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Globaliserung II – weitere Aspekte

Wir sind gewohnt und durch die Mainstream-Medien immer wieder aufgefordert, die Globalplayers durch deren eigene Brille zu sehen. Globalplayer haben deshalb einen großen Einfluss, weil für sie nicht das zählt, was für die Gesellschaft von Bedeutung sein könnte, sondern die Globalplayer begründen ihre gesellschaftliche Stellung ausschließlich auf der Grundlage des akkumulierten Kapitals, das sie repräsentieren und aus ihrem oft beherrschenden Einfluss auf die Märkte.

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Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, ob diese Sicht der Zusammenhänge nicht wesentliche Sachverhalte ausblendet, die für das gedeihliche und auch wirtschaftliche Miteinander der Bürger von großer Bedeutung sind. Es muss doch noch andere Ansätze geben, diese globalen Wirtschaftsaktivitäten zu bewerten.

Thomas Beschorner und Martin Kolmar, beide von der Universität St. Gallen, haben in der Wochenzeitschrift ‚Die Zeit`‘ vom 23.12.2015, (S. 39) vier grundlegende Hinweise für die Ökonomie und die Wirtschaftswissenschaften zusammengetragen (ohne besonderen Bezug auf Globalplayer):
„Es gilt, (erstens), über den Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft nachzudenken, der eben nicht auf das Prinzip der Gewinnmaximierung reduziert ist. …
Es sind, (zweitens), Kriterien für erfolgreiche Unternehmen zu entwickeln, die den positiven Beitrag für die Gesellschaft nicht nur monetär (über den Gewinn) messen. Auch soziale und ökologische Folgen kann man heute oft bestimmen.
Moralische Verantwortung (setzt), (drittens), auch Freiheit voraus. Es reicht innerhalb von Unternehmen beispielsweise nicht aus, lediglich einen Katalog von Verhaltensrichtlichtlinien zu verfassen. „Dienst nach (moralischer) Vorschrift ist das Gegenteil ethischer Reflexion.“ …
Moral (muss), (viertens), in der Ökonomie überhaupt gedacht werden können, weshalb die Wirtschaftswissenschaften ihre Verhaltensannahmen nun dringend erweitern müssen.“

Diesen und ähnlichen Fragen haben sich die Globalplayer und ihre Akteure wahrscheinlich noch nie gestellt. Auch unsere Politiker müssten angesichts dieser einfachen oder grundlegenden Hinweise in Aufruhr geraten. Das ist im Grunde ökonomische ‚Ketzerei‘ in Potenz.

Der Globalplayer – und nicht nur er – lebt ganz natürlich in der Vorstellung, dass die Gesellschaft dazu da ist, die Erwartungen (der Konzerne) hinsichtlich ihrer Kapitalakkumulation zu unterstützen und das die anderen gesellschaftlichen Kräfte dabei ihre eigenen Nutzenüberlegungen im Hinblick auf Sicherheit, Lebensgestaltung, Gesundheit, Anerkennung, Muße, u.v.a.m. zugunsten des heute noch geltenden Unternehmensverständnisses ganz selbstverständlich zurückzustehen haben. Allein ein Infrage stellen der postulierten Gewinnmaximierung erschüttert doch das kapitalistische Weltbild in seinen Grundfesten. Es gibt tatsächlich ernstzunehmende Versuche, darzustellen, dass alles Streben unterhalb der Gewinnmaximierung angeblich den Tod des (kapitalistischen) Wirtschaftens darstellt. Dabei übersieht diese Ideologie, dass es in der wirtschaftlichen Realität zahllose Unternehmen gibt, denen dieser Gesichtspunkt in seiner Überspitzung als Ziel ihres wirtschaftlichen Handelns völlig gleichgültig ist. Deshalb sind sie aber noch lange nicht auf der „Verliererstraße“. Ihre Visionen konzentrieren sich auf Produkte, Technologien und Märkte. Dabei stellt der Gewinn nur eine notwendige Nebenbedingung dar.

Allein die Auffassung, dass es die ketzerische Frage nach dem „Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft“ gibt, müsste den Verzweiflungsschrei der neoliberalen Ökonomievertreter unüberhörbar erschallen lassen. Als Antwort wird regelmäßig die alte Leier bemüht, dass Unternehmen doch Arbeitsplätze und Wachstum bereitstellen und dass dieser ‚erlauchte‘ Kreis (die sogenannte „Elite“) am besten gar nicht zur Rechtfertigung ihres Tuns aufgefordert werden darf. Sie könnten ja die Lust verlieren und ins Ausland abwandern – so die gängigen ‚Sprüche‘ der Lobbyisten und ihrer Mitstreiter in den Wirtschaftsredaktionen unserer Mainstream-Presse. Dabei vergessen diese Stimmen gerne, dass das Klima für Unternehmen in Deutschland gegenwärtig so angenehm gestaltet ist, das der Aufwand einer Verlagerung der unternehmerischen Aktivitäten ins Ausland die kleinen zu ertragenden Unbotmäßigkeiten, die diese Fragestellung auslösen, in keiner Weise aufwiegen würden.

Lassen sie uns den Gedanken vom Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft ein Stück weiterspinnen. Unternehmen haben aus einer gesellschaftlichen Perspektive eine Outputseite (die Versorgungsfunktion mit Gütern und Dienstleistungen i.w.S.) und eine Inputseite, die mit der Bereitstellung von Arbeitsplätzen beschrieben werden kann. Man merkt schnell, dass wir damit nur das erfassen, was man gemeinhin als ‚Realwirtschaft‘ bezeichnet. Wenn man auf der Ebene der Globalplayer bleibt, so wird schrittweise deutlich, dass diese Teile der Globalplayer, soweit sie produzieren, wohl fraglos Teil der Realwirtschaft sind. Das Kennzeichen eines Globalplayers zeichnet sich aber i.d.R. nicht dadurch aus, dass er realwirtschaftliche Aktivitäten aufweist, sondern das er Holdingstrukturen unterhält, die er auf seine realwirtschaftlichen Aktivitäten aufpfropft, mit dem Ziel, sein Unternehmenskonglomerat kontrollieren zu können. Im Rahmen seiner Holdingstrukturen bewegt sich der Globalplayer nicht mehr in der Realwirtschaft, sondern auf der Ebene des Finanzmarktes, weil in Holdingstrukturen Produktion, Arbeitsplätze, die konkrete Ressourcenlage keine entscheidungsrelevante Rolle spielen. Das einzige Produkt der Holdingstrukturen ist die Dienstleistung der Verwaltung der Beteiligung, die dafür sorgen muss, dass die realwirtschaftlichen Einheiten des Konzerns ‚reibungslos‘ laufen und insbesondere Profit abwerfen. Wenn im Rahmen der Holdingperspektive sich ein realwirtschaftlicher Teil nicht so rechnet, wie die Holdingstrategie es erwartet, wird die Beteiligung abgestoßen. Darauf hat die realwirtschaftliche Einheit selbst keinen oder kaum Einfluss. Sie wird einfach weitergereicht, äußerst selten verselbständigt. Für eine unternehmerische Eigenständigkeit würde es diesen Einheiten auch regelmäßig an Kompetenz fehlen, weil, wie noch darzustellen ist, die ehemalige Konzerneinheit wesentliche Erfolgsfaktoren des Unternehmens an die Konzernspitze abgeben musste und deshalb auf diesen Feldern jede Expertise verloren hat.

