Die Begründungen für ein bedingungsloses Grundeinkommen sind bei beiden Beiträgen mehr oder weniger gleich. Deutliche Unterschiede zeigen sich erst, wenn es dazu kommt, auch das zugrundeliegende Steuersystem (u.a. also die Finanzierung des Grundeinkommens) radikal zu verändern. Es bleiben auch naturgemäß technische Fragen offen, die im Folgenden teilweise aufgegriffen werden. Das bedingungslose Grundeinkommen existiert bisher nur in Umrissen, für die Mehrzahl der Details existiert noch kein allgemeiner Konsens.
Strukturmerkmale des Grundeinkommens
Das Grundeinkommen wird als bedingungslos beschrieben. Jeder hat Anspruch auf das Grundeinkommen. Was heißt jeder? Diese Abgrenzung wird schwierig: jeder deutsche Bürger, jeder Einwohner? Wie lösen wir die Abgrenzung, um zu vermeiden, dass wir einen Zulauf auslösen, der das Projekt konterkarieren würde.
Über die Höhe des Grundeinkommens gibt es erste Ansätze. Ich bin der Meinung, dass hier keine Zahlen genannt werden sollten, weil sich noch so viel verändern kann, dass die Höhe erst dann bestimmt werden wird, wenn die konkreten Rahmenbedingungen geklärt sind. Eine qualitative Aussage sollte möglich sein: das Grundeinkommen muss so bemessen sein, dass es kein Almosen darstellt, man davon leben kann und eine moderate Teilhabe am kulturellen Leben ermöglicht. Die Höhe des Grundeinkommens ist auch von den jeweiligen Auswirkungen des dann anzuwendenden Steuersystems abhängig (hierzu weiter unten).
Das Verhältnis von Grundeinkommen und Arbeitseinkommen muss geklärt werden. Da das Grundeinkommen bedingungslos jedem zusteht, muss bestimmt werden, wie die Unternehmen sich verhalten sollen oder dürfen. Man kann der Auffassung sein, dass künftig das Grundeinkommen und das Arbeitseinkommen saldiert werden. Der Arbeitgeber zieht das Grundeinkommen vom Arbeitseinkommen ab und zahlt nur die Spitze aus. Die Alternative wäre Grundeinkommen und Arbeitseinkommen unabhängig voneinander zu sehen. Beide Vorgehensweisen kann man begründen. Die Frage bleibt, was sind die Auswirkungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft?
Wenn das Grundeinkommen und das Arbeitseinkommen saldiert werden, hätte das eine enorme Kosteneinsparung für die Wirtschaft zur Folge. Das wäre ein klarer Wettbewerbsvorteil, wenn diese Saldierung in den Wettbewerbsindustrien sonst nicht wahrgenommen wird. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung mit dem erwarteten Abbau von Arbeitsplätzen ist das aber nicht zielführend. Es hält den Abbau vielleicht temporär auf, hat aber am Ende keinen erkennbarden Nutzen.
Wenn das Grundeinkommen unabhängig vom Arbeitseinkommen ausbezahlt wird (d.h. der Arbeitsgeber darf aufgrund klarer Gesetze nicht saldieren), dann wirkt das Grundeinkommen sich in voller Höhe auf die inländische Kaufkraft aus. Das wäre das primäre Ziel des Grundeinkommens, denn der Abbau von Arbeitsplätzen im Rahmen der Digitalisierung schafft einerseits persönliche Probleme, andererseits wird durch den Kaufkraftverlust der nicht mehr Beschäftigten die Wirtschaft in ernste Bedrängnis gebracht. Das Grundeinkommen kann hier Kaufkraft schaffen und dadurch den möglichen Absturz abfedern. Die vom Arbeitseinkommen unabhängige Gewährung eines Grundeinkommens erscheint damit als die vernünftigere Lösung.
Welchen Umfang hat das Grundeinkommen? Nach allgemeinem Verständnis steht das Grundeinkommen netto abzüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zur Verfügung. Diese Beträge sind auf der Grundlage des Grundeinkommens bemessen und werden von jedem Grundeinkommensbezieher gleichermaßen durch die öffentliche Hand abgeführt. Dadurch wird der anzuwendende Beitragssatz sinken, weil sich die Basis der Einzahler deutlich vergrößern wird. Da jeder ein Grundeinkommen bezieht, ist auch die bisher übliche Familienversicherung überflüssig. Das Arbeitseinkommen wird mit dem gleichen Prozentsatz zur Krankenversicherung belegt und wird vom Arbeitgeber mitfinanziert und wie bisher abgeführt. Wem diese Form der Versicherung nicht ausreicht, kann frei entscheiden, ob er sich privat höher versichern möchte. Das Entgelt für die Höherversicherung trägt der Arbeitnehmer.
