Die Südd.Zeitung hat unter der Rubrik Steuerpolitik eine Idee dargestellt, die sie als Klima-Dividende bezeichnet hat. Die Idee, die wohl aus republikanischen Kreisen der USA (Climate Leadership Council) stammt, hat aber mit Steuerpolitik im Grunde nichts zu tun.
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Umweltpolitisches Werkzeug
Es geht darum, ein umweltpolitisches Werkzeug zu schaffen, mit dem man glaubt, die dringend notwendigen umweltpolitischen Maßnahmen durchsetzen zu können, ohne dass erwartet werden muss, dass die Wähler und die Wirtschaft dagegen Sturm laufen werden. Die Grundidee ist relativ einfach: Man erhebt von den Wirtschaftsunternehmen im Zeitverlauf progressiv steigende Abgaben für jede Einheit verwendeter fossiler Rohstoffe. Die dabei erfassten Abgaben werden aber nicht als Steuern vom Staat vereinnahmt, sondern sie sollen als Kopfpauschale wieder ausbezahlt werden (also an jede inländische Person ab einem bestimmten Alter in gleichen Beträgen pro Person).
Was bedeutet das im Klartext: Durch die Abgaben wird sich die Verwendung von fossilen Rohstoffen deutlich verteuern, d.h. die Energiekosten aus fossilen Brennstoffen z.B. werden erheblich steigen, weil plausibel unterstellt werden kann, dass die Wirtschaft die Abgabe auf ihre Preise aufschlägt. Diese höheren Energiepreise treffen alle, aber insbesondere jene Bevölkerungskreise empfindlich, die auf energetisch großem Fuße leben. Um die Wirkung der Kostensteigerung zu mildern, wird dann mehrmals pro Jahr eine „Klima-Dividende“ (so nennt es die SZ) oder auch „CO2-Dividende“ ausgeschüttet. Jeder Einwohner bekommt den gleichen Betrag, unabhängig vom Einkommen und unabhängig auf welchem energetischen Fußabdruck er gegenwärtig lebt. D.h. der, der relativ wenig Energie verbraucht, hat einen größeren Vorteil als der, der relativ große Energiemengen verbraucht. Bei der Rückerstattung ist also ein kleiner Umverteilungseffekt eingebaut. So jedenfalls sehen es die Initiatoren der Idee (u.a. auch der US-Ökonom Gilbert Metcalf, (Paying for Pollution)). Für den Climate Leadership Council ergeben sich aus dieser Idee drei wichtige Gesichtspunkte (eigene sinngemäße Übersetzung):
- „Die stetig steigende Abgabe sendet ein starkes Marktsignal, das zu technologischer Innovation und zu einer umfassenden Substitution der bestehenden Energie- und Transportinfrastruktur ermutigt“ (es müsste ehrlicherweise heißen: auffordert);
- „Steigende fossile Brennstoffkosten bieten Unternehmen eine Berechenbarkeit des Energiemarktes für längerfristige Investitionen, die dem Markt heute fehlt.“ (im Klartext: Du kommst aus der Nummer nicht mehr raus.)
- „Die Rückerstattung (die Dividende) wird einen wichtigen Anreiz bieten, das rückerstattete Geld als Endkonsument wieder auszugeben.“ (das Ziel ist nur am Rande Umweltpolitik, das Ziel ist eine Verstärkung oder zumindest Sicherung des Konsums in Zeiten wirtschaftlicher Veränderung)“
Fragen der Umsetzung
Man verspricht sich eine große Wirkung, weil die Steuerung der Wirtschaft über den Preis als effektiv und elegant gilt. Aber Vorsicht: in Deutschland zahlt die Großindustrie deutlich niedrigere Preise pro KWh als jeder Haushalt. Und nicht nur in Deutschland – Vergleichbares wird es in allen Ländern der EU geben. Das Verhältnis liegt nach meinen Informationen in Deutschland etwa bei 1:3 oder 1:4, d.h. wenn der gewöhnliche Haushalt ohne Berücksichtigung des Grundbetrages etwa 22 – 24 ct/KWh bezahlt, zahlt die Industrie nur etwa ein Drittel bis ein Viertel des Preises. Wenn sich also eine solche Abgabe wie oben angesprochen auf der Basis von subventionierten Preisen ermittelt wird, vergrößern wir nur die Subventionsspanne, was nicht Sinn der Übung sein kann. Die Abgabe muss also auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Energiemenge x Abgabe pro Energieeinheit ansetzen, um hier realistische und vergleichbare Abgabenwerte zu erzielen. Sonst werden die Bürger gleich zweimal hinters Licht geführt. Zudem würde ihnen ‚Dividende‘ (Gewinn) entzogen, eine ‚Verfehlung‘, für das man im Kapitalismus mit hohen Strafen rechnen darf.
Das starke Marktsignal ist in erster Linie gegen die ‚Jumbos‘ (Großkonzerne) gerichtet, die mit politische Maßnahmen nicht mehr zu innovativem Handeln gebracht werden können. Deren Strukturen sind so verkrustet, dass nur ganz rabiate Maßnahmen (in einem netten Kleide verpackt) die Chance bieten, dass die ‚Jumbos‘ sich bewegen. Ein deutliches Beispiel bietet die deutsche Automobilindustrie. Von sich selbst sehr überzeugt, setzt siegesgewohnt auf das falsche Pferd und verschläft schlicht den Mobilitätstrend und muss jetzt mit einer Vielzahl von Problemen kämpfen, bei denen nicht sicher ist, ob sie ihre Marktstellung wird halten können.