Wenn wir wieder zurückkommen zu der Frage vom „Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft“, so kann man feststellen, dass ein realwirtschaftlich tätiges Unternehmen wohl i.w.S. und nach geltender kapitalistischer Sichtweise durch den Versorungsgesichtspunkt einen prinzipiell erkennbaren Nutzen für die Gesellschaft bereitstellen kann. Die Frage wird aber kritischer, wenn wir die Holdingstrukturen eines Globalplayers ins Auge fassen. Wo könnte in diesen Strukturen ein Nutzen für die Gesellschaft liegen? Holdingstrukturen sind aufgepfropft und bringen nicht eine zusätzliche Produktions- oder Dienstleistungseinheit im realwirtschaftlichen Sektor hervor. Sicherlich sind in geringem Maße zusätzliche Arbeitsplätze zu erwarten, die aber im Verhältnis zum Personalbestand des Globalplayers keinerlei Relevanz besitzen.

Was sind Holdingstrukturen? Es sind i.d.R. jene eher kleinen, aber feinen Entscheidungszentren, in denen der Konzern in seiner Gesamtheit gesteuert wird. Es geht auf dieser Ebene nicht um Produkte, Märkte, Konsumenten und Lieferanten, und wenn ja, nur auf höchst abstrakter Ebene – sondern es geht um die Frage, wie das vorhandene Portfolio von realwirtschaftlichen Unternehmen den maximalen Profit für den Konzern erzielen kann. Hier ist die Gewinnmaximierungsforderung zu Hause, viel weniger in der Realwirtschaft. Es geht also ausschließlich um Rentabilität und um das Problem, die Vielzahl von Beteiligungen unter einem Hut zu halten und nach dem Willen der Konzernspitze auszurichten. Dabei wird mit Vorliebe der „goldene Zügel“ eingerichtet. Das generelle Machtinstrumentarium einer Konzernspitze ist gewöhnlich recht begrenzt: man ist auf Informationen aus den Unternehmen angewiesen, man kann auch nicht alles kontrollieren (das wird zu teuer), also hat man sich oft dazu entschieden, im Rahmen des goldenen Zügels alle Gewinne und alle temporären Liquiditätsüberschüsse aufwändig an der Konzernspitze zu zentralisieren.

Man ‚kastriert‘ auf diese Weise die realwirtschaftlichen Unternehmen, indem man das Geld an der Konzernspitze zentralisiert und für die Konzernunternehmen möglichst knappe Budgets bereitstellt. Den Unternehmen fehlt damit eine wesentliche Handlungsgröße, die eine Eigenständigkeit zum Ausdruck bringen könnte – jede noch so kleine Investition, jede Geschäftsausweitung führt das Unternehmen an die Grenze des von der Spitze zugelassenen Liquiditätsbedarfs und schränkt dessen unternehmerisches Handeln ein. Diese unternehmerischen Zusammenhänge werden nicht im realwirtschaftlichen Unternehmen ganzheitlich beurteilt und entschieden, sondern im Konzert mit allen Investitions- und Finanzmittelbedarfsanträgen aller Konzernunternehmen auf der Ebene der Konzernspitze bewertet und entschieden. Die Finanzmittel gehen dann nur dorthin, wo die Konzernspitze sich den höchsten „Return“ errechnet oder vorstellen kann. Der Rest findet keine Unterstützung. Es kann sehr gut sein, dass dieses Verhalten zu drastischen Fehlallokationen von Investitionskapital führt, weil jede der investitionswilligen Einheiten ihre Aussichten für ihr Investitionsvorhaben in einem unrealistisch strahlenden Glanze darstellen muss, um die notwendige Aufmerksamkeit der Konzernspitze zu erregen. Das Verfahren schafft keine wirtschaftlich realistischen Ansätze, sondern es ist ein Windhundrennen um die besten Plätze.

Nicht die reale Investition (mit ihrer Bedeutung für Markt und Produktion) steht im Vordergrund, es geht ausschließlich um das Verfahren und seine ‚bürokratischen‘ Erfordernisse, um in der Masse der Anträge erfolgreich zu sein. Mit anderen Worten, ob bei diesen Strukturen realistische und gute Entscheidungen fallen, die sich an der Notwendigkeit des realwirtschaftlichen Unternehmens orientieren, erscheint zumindest fraglich.

Wenn wir oben festgestellt haben, dass realwirtschaftliche Unternehmen einen gewissen Nutzen für die Gesellschaft erbringen können, so wird der Nutzenbeitrag von Unternehmen im Rahmen eines Globalplayers doch deutlich schwächer. Erstens verursacht der Wasserkopf der Holdingstruktur Kosten, ohne dass dadurch sichergestellt werden kann, dass deshalb auch mehr oder besserer Output zu erwarten wäre und zweitens sichert die Entscheidungsstruktur in keiner Weise, dass über den goldenen Zügel die konkreten Bedürfnisse der Konzernunternehmen ausreichend Berücksichtigung finden. Die finanzwirtschaftlichen Perspektiven des Konzerns stehen mit den produktionsbezogenen Perspektiven der Konzernunternehmen viel zu oft im Konflikt.

Wieviel Konzernunternehmen bluten aus, weil Druck auf den Ertrag mit Kostensparprogrammen aufgebaut wird, die liquiden Mittel abgezogen und stark beschränkt werden und die Investitionen mittelfristig auf ein Minimum zurückgefahren werden. Die Unternehmen werden eben nicht individuell geführt. Stattdessen werden über eine einseitige Strategie der Renditemaximierung Auflagen erteilt, die einen kreativen Unternehmer zur Verzweiflung treiben, aber dem Diktat der Macht und der Rentabilität entsprechen. Oft sind dann auch die sogenannten ‚Unternehmer‘ in den Konzernunter-nehmen eher als ‚Verwaltungsbeamte‘ denn als Unternehmer anzusprechen. Ich kann dabei kaum noch Unterschiede zwischen einem Prozess der öffentlichen Verwaltung (die ja aus neoliberaler Sicht als Inbegriff der Bürokratie gehandelt wird) und der Verwaltung eines Globalplayers erkennen. Aber der Umfang der Bürokratie einer öffentlichen Hand ist verglichen mit der eines Globalplayers ein David gegen einen Goliath.

Wir sehen schon an diesen wenigen skizzenhaften Überlegungen, dass die Frage nach dem „Zweck eines Unternehmens für die Gesellschaft“ hochinteressant ist und dass wir hierfür noch keine erschöpfende und oder gar praktikable Antwort gefunden haben.