Es ist nachvollziehbar, dass das Grundeinkommen alle Sozialabgaben außer der Kranken – und Pflegeversicherung ersetzt. D.h. die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung fallen künftig weg und werden durch das Grundeinkommen ersetzt. Wem das Grundeinkommen als Altersversorgung oder als Arbeitslosenversicherung zu gering erscheint, kann auf eigene Kosten eine private Zusatzversicherung abschließen. Es bleibt dann noch die Steuerbelastung der Arbeitnehmer. Diese soll nach den diversen Vorstellungen der Befürworter eines Grundeinkommens durch eine radikale Änderung der Besteuerungsgrundlage ebenfalls wegfallen (hierzu weiter unten), weil eine Besteuerung der Arbeit mittelfristig nicht mehr sinnvoll ist.
Aspekte einer radikalen Steuerreform
Die mit der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens (bGE) geplante Steuerreform sieht vor, dass alle heute bekannten Steuern abgeschafft werden bis auf eine Steuerart, die man ganz allgemein als Umsatzsteuer bezeichnen könnte. Dabei bleibt die Frage, auf welche Transaktionen die Steuer zugreift:
- Eine Umsatzsteuer kann auf den Konsum zugreifen, ähnlich der gegenwärtigen Mehrwertsteuer. Die gesamte Last der Steuer liegt damit auf dem Teil der Wirtschaft, den man Realwirtschaft nennt. Die Finanzwirtschaft wird nicht besteuert.
- Alternativ kann man auch auf Transaktionen der Finanzwirtschaft zugreifen und damit die Realwirtschaft von der Steuerlast vollkommen freihalten. Auch dieses Prinzip ist schon lange in der Diskussion (die sogenannte Tobin-Steuer). Ihre Einführung scheitert an der Lobby der Finanzwirtschaft. Ein Zugriff auf finanzwirtschaftliche Transaktionen greift erheblich in die deregulierte Finanzwirtschaft ein und würde die schlimmsten Exzesse dieses Marktes verhindern oder zumindest eindämmen.
Konsumsteuer
Die Abschaffung aller Steuerarten (ca. 44 verschiedene Steuern) bis auf eine Konsumsteuer führt dazu, dass die Steuer extrem hoch anzusetzen sein wird. Wenn die Mehrwertsteuer heute neunzehn Prozent beträgt, so ist eine Konsumsteuer, die auf den Warenwert aufgeschlagen wird, in der geschätzten Größenordnung von fünfzig und mehr Prozent anzusiedeln. Bei vierzig Prozentpunkten mehr (einer Steigerung der Konsumsteuer von neunzehn auf neunundfünfzig Prozent) entspricht das eine Preisniveauveränderung von fast 34% auf einen Zeitpunkt. Der Grund liegt darin, dass die gesamten Ausgaben unseres Staates samt Investitionen, Erhaltungsaufwand der Infrastruktur und der Schuldendienst aus den Einnahmen dieser einen Steuer gedeckt werden müssen. Als Folge werden erhebliche Preissteigerungen durch die Konsumsteuer ausgelöst. Das war vor etwa fünfzig Jahren der Grund, warum Milton Friedman, ein Neoliberaler durch und durch, dem amerikanischen Repräsentantenhaus vorschlug, in den USA ein Grundeinkommen einzuführen. Dieser Vorschlag wurde aufgegriffen und erst in der letzten Instanz, im Senat, abgelehnt. Die künftigen Preissteigerungen, die durch den Steuer-Umbau ausgelöst werden, machen es auch unsinnig, unter heutigen Bedingungen eine voraussichtliche Höhe des Grundeinkommens ernsthaft zu diskutieren.
Unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Verteilung von Nutzen und Lasten hat diese Steuer erhebliche Nachteile. Wer füttert diese Steuer? Schwerpunktmäßig alle Konsumenten, die eine hohe Konsumquote (Konsumanteil am verfügbaren Einkommen) aufweisen. Das ist in erster Linie die untere Hälfte der Einkommenspyramide. D.h. den gesamten Staatsaufbau bezahlen im Wesentlichen jene Bürger, die eine hohe Konsumquote aufweisen, also der ärmere Teil der Bürger. Die Vermögenden, die eine vernachlässigbar geringe Konsumquote aufweisen, können sich dabei ihrer finanziellen Mitverantwortung auf ganz einfache Weise entziehen.
