Die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen bekommt angesichts der Forderung nach noch mehr Digitalisierung Rückenwind. Endlich wird klar, dass mit der Digitalisierung Arbeitsplätze weggefallen sind und weiter wegfallen werden, die auch durch noch so große (Weiter-)Bildungsinitiativen nicht aufgefangen werden können. Das systematische Ziel der Automatisierung (die als wesentlichen Teil die Digitalisierung einschließt) ist nicht die Erleichterung vorhandener Arbeit, sondern das systematische Ziel der digitalen Automatisierung ist es, den Menschen im Arbeitsprozess weitgehend zu ersetzen.
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Da die Politik die Digitalisierung intensiv fördert, ist die unausweichliche Konsequenz, dass die Zahl der Menschen ohne adäquate Beschäftigung fortlaufend steigen wird. Die Politik zeigte sich von dem Ziel der Digitalisierung bis zur Wahl von Donald Trump begeistert. Die Wahl macht deutlich, dass die Machtbasis der demokratischen Parteien in ernster Gefahr ist. Man wird es nicht schaffen, mittelfristig 80 % der Bevölkerung von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abzuhängen, ohne dass sich die „Wut“ dieser 80% einen Weg bahnen wird. Eine Lösung des Problems wird vielfach und m.E. zu Recht in der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gesehen. Aber Vorsicht: Die Vertreter der Wirtschaft, die diese Form plötzlich aus dem Hut zaubern und schön reden, sind nicht von einer sozialen Regung übermannt, sondern haben Sorge, dass mit jedem Bürger, der ins Prekariat geschickt wird, natürlich auch ein künftiger Konsument ausfällt. Und hier besteht die Möglichkeit, durch das Grundeinkommen eine Konsumwelle auszulösen. Ob sie sich nachhaltig gestalten lässt, ist nicht zu entscheiden.
Bevor wieder alle die kurzsichtigen Argumente auf den Tisch kommen, sind ein paar einfache Gedanken zu diesem Thema vielleicht hilfreich:
- Das Grundeinkommen erhält jeder Bürger des Landes. Aber nicht zusätzlich zu seinem Arbeitseinkommen, sondern unter Abzug von seinem Arbeitseinkommen. Die Unternehmen wissen, wer wieviel Grundeinkommen erhält (das ist ja für alle gleich), und werden alles unternehmen, dass diese öffentliche Einnahmequelle mit dem Arbeitseinkommen verrechnet wird. Wenn das geschehen sollte, dann ist das bedingungslose Grundeinkommen für die Unternehmen ein Konjunktur- und Kosteneinsparprogramm in einem finanziellen Umfang, den die Bundesrepublik seit ihrer Geburt noch nie gesehen hat. Die Personalkosten der Unternehmen werden in Höhe des verrechneten Grundeinkommens sinken und damit Kosteneinsparungen von gigantischer Höhe auslösen. Ob sich das dann in niedrigeren Preisen der Produkte oder in höheren Gewinnen der Unternehmen niederschlägt, ist heute nicht absehbar und eine Frage des dann geltenden Steuersystems.
- Unsere Sozialsysteme, die ganz wesentlich darauf aufbauen, dass Arbeitseinkommen entstehen, werden durch diese Neuausrichtung finanziell ausbluten. Den Sozialsystemen steht aber das System des bedingungslosen Grundeinkommens gegenüber. Die Sozialsysteme gehen also im Grundeinkommen auf, weil Hartz IV plus Grundeinkommen wohl nicht denkbar ist. Alle öffentlichen Sozialsysteme verschmelzen im Grundeinkommen, das jeder Mensch je nach Ausgestaltung des Systems mit Geburt oder mit der Volljährigkeit oder mit Erreichung des Rentenalters erhalten wird. Diese Sozialausgaben wird das Gemeinwesen also künftig „sparen“. Je länger wir das gegenwärtige öffentliche Sozialsystem aufrecht erhalten und je mehr wir feststellen müssen, dass immer mehr Menschen über ihre Arbeit ein nicht mehr ausreichendes Einkommen erzielen können, desto mehr nähert sich die Last der Sozialsysteme der Last an, die immer wieder mit der angeblichen Nichtfinanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommen verbunden wird. Die Last wird immer zu schultern sein. Die Frage ist nur, ob die Last über ein würdevolles gleichverteiltes Grundeinkommen geschultert wird oder ob die Politik immer mehr Leute in die würdelose Stigmatisierung als Sozialhilfeempfänger schicken will.