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Neoliberalismus ist nicht liberal

Nikolaus Piper hat in der Süddeutschen Zeitung vom 5./6.12.2015 unter dem Titel „Ich bin so frei“ seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass er offensichtlich (öfter als ihm lieb ist) als neoliberal tituliert wird. Und das findet er ungerecht und führt in dem Zeitungsartikel aus, warum er eine seiner Meinung wirtschaftsliberale Haltung vertritt.

Leserbrief an die SZ:

Sehr geehrter Herr Piper,
ich nehme für mich in Anspruch, eine liberale Einstellung zu besitzen, gerade weil ich mit einigen Ihrer Feststellungen überhaupt nichts anfangen kann.

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Nehmen wir die liberale Sicht: hier scheint unsere Sozialisation aufgrund der vergleichbaren Altersgruppe ähnlich verlaufen zu sein, nur dass ich Ihnen mit Ihrer Sicht auf Friederich von Hajek nicht folgen kann. Zum politischen Liberalismus als liberale, offene, tolerante und demokratische Haltung ein uneingeschränktes ‚Ja‘, aber der ökonomische Liberalismus ist für mich nur unter dem notwendigen Primat der Politik denkbar, und ist m.E. immer nur als eine ständige Auseinandersetzung zwischen der Ansprüchen des ‚Einzelnen‘ und den Erfordernissen der ‚Gesellschaft‘ denkbar. Letztere bezeichnen Sie wohl als ‚Kollektiv‘, ein Begriff, der mir nicht über die Lippen geht.

Wir leben nicht einzeln, und wir können auch als Einzelne keine wirtschaftlich relevanten Aktivitäten entwickeln, also hat die Gesellschaft eine große Bedeutung für unsern Wohlstand und unser Wohlbefinden. Das Modell, das den ökonomisch Handelnden, den Einzelnen, in der Ökonomie beschreibt – der homo oeconomicus – ist ein schwerkranker Autist und sollte nicht dazu verwendet werden, ökonomisches Verhalten von Menschen als reale Wesen zu beschreiben. Mit diesem kranken Typen kann ich mir auch keine ‚Gesellschaft‘ vorstellen. Dazu braucht es ein Bild des Menschen, das komplexer und vielschichtiger gedacht werden kann.

Ihre Ansicht zur Überhöhung (man könnte auch sagen: Vergottung) der Marktfunktion kann ich nicht teilen. Klar ist, der Markt hat, an der richtigen Stelle eingesetzt, Vorteile, die man nutzen muss. Aber eine ‚marktkonforme Gesellschaft‘ ist das Ende jeder Demokratie und ich würde Freiheit immer mit Demokratie verbinden wollen und keinesfalls mit Markt. Der Markt ist nach Karl Polanyi (1944) ein blinder, tumber Mechanismus, den wir (be)nutzen und nicht mehr. Wenn er die Herrschaft übernimmt oder übertragen bekommt, hat die menschliche Gesellschaft die demokratische Gestaltung ihrer Lebensumstände aufgegeben. Ich glaube deshalb nicht, dass die Kritik am Neoliberalismus automatisch eine Ablehnung der liberalen Gesellschaftsordnung und ihrer Freiheiten darstellt, nur weil ich die Pervertierung des Liberalismus im Neoliberalismus ablehne.

Neoliberalismus baut, nach William Davis (LSE, 2014), seinen Gedanken von Gesellschaft auf Wettbewerb und gezielter Ungleichheit als bestimmende Prinzipien auf. Der mit dem Neoliberalismus einhergehende, ergänzende Versuch der allgemeinen Kommerzialisierung aller Lebensvorgänge führt in die Irre. Glauben Sie wirklich, dass sich 2.500 Jahre philosophisches Bemühen um den Aufbau einer Ethik für den Menschen einfach durch simplen Wettbewerb, haarsträubende Ungleichheit und flächendeckende Kommerzialisierung ersetzen lassen? Und das soll dann die Projektion des Wohlstands der Menschen bedeuten? Als Folge genießt dann 1 % ihre uneingeschränkte Freiheit auf Kosten von 99 %, die jene Freiheiten erwirtschaften dürfen. Diese Auffassung der Dinge ist keinesfalls ‚kollektivistisch‘, sie ist schlicht humanistisch. Diese Sicht schert auch nicht alle über den gleichen Kamm, weil niemand erwartet, dass Ungleichheit auszurotten ist, aber die Ungleichheit als eine gesellschaftsbildende Kraft hinzustellen, ist schon unverfroren – und widerspricht wesentlichen Erkenntnissen aus der Sozialwissenschaft.

Wettbewerb hat ohne Frage seine Vorteile. Von Hayek ist aber den Nachweis seiner Aussage schuldig geblieben, dass Wettbewerb das ‚effizienteste Mittel zur Motivation‘ sei. Die Aussage stimmt einfach nicht in ihrer Ausschließlichkeit. Wettbewerb wird heute eher als Herrschaftsinstrument denn als Motivator gebraucht, weil man erkannt hat, dass nicht unterdrückt, sondern das hohe Gut der Freiheit benutzt werden kann, um Menschen abhängig zu machen.

Im Gegensatz zum Wettbewerb leistet Kooperation viel höhere Beiträge. Haben Sie schon mal an (nichtöffentlichen) Gesprächen unter Unternehmern teilgenommen? Wenn die Damen und Herren ein wenig Vertrauen gefasst haben, geht es in den Gesprächen nicht darum, wie können wir den wechselseitigen Wettbewerb erhöhen, sondern es geht sehr schnell darum, wie können wir kooperieren, mit dem intendierten Ziel, den Markt und den Wettbewerb insoweit auszuschließen? Warum versuchen Unternehmen Märkte zu verlassen oder durch massive Einflussnahme über Lobbyismus zu verändern, wenn sich herausstellt, dass der tendenziell vollkommene Markt des Lehrbuchs die Renditeerwartungen nicht erfüllt?

Was machen Sie, wenn Sie feststellen müssen, dass die eigentlichen Protagonisten des Marktes das ihnen lehrbuchmäßig zugedachte Verhalten nicht an den Tag legen, sondern lieber in Märkten agieren, in denen primär ihre Macht und ihr Geld die Strukturen bestimmen und nicht Angebot und Nachfrage?

Ich lehne den Neoliberalismus ab, weil er die gegenwärtige Gesellschaft Stück für Stück durch deren Kommerzialisierung zerstört und schrittweise die Voraussetzungen für eine zu tiefst inhumane Gesellschaft schafft. Das kann nicht meine Vision sein.
MfG

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Globalisierung – mal aus einer anderen Perspektive

Themen zur Globalisierung sind nahezu täglich in den Wirtschaftsmedien. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass die Globalisierung für uns Menschen oder Bürger eine immense Bedeutung hat. Aber stimmt das wirklich? Fühlen Sie sich in ihrem täglichen Leben von Fragestellungen der Globalisierung berührt? Die meisten Zeitgenossen werden mir zustimmen können, wenn ich darauf einfach und schlicht mit „Nein“ antworte. Wie erklärt sich das?