Finanztransaktionssteuer (FTS)
Die Tobin-Steuer als eine Form der FTS geht von einem Steuersatz von deutlich unter einem Zehntel Prozent aus. Bei der Tobin-Steuer ist aber nicht vorgesehen, alle anderen Steuern einzustampfen. Also wird die FTS etwas höher ausfallen müssen, wenn sie, wie oben angeführt, allein alle Ausgaben zum Staatsaufbau tragen soll. Wichtig ist zu verstehen, dass die FTS sich auf die Besteuerung der Finanzwirtschaft beschränkt und in der Realwirtschaft keine unmittelbaren Steuern anfallen werden.
Die FTS greift ausschließlich bei den Banken und vergleichbaren Instituten an, in der Erwartung, dass diese die Wirtschaft i.w.S. (Realwirtschaft und Finanzwirtschaft) mit Finanzmitteln versorgt. Die FTS bezieht sich ausschließlich auf Auszahlungen der Banken und Institute. Sie unterliegen der FTS. Einzahlungen sind steuerfrei, weil einer Einzahlung i.d.R. eine Auszahlung beim Schuldner vorausgeht. Alle Auszahlungen der Institute, egal ob für Konsumzwecke, für Investitionen oder auch nur wegen Vermögensumschichtungen lösen FTS aus. Bargeld, das im Nichtbankensektor verfügbar ist, ist nicht kontrollierbar und spielt größenordnungsmäßig keine wesentliche Rolle. Termingeschäfte und Spekulation werden dann besteuert, wenn die dafür benötigten Mittel von der Bank ausbezahlt werden. Dividenden, Gewinne müssen die Institute gegebenenfalls ausbezahlen und sie unterliegen ab diesem Moment der FTS. Selbst Mafiageld muss hin und wieder transferiert werden. Jede Transferauszahlung, auch von Konto zu Konto innerhalb des gleichen Hauses, löst FTS aus.
Der Leser merkt, dass die Bankinstitute hier eine große Rolle spielen, indem sie die FTS einbehalten und abführen müssen. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der FTS. Eine richtige und angemessene Steuerermittlung lässt sich anhand der Verkehrszahlen der Bankinstitute leicht feststellen und ist jederzeit überprüf- und abstimmbar.
Unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Verteilung von Nutzen und Kosten macht deutlich, dass hier eine ganz andere Klientel zur Kasse gebeten wird. Es sind nicht mehr die konsumierenden Habenichtse, die den Staat finanzieren, sondern diese Steuer wird im Wesentlichen durch die Transaktionen der Vermögenden finanziert.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der besondere Charakter der Finanzindustrie. Konsum ist räumlich definiert. Das Feld der Finanzindustrie ist deutlich virtueller und damit räumlich schwer einzugrenzen. Wenn hier Belastungen auftreten, könnte es sein, dass das nationale Volumen der Transaktionen rückläufig wird, weil die Konzerne sich dorthin bewegen, wo sie der Belastung entgehen können. Als Folge ist es bei der FTS umso wichtiger, international eine Übereinkunft zu treffen, die bei der Konsumsteuer nicht so ins Gewicht fallen würde.
Es wäre nun interessant und m.E. auch ohne großen Einsatz möglich, das Euro-Volumen der Auszahlungen im Bankensektor pro Jahr festzustellen. Darüber gibt es mit Sicherheit statistisches Zahlenmaterial. Es ließe sich dann relativ einfach abschätzen, welcher Steuersatz der FTS erforderlich ist, um die öffentlichen Haushalte (auch unter Berücksichtigung eines bGE) mit ausreichenden Mitteln zu versorgen. Eine einfache Division der erforderlichen Haushaltsmittel durch das Volumen der Transaktionen im Bankensektor (meinetwegen plus einem moderaten Sicherheitsaufschlag) führt direkt zu einem für jeden Bürger nachvollziehbaren Steuersatz. Ich vermute (kann mich aber täuschen), dieser Satz liegt unter zwei Prozent – also bei einem Steuersatz, der gemessen an dem Aufwand und der Fehlerquote des gegenwärtigen Steuersystems vielen wie ein ‚Crowdfunding‘ erscheinen mag. Das hat den Vorteil, dass die Steuer deshalb leichter umsetzbar ist.
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