Der Hinweis auf die Berechenbarkeit hinsichtlich künftig steigenden Brennstoffkosten bietet ja nicht nur einen Vorteil einer besseren Planbarkeit, es sagt auch ganz deutlich, entweder du bist beim Umbau dabei oder du darfst nicht mehr „mitspielen“.
Und die Rückerstattung (oder die Dividende) ist dann das Zuckerbrot: Die auferlegten Abgaben sollen wieder in den Konsum fließen und die kapitalistische Wachstumsmaschine weiter antreiben. Genau das ist m.E. der umweltpolitische Schwachpunkt des Konzepts.
Konzeptionelle Einschränkungen
Es werden die Preise für fossile Brennstoffe erhöht, um ihre Verwendung zu reduzieren. Das ist umweltpolitisch sicher gewollt. Damit diese „Kröte“ von der Wirtschaft geschluckt werden kann, wird der Endkonsument subventioniert, indem davon ausgegangen wird, dass der Empfänger der Dividende den erhaltenen Betrag wieder dazu benutzt, die höhere Kostenbelastung bei sich abzufedern. Die Wirtschaft soll den guten Willen der Politik anerkennen, den Konsum trotz Preissteigerung im Markt aufrecht zu halten oder eventuell auch zu erhöhen. Das wiederum kann umweltpolitisch nicht gewollt sein. Wie schon angeführt, ist das „Marktsignal“ weniger ein Signal für eine Reduzierung des globalen Verbrauchs an fossilen Brennstoffen, als ein Signal an die Wirtschaft: Baut um – wir sichern Euch den anhaltenden Konsum (so gut als möglich), denn der Umbau ist unumgänglich. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Wirtschaft dazu stellt.
Entscheidend ist die Frage, wie wird der Dividenden-Empfänger reagieren? Wird er oder sie das zusätzliche erhaltene Kapital in den Konsum stecken oder sinnvoller (nachhaltiger) verwenden? Was wirklich passiert, wird nur die Praxis zeigen können. Aber man kann über Plausibilitäten versuchen, ein paar Szenarien aufzubauen:
Die Vermögenden werden sich wenig um die Energiekostenerhöhung kümmern. Sie wird nichts an ihrer Haltung grundsätzlich ändern und die Umwelt-Dividende landet in der Portokasse. Der zur Diskussion stehende Betrag pro Kopf hat nicht die Höhe, bei der dieser Kreis sich über die Verwendung des Geldbetrages (strategische) Gedanken macht. Das Geld läuft in die täglichen Ausgaben und wird zu Konsum.
Der Bezieher eines monatlichen Durchschnittsbruttoeinkommens in Deutschland verfügt im Jahr 2017 über ca. 3.770 €. Wenn z.B. dieser Familienvater sich deutlich höhere Energiekosten gegenübersieht, wird er schweren Herzens seine Konsumquote erhöhen bzw. Wege suchen, seine Energiekosten durch entsprechende Maßnahmen zu verringern. Das ist umweltpolitisch erwünscht. Wenn dieser Familienvater dann noch eine Umwelt-Dividende beziehen würde, so wird er, da seine Grundbedürfnisse erfüllt sind, seine Sparquote erhöhen: Die Dividende wird nicht in den Konsum, sondern in die Rücklagen fließen. In Deutschland ist das Problem der Altersvorsorge virulent. Viele dieser Durchschnittsverdiener werden also die Variante des Aufbaus einer zusätzlichen Altersversorgung wählen oder notwendige Investitionen tätigen. Der Konsum ist die letzte (vielleicht auch die dümmste) Alternative.
Selbst Einkommensverhältnisse, die wir dem Segment des Prekariat zu rechnen, die also durch die Energiekosten tatsächlich betroffen sein werden, werden sich ähnlich verhalten, wie der Durchschnittsverdiener. Bei prekären Einkommensverhältnissen wird die Dividende aufgeteilt, aber das Bestreben gleicht dem eines Durchschnittsverdieners.
Wenn wir bei Hartz IV oder bei der Grundsicherung angekommen sind, dann nutzt die Umwelt-Dividende gar nichts mehr, weil sie vermutlich komplett von Staats wegen eingezogen wird bzw. es wird die Förderung nach dem Sozialgesetzbuch ausgesetzt. M. a. W. – der Kandidat hat keine Chance, seine Situation durch eine Umwelt-Dividende zu verbessern. Er kann auch keinen zusätzlichen Konsum auslösen, obwohl hier vermutlich eine recht hohe Konsumquote erreicht würde.
Wenn man ein Fazit ziehen will, wird deutlich, dass vermutlich nur ein Bruchteil der Dividende im Konsum landet, was natürlich die umweltpolitischen Chancen erhöht, dass die Ersparnisse sinnvoller und nachhaltiger ausgegeben werden als sie zu konsumieren. Aber der erwartete Konsumschub wird m. E. nicht eintreten. Auch das wäre umweltpolitisch nicht nachteilig. Es kann nicht sein, dass wir bestimmte Energieformen belasten oder besteuern und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, die den generellen Verbrauch an Energie weiter befeuern. Das ist die beknackte Vorstellung des Kapitalismus. Hauptsache, es dreht sich was. Wir verbrauchen heute schon mehr „Erden“ als wir besitzen. Aber das wollen die Vertreter dieser Denkweise nicht verstehen. Und keiner will mit dem Verstehen den Anfang machen – das nennt man das Mikado-Spiel: wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren.
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