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Die Globalisierung ist ein Begriff, der von den Großkonzernen – den Globalplayers – geprägt wurde. Sie haben damit ihre Interessen zu einem (Kampf-)Begriff gebündelt. Globalisierung reduziert sich ja nicht auf internationalen Freihandel, sondern Globalisierung ist eine neoliberale Strategie, die viel weitergehend darauf hinausläuft, die Individualitäten der vielen Teilmärkte der Welt und ihre Art, Geschäft zu betreiben, global zu standardisieren, weil die jeweiligen Eigenheiten der Teil-Märkte dem Durchmarsch des globalen Rentabilitätsdenken der Globalplayer im Wege stehen.

Die Globalplayer stehen aufgrund ihrer Größe und dem Zwang zum Durchsatz großer Mengen in den klassisch nationalen Märkten mit dem Rücken an der Wand. Denn die bestehenden Teil-Märkte sind zu klein und der Aufwand, sich als Großorganisation auf diese Märkte einzustellen, um erfolgreich zu agieren, ist aus ihrer Sicht so erheblich, dass sie keine Kosten und Mühen scheuen, diese ihre einseitige Sichtweise uns Bürgern über die Medien nahezu täglich als einzig und ‚alternativlos‘ mit großem publizistischen Aufwand zu verkaufen.

Es entspricht also nicht den Tatsachen, dass diese Teil-Märkte unrentabel, schlecht organisiert oder unangemessene Zugangsbarrieren aufgebaut hätten, es ist schlicht die Unfähigkeit und der Unwille der Globalplayer aufgrund ihrer Größe und ihrer Strukturen, sich auf solche Märkte einzustellen. Als  der Markt noch als eine wirtschaftspolitische Größe verstanden wurde, die gewissermaßen autonom den Marktteilnehmern ihre Aufgaben zuweisen sollte, machte der Markt die ‚Ansage‘, der die Teilnehmer zu folgen hatten. Heute erwarten die Globalplayers, den Markt in ihrem Interesse so gestalten zu können, dass ihre strukturellen Bedürfnisse befriedigt werden. Wenn ein ‚autonomer‘ Markt die Chancen für alle unter hoffentlich nachvollziehbaren Regeln verteilt, so wollen die Globalplayer einen ‚Markt‘ schaffen, der in erster Linie ihren Bedürfnissen entspricht und der Rest der Welt darf diesen Vorstellungen freundlicherweise beitreten, sofern der Rest die Regeln beachtet, die von den Globalplayers ohne jede Legitimation für die Allgemeinheit (und damit für die Mehrheit) gesetzt werden.

Wenn wir, die Vielen, der Meinung sind, dass uns die Globalisierung eigentlich nicht sonderlich interessiert, so ist doch die Frage berechtigt, ob das Interesse der vielen Nicht-Globalisierer mit dem Interesse der Globalplayer übereinstimmt oder, sagen wir, vereinbar ist bzw. ob das Handeln der Globalplayer überhaupt in unserem Sinne sein kann?
Als Beispiel können wir die EU nehmen: Ähnlich wie der Globus aus der Sicht der Globalplayer ist die EU inzwischen zu einem zwar kleineren, aber vergleichbaren Wirtschaftsraum geworden. Auch dieser Markt wurde strukturiert, in dem man u.a. Handelsklassen für alle wesentlichen Güter eingeführt hat, die u.a. zur Folge haben, dass die Erzeuger der landwirtschaftlichen Waren bis zu 30 % ihrer Ernte aussortieren (und letztlich als nicht verkäuflich vernichten müssen), weil die Optik und Größe dieser Ware den willkürlich definierten Handelsklassen nicht entsprechen. Die EU hat es nicht fertig gebracht, einen Zweitmarkt (mit lokaler oder regionaler Bedeutung) zu installieren oder offiziell zu zulassen, auf dem Waren angeboten werden können, die durch die künstlich herbeigführten „Ritzen“ der Handelsklassen fallen. Die Waren sind ja trotzdem vollwertige Lebensmittel. Der Grund liegt darin, dass der Großhandel vermutlich den Wettbewerb dieser Waren fürchtet und die EU es in Kauf nimmt, dass wir eine unglaubliche Verschwendungsmaschinerie errichtet haben.

Mit anderen Worten: Die Globalplayer nutzen ihren (finanziellen) Einfluss, um analog zum oben genannten Beispiel die globalen Märkte zu ihrem Nutzen strukturieren zu können. Auch da wird es zahllose Waren, vor allem von Kleinerzeugern, geben, die den angedachten globalen Standards nicht entsprechen und dann zum Handel und damit auch zur Versorgung der Bevölkerung nicht zugelassen werden. Dabei verweisen die Globalplayers und ihre Lobbyisten immer wieder darauf, dass uns nur die Globalisierung Wohlstand bringen kann und winken verheißungsvoll mit Wachstum und Arbeitsplätzen – beides Zauberworte, bei denen Politiker i.d.R. vor Entzücken die Augen verdrehen und in intellektuelle Schockstarre verfallen.

Eine ganze Reihe von Untersuchungen zu den Auswirkungen des gegenwärtig im Geheimen noch auszuhandelnden TTIP und Ceta, (die vergleichbare Marktstruktur-Ziele wie Handelsklassen im Auge haben, die aber wesentlich komplizierter und umfassender in den Markt und in die nationale Wirtschaftspolitik eingreifen werden) zeigen, dass der zu erwartende Effekt auf Wachstum und Beschäftigung als äußerst gering eingeschätzt wird.

Damit stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wer sind eigentlich die sogenannten Globalplayer und fußt ihre Legitimation zum Handeln auf mehr als auf Geld und Macht? Es gibt keine eindeutige Bestimmung, keine Listen, aus denen hervorgehen könnte, wer dazuzählt. Es gibt jedoch Untersuchungen, die zu der Erkenntnis kommen, dass die globale Wirtschaft im Eigentum von etwa 100 -110 Personen oder Familien steht. Dann kann man als grobe Schätzung davon ausgehen, dass etwa 200 Konzerne weltweit unter die Bezeichnung ‚Globalplayer‘ fallen könnte und diese Bezeichnung auch ihr globales Betätigungsfeld angemessen beschreibt. Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Unternehmen, die sich mit der Bezeichnung ‚Globalplayer‘ schmücken, dabei aber den Mund etwas zu voll nehmen. Von diesen 200 Unternehmen entfallen auf Deutschland als wichtige Wirtschaftsnation geschätzte 10 – 15 Groß-Konzerne.

