich von den Vertretern des Neoliberalismus durchschaut und versucht zu unterbinden. Es wurde deshalb schnell ein Gesetz geschmiedet, das unter dem Namen ‚Schuldenbremse‘ bekannt geworden ist. Sie werden erkennen: man versucht die Einnahmenseite durch Steuersenkungen zu kürzen und man verbaut den öffentlichen Händen den zweifelhaften Ausweg in den Finanzmarkt, indem man eine gesetzliche Schuldenbremse einführt. Das Ergebnis kann man sich leicht vorstellen: Die Finanzen der öffentlichen Hand geraten zwischen alle Mühlsteine mit der Folge eines steten Abbaus von Personal- und Sachkosten. Der Service der öffentlichen Hand wird schlechter. Die Bürger ärgern sich darüber und müssen zudem feststellen: es gibt riesige Reparaturstaus im Bereich der Infrastruktur (verkommene Schulgebäude, Brückenreparaturen, katastrophale Straßenzustände, Netzprobleme u.a.m.).
Dabei ist Geld vorhanden. Nahezu jeden Tag hören wir, wie erfreulich sich die Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte entwickeln. Aber die Politik bekommt die Gelder nicht dahin, wo es brennt. Die Politik hat durch die anhaltende ‚Sparpolitik‘ die Verwaltungen der öffentlichen Hände systematisch personell ausbluten lassen, um die Handlungsfähigkeit der Verwaltungen zu erschweren. Und sie schafft damit sogenannte ‚Sachzwänge‘ im Rahmen des Reparatur- und Investitionsstaus, um dann – berühmt berüchtigt –‚alternativlos‘(!), die notwendigen Maßnahmen zu privatisieren.
Diese Zusammenhänge lassen sich auch anders interpretieren: Die Schuldenbremse trifft nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch die Vermögenden in diesem Lande. Wenn die öffentliche Hand Schulden macht, wer sind dann die Gläubiger? Das sind i.d.R. die Vermögenden, die ein ausgeprägtes Interesse daran haben, auf dem Finanzmarkt eine sichere und einfache Anlage in Form von öffentlichen Anleihen vorzufinden. In Zeiten sehr niedriger Zinsen ist das zwar nicht sehr attraktiv, aber die Zeiten werden sich ändern.
Erst beschließen wir Steuersenkungen (weniger Einnahmen der öffentlichen Hand), deren Löwenanteil den Vermögenden zugutekommt. Dann muss die öffentliche Hand zur Deckung ihrer Ausgaben vermehrt Schulden machen. Die öffentlichen Anleihen sind dann wieder eine sichere zinstragende Geldanlage der Vermögenden. So wird bei dem Geschäft auf beiden Seiten zu Lasten des Gemeinwesens verdient.
Die Schuldenbremse schränkt die öffentliche Hand ein; vorausgesetzt, das Gesetz wurde besser konzipiert als das Gesetz zur Mietpreisbremse. Wenn nun die öffentliche Hand feststellt, dass im Rahmen einer Konjunkturflaute die Einnahmen rückläufig wären, so ist ja nicht ausgeschlossen, dass sich der Gesetzgeber all der Wohltaten für die Vermögenden (Schlupflöcher, Vergünstigungen u.ä.) erinnert und jetzt, da die Verschuldung weitgehend ausgeschöpft ist, daran geht, eine Wohltat nach der anderen dem Prinzip der Gleichbehandlung opfert und Schritt für Schritt die Vergünstigungen und Schlupflöcher einkassiert. Klingt gut – aber das ist eine Rechnung ohne die finanziellen Eliten!
Steuersenkungen sollen die öffentliche Hand zur Effizienz ‚erziehen‘, so die Idee des Neoliberalismus. Dabei wird der Effizienzbegriff auf das begrenzt, was über Geld bewertet werden kann. Geld ist die Denomination für Kosten und ‚Effizienz‘ wird ganz einfach auf ‚Sparen‘ reduziert. Der Nutzen, den eine Ausgabe gewöhnlich schafft, fällt in der Diskussion komplett unter den Tisch.
Steuersenkung ist ein einfaches Mittel, um bei Wahlen die Aufmerksamkeit der Wählerschaft zu erregen. Die Forderung nach Steuersenkung vermittelt dem unbedarften Wähler in erster Linie den Eindruck, dass seine Steuerlast deutlich verringert wird, wenn er die ‚richtige‘ Entscheidung bei der Wahl trifft. Es wird deshalb von den Benutzern dieses Arguments eine Steuer-„Reform“ angestrebt. Die meisten Menschen verbinden mit einer Steuerreform primär eine Herabsetzung ihrer Einkommensteuer. Andere Steuerarten sind für das Gros der Steuerpflichtigen ohne Bedeutung, weil diese anderen Steuerarten im Wesentlichen dort zur Anwendung kommen, wo es nach Vermögen riecht – also bei den – sagen wir – zehn Prozent Mitbürger am oberen Ende der Einkommenspyramide. In der Presse werden aber die politisch versprochenen Steuersenkungen als „große Steuerreform“ intensiv beworben und dargestellt, wobei meistens das statistisch ermittelte Durchschnittseinkommen (rd. 33.400 Euro p.a. brutto in 2016) die Grundlage der Darstellungen ist. Für dieses Einkommen werden dann i.d.R. zwischen 300 bis 400 Euro p.a. künftige Steuereinsparung ausgelobt (ca. 1%) und als großer Erfolg der Politik dargestellt.
Was diese Rechnungen regelmäßig nicht darstellen, ist die Tatsache, dass Vermögende (der Begriff „Reiche“ geht mir nur schwer über die Zunge) einen Großteil ihres jährlichen Vermögenszuwachses (entspricht einem erweiterten Einkommensbegriff) gar nicht über die Steuerkategorie ‚Einkommen‘, sondern über die steuerliche Einkommenskategorie ‚private Kapitalerträge‘ erzielen. Und Kapitalerträge werden seit mehr als einem Jahrzehnt nur noch pauschal mit fünfundzwanzig Prozent zzgl. Soli besteuert. Jede legale Möglichkeit der Umwidmung des Vermögenszuwachses auf die Kategorie Kapitalerträge führt also zu einer Steuerersparnis von bis zu 20 Prozentpunkten bei den Begünstigten, wenn man sonst im Spitzensteuersatz 45 Prozent abzuführen hätte. Diese Darstellung dient der Bewertung des Angebots der üblichen Steuerersparnis von rd. 1 Prozent (man nennt so etwas auch die Brosamen vom Tisch des Herrn). Das ist ein ‚Almosen‘ im Vergleich zu den üblichen Steuerspareffekten, die im Umfeld der Vermögenden regelmäßig im Rahmen einer solchen „Reform“ von der Öffentlichkeit unentdeckt gehandelt werden. Wenn Sie also wieder einmal von den Parteien auf eine Steuerentlastung angesprochen werden, lassen Sie sich auch die in der geplanten Steuerreform intendierten Steuerentlastungen für die Vermögenden vorrechnen, damit Sie merken, wann Sie wie (wieder mal) mit Almosen abgespeist werden.
» weniger zeigen