- Das Arbeitseinkommen war jahrzehntelang Grundlage unseres Bezugs zur Leistung und ist unverändert eine wesentliche Grundlage unseres Steuersystems. Mit der Einführung eines Grundeinkommens müssen wir eine veränderte Basis für das Steuersystem finden. Wir können auch erwarten, dass der Leistungsbezug für unser Selbstverständnis eine andere Dimension erhalten wird. Um in einem einfachen Bild zu bleiben: wenn immer mehr Roboter die Arbeit der Menschen übernehmen, werden wir unser Steuersystem möglicherweise an der Wertschöpfung dieser Roboter ausrichten müssen. Konkret: wir besteuern nicht mehr die Arbeitskraft der Menschen, sondern wir besteuern die Wertschöpfung der Roboter (der Maschinen), die die Arbeitskraft der Menschen ersetzen. Der Vorteil wäre, dass alle sozialen Überlegungen, die mit der Beschäftigung von Menschen entstehen, bei Maschinen entfallen können. Um noch einen Schritt weiter zu gehen, wäre nicht nur die Wertschöpfung der Maschine Grundlage der Besteuerung, sondern deren Energieverbrauch. Weniger Energieverbrauch, weniger Steuern. Da es ohne Energieverbrauch nicht geht, ist die Besteuerungsgrundlage grundsätzlich gesichert. Je mehr Menschen durch Maschinen ersetzt werden, umso größer wird das Steueraufkommen. Diese Steuerart wird vermutlich den Kosteneinsparungseffekt, den die Verrechnung des Grundeinkommens mit dem Arbeitseinkommen im ersten Schritt erzielt, auf lange Sicht wieder aufheben. Das Gemeinwesen ist darauf angewiesen, dass Steuereinnahmen fließen, sonst sind alle Überlegungen hinsichtlich der sogenannten abgehängten 80 % des Wahlvolks Makulatur.
- Wir sollten uns nichts vormachen: das bedingungslose Grundeinkommen wird die Arbeitswelt und die Gesellschaft grundlegend verändern. Beliebte und häufig verwendete subtile Sanktionsmechanismen der Wirtschaft werden plötzlich ins Leere laufen. Der Druck, den ein drohender sozialer Abstieg oder gar drohende Arbeitslosigkeit auf die Menschen auslöst, wird gemildert oder ganz entfallen. Arbeit kann repressionsfreier stattfinden und damit kreativer gestaltet werden. Der ökonomische Druck wird verringert. Es werden wichtige Wirtschaftsaufgaben aufgegriffen werden, die bisher an ihrer geringen Ertragsfähigkeit scheiterten. Eine Lebenspartnerschaft bzw. Eheleute werden über zwei Grundeinkommen verfügen können. Kinder werden kein finanzielles Risiko mehr darstellen, eher das Gegenteil. Es kann sein, dass die Fruchtbarkeitsrate schlagartig einen Wert erreicht, der mit der drohenden Überbevölkerung nicht zu vereinbaren sein wird. Frauen, die sich der Kindererziehung widmen, werden trotz allem über ein eigenes Einkommen und damit über eine eigene Altersversorgung verfügen. Die finanzielle Unabhängigkeit der Frau wird auch gesellschaftliche Veränderungen auslösen. Das Ehrenamt hat heute noch sozial einen hohen Stellenwert, weil die dort geleistet Arbeit zusätzlich und freiwillig geleistet wird. Im Falle eines allgemeinen Grundeinkommens wird im Grunde jeder Bürger ein Stück weit verpflichtet, sich ehrenamtlich für das Gemeinweisen i.w.S. zu engagieren. Hier kann eine gewisse, zumindest moralische Bringschuld eingefordert werden. Diese solidarische Haltung bringt wieder eine Idee in die Mitte der Gesellschaft, die mit dem Neoliberalismus vor etwa 30 Jahren systematisch Schritt um Schritt eliminiert wurde. Man kann hier aus allen Lebensbereichen Beispiele heranziehen. Die dargestellten sollen einen ersten Eindruck der möglichen Veränderungen vermitteln.
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