Diese Zahlen, die sicherlich eine hohe Unsicherheit enthalten, zeigen aber in etwa, welche (im Grunde geringe) Bedeutung diese Konzerngruppen am deutschen Beschäftigungsmarkt haben. Es gibt Zahlen, nach denen etwa 10 % der Beschäftigen auf die Globalplayer entfallen und dann folglich 90 % der Beschäftigten auf Unternehmen entfallen, deren Umsatz und wirtschaftlicher Einfluss weit unterhalb dieses exklusiven Unternehmenskreises der Globalplayer angesiedelt sind. Für die Bürger ist aber das Wohlergehen jener 90 % der Unternehmen ganz entscheidend für ihre persönliche Einkommenssituation. Auch wenn den vorgelegten Zahlen eine große Unsicherheit eigen ist, macht doch diese Darstellung deutlich, dass sich die Größe dieser Gruppe, gemessen an den Beschäftigungszahlen, auf den nationalen Gesamtmarkt sich irgendwo bei 10% einpendelt und trotz der relativ geringen Bedeutung sollen sich 90% der Wirtschaftseinheiten den Wünschen und einseitigen Strukturvorschlägen dieser Konzerne beugen? Wedelt hier nicht aus der Sicht des betroffenen Bürgers ‚der Schwanz mit dem Hund‘?

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Aus den Publikationen (Fortsetzung)

Nicht unterdrücken, abhängig machen
„Byung-Chul Han (hat hierzu) noch einen ergänzenden Punkt: „Macht und Herrschaft funktionieren heute anders als früher. Der Neoliberalismus formt aus dem unterdrückten Arbeiter einen freien Unternehmer, einen Unternehmer seiner selbst. Jeder ist heute ein selbstausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmers. Jeder ist Knecht und Herr in einer Person. (…)

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Ihre besondere Effizienz rührt daher, dass (die Machttechnik des Neoliberalismus) nicht durch Verbot und Entzug, sondern durch Gefallen und Erfüllen wirkt. Statt Menschen (durch Drohung) gefügig zu machen, versucht sie (über Geld und Schulden –V.F.) abhängig zu machen. Diese Machttechnik ist deshalb so schwer anzugreifen, weil sie von der Freiheit Gebrauch macht, statt sie zu unterdrücken. (…) Die Unterdrückung der Freiheit provoziert schnell Widerstand. Die Ausbeutung der Freiheit dagegen nicht.“ (Neoliberalismus, S. 84)

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Sind wir richtig gepolt?
Es gibt die Aussage: „Ein rechter homo sapiens (…) ist ein Kapitalist westlicher Prägung: Jede seiner Handlungen ist eine Investition – seine Freundschaft, seine Liebe, seine Freundlichkeit. Und das einzige was zählt, sind Zinsen, Rendite und Profit.“ (…)

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„Ich habe den Eindruck, (die Aussage) beschreibt das Grundgefühl recht treffend. Oder darf ich es etwas freundlicher sagen: Eure wahren Bedürfnisse werden von den künstlich geschaffenen der Wirtschaft zugedeckt. Die Wirtschaft und ihr Verständnis von Leben sind inzwischen so allgegenwärtig, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, ihr wisst gar nicht mehr, was eure wirklichen Bedürfnisse sind.“ (Neoliberalismus, S. 92)

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Unternehmensbewertung reloaded

Die Unternehmensbewertung hat durch den Ansatz des “Shareholder’s Value“ als Dreh- und Angelpunkt der einseitig kapitalbezogenen Sichtweise des Neoliberalismus auf das Kapital, verbunden mit einem Verständnis von Unternehmen als eine handelbare Ware (Commoditiy), eine unglaubliche Renaissance erfahren. Parallel wird aber deutlich, dass die Versuche, die Folgen der Finanzkrise aufzufangen, zu einem Kapitalangebot geführt haben, das die Zinsen gegen Null sinken lassen. Das hat ganz konkrete Auswirkungen:

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1. Das Kalkül und seine Folgen
Die finanzmathematische Formel für die gegenwärtig gültige Form der Unternehmensbewertung kann unter der Annahme, dass N gegen Unendlich strebt, auf die mathematische Kurzformel:

„(nachhaltiger Ertrag eines Unternehmens) / (langfristig gültiger Zinssatz)  = Unternehmenswert“

gebracht werden. Dabei reduziert sich die Zahl der Variablen auf den Unternehmensertrag (vor oder nach Finanzierung, vor und nach Steuern) und einen sogenannt „marktbestimmten“ langfristigen Zinssatz (vor und nach Steuern). Marktbestimmt soll hierbei den Eindruck vermitteln, dass diese Variable der Willkür der Beteiligten entzogen ist, vergleichbar mit einer Naturkonstante in der Physik.
Nun müssen wir aber feststellen, dass sich seit mindestens 10 Jahren Schritt für Schritt eine Zinssituation einstellt hat, die in der überschaubaren Vergangenheit nicht vorstellbar war. Da im Kapitalismus das Kapital grundsätzlich als knapp angesehen wird, war es nicht vorstellbar, dass dieser Zustand einmal zu Ende gehen könnte und der Markt politisch gewollt mit so viel Kapital überschwemmt wird, dass der aktuelle Zins gegen Null tendiert. Da dieser Zustand auch noch einige Jahre anhalten dürfte, weil die Politik sich wegen der hohen Verschuldung keine steigenden Zinsen leisten kann, wird auch der langfristige Zins der Unternehmensbewertung davon tangiert. Er sinkt seit Jahren – mit der Folge, dass mit der oben angeführten Formel die errechneten Unternehmenswerte steigen, ohne dass sich an der Unternehmenssubstanz etwas ändert. Wenn der langfristige Zins dann einmal gegen Null tendiert, wachsen die errechneten Unternehmenswerte über alle Grenzen. Welch‘ ein ökonomischer Unsinn!
Was sind die Gründe für eine solche Entwicklung der Unternehmenswerte? Wir müssen feststellen, dass die Politik ein Verfahren ausgesetzt hat, das dem Kapitalismus systemeigen ist: Wenn Schulden nicht mehr bezahlt werden können, dann fällt die Forderung aus. Die Dynamik des Kapitalismus lebt mit davon, dass Forderungsausfälle, die dem System inhärent sind, zu Schuldschnitten führen. Diese konstituierende ‚Verfahrensweise‘ des Kapitalismus haben Europa und die USA ausgesetzt und damit eine Geldschwemme ausgelöst, weil der regulierende Teil zur Liquidität (der allfällige Schuldenschnitt) aufgehoben wurde. Mit anderen Worten: Wäre die Politik dem Pfad der kapitalistisch-ökonomischen ‚Tugend‘ gefolgt und hätte uneinbringliche Forderung (natürlich unter konjunkturellen ‚Schmerzen‘) abgeschrieben, wäre das Kapital unverändert knapp und damit wäre ein Zins fällig, der auch dem früherer Dekaden vergleichbar wäre – und damit wäre auch zu erwarten, dass das Unternehmensbewertungs-Kalkül Zahlen liefert, die man nicht von vornherein als völlig ‚übertrieben‘ oder ‚aus dem Ruder gelaufen‘ disqualifizieren müsste.
Es ist nicht zu erwarten, dass die Politik die Geldschwemme eindämmt, weil dann das Ausmaß der wirtschaftlichen Krise von 2008 für jedermann offensichtlich würde. Die Schulden, die die Staaten aufgehäuft haben, um die Banken auf Kosten des Steuerzahlers zu retten, würden bei steigenden Zinsen die öffentlichen Haushalte explodieren lassen. Die Resorption der Wirtschaftskrise von 2008 würde schlagartig rückgängig gemacht und der konjunkturelle Fall ins Bodenlose wäre nicht ausgeschlossen.
Was bedeutet das für die Unternehmensbewertung? Das Unternehmensbewertungs-Kalkül führt nur dann zu hinreichend erklärbaren Ergebnissen, wenn unterstellt werden kann, dass der Zins  über den Markt nicht manipulierbar sei. Nun ist der aktuelle Zins politisch hochgradig manipuliert, also ist einem wesentlichen Teil des Kalküls die Grundlage entzogen. Die Ergebnisse der Unternehmensbewertung der nächsten Jahre sind also nicht mehr markttechnisch, sondern nur noch als Folge der Beredsamkeit und Argumentationskunst der Gutachter erklärbar. Von offizieller Seite wird uns vermittelt, dass Inflation kein Thema sei, eher scheinen wir mit der Frage der Deflation zu kämpfen – aber die strikte Anwendung des Unternehmensbewertungskalküls unter der Bedingung sinkender Zinsen wird die Unternehmenswerte grenzenlos inflationieren lassen.
Man muss sich die Zinsreagibilität vor Augen führen, die Zinssätzen in der Nähe von Null aufweisen. Schon eine Veränderung von nur 0,1% auf einem Zinsniveau von 3% löst eine rechnerische Steigerung des Unternehmenswertes im Umfang von 3,44% aus. Alle weiteren Zinsreduzierungen in Richtung Null werden sich auf den Unternehmenswert expotenziell auswirken. Ob das von den Käufern von Beteiligungen und Aktienpaketen toleriert wird, bleibt offen: Die Verkäufer werden sich sicherlich nicht sträuben. Ob aber die Käufer auf das Kalkül der Unternehmensbewertung überhaupt noch einsteigen, bleibt abzuwarten. Die ersten Gerichtsprozesse wegen inakzeptabler Bewertung werden nicht lange auf sich warten lassen.

2. Management und Anleger
Das Management nimmt mit stillschweigendem Bezug auf den Neoliberalismus in den höheren Etagen für sich in Anspruch, den Unternehmenswert Jahr für Jahr steigern zu wollen. Grundlage und Messlatte dieser Aussage ist das Konzept des Shareholder’s Value, einer Methode, wo nach der Wert des Unternehmens jährlich (oder auch unterjährig) aufgrund des Unternehmensbewertungskalküls bewertet wird. Steigt der Unternehmenswert, sind die Boni der Vorstände und Aufsichtsräte gesichert, fallen sie, müssen andere Argumente der Rechtfertigung gefunden werden. Dier gegenwärtige Niedrigzinssituation garantiert dem Management Zuwächse des Shareholder’s Value, die sich allein aus der Mathematik des angewendeten Kalküls ergeben.
Wenn wir jedoch feststellen, dass das Bewertungskalkül systemimmanent bei fallenden Zinsen, die gegen Null tendieren, stets überhöhte Unternehmenswerte generiert, so kommt das Verfahren doch dem Wunsche nach „nachweisbarem“ Erfolg auf Vorstandsebene sehr entgegen, wenn der Unternehmenswert dank sinkender Zinsen dauernd steigt – egal, ob durch realwirtschaftliche Leistung oder durch regelmäßige Zinssenkungen. Das Problem ist nur, dass dann, wenn die Zinswende kommt, dieses Verfahren, dem auch die Börse folgt, für die folgenden Jahre das Management und den Anlegern vor große Probleme stellen wird. Ich gehe mal davon aus, dass dann das Konzept des Shareholder’s Value wieder so schnell in der Versenkung verschwinden wird wie es vor Jahren quasi aus dem Nichts aufgetaucht ist und als der „einzig richtige“ Maßstab gefeiert wurde, der über alle Zweifel erhaben sei.
VF – 20.11.2011

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Aus den Publikationen

Das menschliche Maß

„Viele meinen (mit dem Hinweis auf das menschliche Maß) vermutlich den Rückzug in alte Zeiten. Das ist aber ein Interpretationsfehler.

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Es geht nicht darum, in eine „schöne alte Welt“ abzutauchen, sondern es ist eine Frage, welches Maß man an die kleinen und großen Entscheidungen unserer Zeit anlegen will: Ist es das Maß unseres Wirtschaftssystems (immer mehr, immer schneller, immer höher), das angeblich alternativlos Einschränkungen, eine Veränderung unserer Haltung, die Aufgabe unseres menschlichen und personalen Wertes erfordert – oder ist es das Maß der Menschen, die das (irrationale) System durch ihren Einsatz am Laufen halten?“ (Reflexe, S. 130 f.)

Macht und Einfluss

„Im Gesamtsystem der Gesellschaft übt das wirtschaftliche Subsystem einen Einfluss aus, der die Frage rechtfertigt, ob wir noch die richtigen Entscheider wählen oder ob wir nicht gleich dem Subsystem und seinen Wirtschaftssöldnern alle Entscheidungen überlassen sollten.“ (Neoliberalismus, S. 14)

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Fehlender Rechtfertigungszwang

„Solange im Osten Europas dieses Kontrastprogramm (des Sozialismus/Kommunismus) existierte, war der real existierende Kapitalismus, oder was man dafür hielt, sehr wohl in einem ständigen kreativen Erklärungszwang. Das Kontrastprogramm war nicht nur die andere Seite, es hatte auch komplett andere Ziele, die es mit jeweils eigenen Mitteln zu erreichen glaubte.

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Mit der Auflösung des sozialistischen Systems fühlen sich die Vertreter des kapitalistischen Systems als überlegene Sieger und haben damit aufgehört, die Frage zu stellen, ob das jeweils gültige Ziel noch zeitgemäß oder gesellschaftlich richtig bestimmt sei. … Eine verhängnisvolle Entwicklung, weil damit die (intellektuelle) Dynamik , die sich aus dem Wettbewerb der Systeme ergab, verloren ging – im übrigen die gleiche Dynamik, die der Kapitalismus ständig wie eine Monstranz vor sich her trägt, …“ (Neoliberalismus, S. 22)

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Trickle Down Effekt

„Die gegenwärtigen Ökonomen vertrösten uns (wie dazumal der Kommunismus seine Unterstützer) auf die Zukunft. Indem sie der Meinung sind, dass Reichtum von oben durch die Gesellschaft sickert und damit auch die “Armen“ beglückt.

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Aber erstens sorgen die „Reichen“ dafür, dass möglichst wenig Reichtum nach unter „verloren“ geht, und zweitens warten dann die weniger Begüterten, aber noch sehr betuchten Mitglieder unserer Gesellschaft mit großem Enthusiasmus auf die Brösel der „Reichen“. Unten – wo immer das sein mag – kommt mit Sicherheit nichts mehr an. Das manifestiert sich dann in der ständig größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich.“ (Neoliberalismus, S. 28)

Reichtum als Ziel

„Ökonomisch und philosophisch ist der Run auf den Reichtum ohne Ziel ziemlich sinnlos. Reichtum muss einen Zweck haben. Reichtum ist Mittel zum Zweck.“ (Neoliberalismus, S.29)
Im Neoliberalismus könnte man auf die Idee kommen, dass Reichtum ausschließlich Zuwachs an Macht bedeutet. Er wird in der Ökonomie geschaffen und auf dem politischen Feld als Macht ausgelebt.

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Unersättlichkeit

„Man kann jetzt den (Schluss) ziehen, dass – mangels anderer sinnvoller Ziele, hinter denen eine Mehrheit stehen könnte – sich Unersättlichkeit als ein deutliches Merkmal herauskristallisiert hat, das wohl nicht als Ziel, aber als Zielersatz in unserer Gesellschaft angesprochen werden muss. Diese Feststellung ist im Grunde ein Armutszeugnis.

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… Die aufgeworfene Frage ist eine strategische Frage, eine Frage, die das menschliche Sein bestimmt, … . Das Ersatzziel ‚Unersättlichkeit‘ hat seine Wurzeln in der Ökonomie, im Wirtschaftssystem. … Politik, die sich der Wirtschaftshörigkeit entzogen hätte oder entziehen könnte, müsste doch auf Ziele wie Gemeinwohl, intakte soziale Infrastrukturen, gesunde Lebensbedingungen verweisen können – oder einfach eine Vorstellung vom guten Leben entwickeln, in der Wirtschaft eine Rolle spielt, aber eben nur eine von vielen Rollen und möglicherweise im Zustand des Überflusses nicht die Hauptrolle.“ (Neoliberalismus, S.30)

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Wachstum

„Der Begriff des Wachstums, seine mythische Überhöhung und seine einseitige Überbetonung in der politischen Diskussion sind der ökonomische Ausdruck der Unersättlichkeit unseres Systems.

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Als Wachstum wird (lehrbuchmäßig) eine Steigerung des BIP von 3 bis 4 Prozent erwartet, wobei ein Blick in die Geschichte klarmachen sollte, dass derartige Wachstumszahlen in den letzten zweihundert Jahren dauerhaft noch nie erreicht wurden. … Warum rechnet niemand mal solche Wahnsinnserwartungen hoch? 200 Jahre zu nur 3 Prozent Wachstum ergibt einen Vielfältiger von rd. 369. Reale Wachstumszahlen für diesen Zeitraum liegen im Durchschnitt bei 0,8 Prozent und ergeben somit einen (realen) Vervielfältiger von knapp 5.“ …

„Nimmt die Wirtschaftsleistung in jedem Jahr um den gleichen absoluten Betrag zu, so gelangt man in wenigen Jahren asymptotisch zu einem Nullwachstum – nicht weil wir nichts mehr produzieren, sondern weil der mathematische Bruch bei steigendem Nenner und einem gleichbleibenden oder gar abnehmenden Zähler gegen einen Grenzwert von Null tendiert. Das hat nichts mit Ökonomie zu tun, das sind einfach Grundlagen der Mathematik.“ (Neoliberalismus, S. 31)

„Gerne wird vergessen, dass auch Märkte die kein Wachstum aufweisen, durchaus dynamisch sind. D.h. es herrscht ein gewisses Maß an Wettbewerb, es gibt ein Kommen (Start-ups) und Gehen (Insolvenzen und Auflösungen), es gibt auch technische Innovation, aber es gibt eben kein Wachstum (keine Vergrößerung des Kuchens) und damit auch keinen zusätzlichen Ressourcenverbrauch.“ (Neoliberalismus, S.33)

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Ungleichheit

„In unserer Geschichte haben wir noch niemals einen Zeitpunkt erlebt, in dem die Menschen alle gleiches Einkommen und gleiches Vermögen hatten, und trotzdem lässt sich feststellen, dass extrem auseinanderlaufende Lebensumstände in Gesellschaften negative Auswirkungen haben.

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Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache ungleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse (mehrheitlich) nicht eine Folge von tatsächlichen (persönlichen) Leistungen des vermögenden Teil der Gesellschaft ist. Es ist eher so, dass Verhältnisse geschaffen oder zugelassen wurden, die diese einseitige Anhäufung von Vermögen begünstigen.“

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Wirtschaftssöldner

„Vorstände von Publikumsgesellschaften sind keine Unternehmer. Hier wird wahrscheinlich heftiger Widerspruch laut werden. Aber Vorstände sind „Wirtschaftssöldner“, die Unternehmen ohne eigenes Risiko (sieht man von einem geringen Arbeitsplatzrisiko ab) im Auftrag des Aktionärspublikums führen.

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Die hohen Vergütungen, die diesem Personenkreis zugestanden werden, sind vom Vorstand selbst vorgeschlagen und vom Aufsichtsrat genehmigt. Um den Mechanismus der Macht richtig zu verstehen, muss man sich die Besetzung der Aufsichtsräte ansehen. Neben den Gewerkschaften (sofern sie zugelassen sind) sitzen in dem Gremium aktive oder ehemalige Vorstände (also ebenfalls Wirtschaftssöldner) anderer Publikumsgesellschaften oder Berater, die alle in ihren anderen Funktionen daran interessiert sind, wenigstens gleich hohe Einkommen zu beziehen. Also gibt es keinen Grund für sie, sich in dem Gremium kritisch über hohe oder möglicherweise zu hohe Einkommen auseinanderzusetzen.

Die Kaste der Vorstände und Aufsichtsräte ist eine Welt für sich. Dem möglichen Einspruch gewerkschaftlicher Teilnehmer wird mit dem Argument des Neides einerseits und andererseits mit Tabellen begegnet, aus denen hervorgeht, was andere Mitglieder der gleichen Kaste in anderen Unternehmen verdienen. Und so ist das ein Spiel unter sich.“ (Neoliberalismus, S. 38)

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Schulden – mal anders gesehen

„Wenn immer mehr Schulden durch das Bankensystem im Kapitalismus über die Buchung „Forderung an Verbindlichkeit“ geschaffen werden können (Geldschöpfung), dann muss man sich auch die einfache Frage stellen, bei wem die ausgezahlten Geldbeträge denn eigentlich gehortet werden.

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Jeder Schuldentstehung steht ein Geldbetrag gegenüber. … Das heißt: So wie es einen Berg von immer mehr Schulden gibt, so muss es auch einen Berg von immer mehr Geld geben. Das ist schlicht doppelte Buchführung. Wenn das Geld dann nicht in der Realwirtschaft Verwendung findet (…), so kumuliert sich das Geld im Finanzmarkt und nutzt den Zinseszinseffekt.“ (Neoliberalismus, S. 51)

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Der Kern des Neoliberalismus

Kapitalismus hat viele Gesichter. Mit dem Neoliberalismus hat er wohl seinen radikalsten und m.E. unmenschlichsten Ausdruck gefunden. Das erklärt auch, warum sich mit der Umsetzung der neoliberalen Strategie offiziell keine Gesichter und Personen verknüpfen lassen.

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Die Politik hat in der Vergangenheit immer schon Verhaltensweisen toleriert, deren Folgen bedauerlicherweise Unmenschlichkeit, Gier, Rücksichtslosigkeit, Egoismus und vergleichbar negative menschliche Eigenschaften waren; aber erst der Neoliberalismus ist so schamlos, diese Eigenschaften als gesellschaftsbildendes Prinzip zu verherrlichen und die Bemühungen des Menschen um Kultur und Humanität vom Tisch zu wischen und ganz offen eine Kultur der bewusst tolerierten, ja geschaffenen Ungleichheit und des ruinösen Wettbewerbs zu favorisieren. « Ungleichheit tritt oftmals als politischer Kollateralschaden auf. Der Neoliberalismus dagegen instrumentalisiert bedenkenlos Ungleichheit und Wettbewerb als Herr­schaftsinstrument. Ökonomie ist dabei nur eine Randerscheinung. (Neoliberalismus, S. 61f.)

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Exportweltmeister

„Wir sind in Deutschland inzwischen daran gewöhnt, große Anteile unseres Geldes auf dem Exportsektor als Teil der Globalisierung zu verdienen. Wir sehen hier unsere ›strategische‹ Nische, als europäisches Land Wachstumschancen nutzen zu können. … Aber je mehr wir uns auf Exporte stützen, desto angreifbarer und verletzlicher wird unsere nationale Wirtschaft.

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Einerseits drückt der Export erheblich auf die Entwicklung bei den Arbeitnehmereinkommen und schwächt dadurch unsere Binnennachfrage mangels Masseneinkommen. … Durch unseren Export bauen wir andererseits laufend Forderungen auf, die beim Empfänger unserer Waren zu Schulden werden. Wenn es unseren Handelspartnern nicht gelingt, ihrerseits gegenüber uns und anderen Ländern werthaltige Forderungen aufzubauen, so kommt es sehr rasch zu Schieflagen und dann zur Zahlungs­unfähigkeit der Schuldner. Da wir uns rühmen, ›Exportweltmeister‹ zu sein, sind wir immer die ersten, die die (dann eintretende) Zahlungsunfähigkeit massiv trifft. Im Falle von Griechenland liegt hier ein ganz wesentlicher Grund, warum die deutsche Regierung sich vehement weigerte, bei Griechenland einen den ökonomischen Regeln entsprechenden ordentlichen Schuldenschnitt zuzulassen. Der würde in der deutschen, (vermutlich auch in der amerikanischen) und wahrscheinlich auch in der französischen Zahlungsbilanz eine ›Blutspur‹ hinterlassen.“ (Neoliberalismus, S. 69)

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Wettbewerb – etwas anders interpretiert

„Der alte Satz ›Teile und herrsche‹ (lat.: divide et impera) enthält eine etwas andere Interpretation von Wettbewerb. Wenn vom Markt die Rede ist, geistert in den Köpfen immer noch das Modell des vollkommenen Marktes herum, in dem auf Augenhöhe verhandelt wird. Warum vergessen wir so schnell?

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Die Römer hatten den Grundsatz des ›Teile und Herrsche‹, und das war auch nichts anderes als der systematische Aufbau von Wettbewerb. Der, der die Macht innehat, gibt Teile der Macht an ausgesuchte Mitspieler weiter, achtet aber darauf, dass es ihrer mindestens zwei sind, weil dann gezielt Wettbewerb zwischen den Vasallen aufgebaut werden kann, der von den Machtbeziehungen ablenkt und die Kräfte der Mitstreiter im Sinne des Machtzentrums im Wettbewerb bindet. Warum wird Wettbewerb nicht auf dieser Ebene diskutiert? Kreativität, Innovation, Fortschritt durch Wettbewerb – alles nett und nicht ganz falsch, aber ist das der Kern des Wettbewerbs? Ist das überhaupt der richtige Ansatz, um über Wettbewerb zu diskutieren?

Wettbewerb ist in aller Munde. Wettbewerb wird sogar dort installiert, wo er gar nicht hingehört und wo er auch keinen Nutzen hervorruft. Oft werden nur erfolgreich etablierte Strukturen zerstört, um das in der Struktur gebundene Geld zu heben. Wenn im Rahmen von Wettbewerb von Kreativität und Innovation die Rede ist, so handelt es sich meist um Inhalte, die mit eigentlicher Kreativität und wirklicher Innovation nichts zu tun haben. Der Wettbewerb schafft keine Umgebungen, die für Kreativität und Innovation sinnvoll sind. Die Kreativität und Innovation des Wettbewerbs sind i.d.R. modische Erscheinungen, die Bestehendes neu interpretieren; aber umwälzende Erfindungen (das würde ich gerne unter Kreativität und Innovation verstehen) kommen in einer solchen Umgebung nicht zustande. Sie erfordern eine völlig andere Umgebung, ihr Ziel ist eine geistig anspruchsvolle, umwälzende Leistung, die bestimmt nicht aus der Vision des Wettbewerbs entspringt.“ (Neoliberalismus, S. 79)

‚Teile und herrsche‘ ist die Erkenntnis, dass man zum Aufbau einer Position erst ‘teilen‘ muss, um dann eventuell ‚herrschen‘ zu können. ‚Herrsche und teile‘ verkörpert die Erkenntnis, wie man eine bestehende Position (das Herrschen) durch sinnvolles Teilen aufrechterhalten kann.

„Wettbewerb lebt von der tendenzieller Vereinzelung der Teilnehmer. Im Wettbewerb ist jeder primär auf sich gestellt. Sowie sich zwei zusammentun und kooperieren, was in einer schwierigen Situation nur natürlich wäre, verstößt dieses Verhalten sofort gegen den Wettbewerb, der uns durch Medien und Politik als hoher oder gar höchster Wert vermittelt wird. Wettbewerb ist also nicht nur nach Friederich A. von Hayeks Scheinargument das Mittel der Wahl, um Innovation und Dynamik zu fördern, sondern er ist noch vielmehr (und natürlich unausgesprochen) ein hervorragendes Disziplinierungsinstrument, über das erfolgreich Herrschaft ausgeübt werden kann. Wettbewerb lässt nur dann gewisse positive Effekte erwarten, wenn grundsätzlich auf Augenhöhe verhandelt wird. Wenn dagegen ein Veränderungswille besteht, aber jede Veränderung durch die großen Wirtschaftseinheiten genutzt werden kann, um ein K.O.-Spiel zu beginnen, dann verliert der Wettbewerb endgültig jede Innovationskraft. Er ist nur noch Herrschaftsinstrument.“ (Neoliberalismus, S. 83 f.)

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