Unternehmer oder Investor – Versuch einer Abgrenzung

Wir können beobachten, dass das Ansehen der Investoren politisch überproportional hoch gehandelt wird. Aber was ist ein Investor? Seine Funktion ist primär die einer Bank. Der Investor stellt dem Unternehmen Kapital gegen Gesellschaftsanteile zur Verfügung. Eine Bank würde sich auf ein Darlehen beschränken und Zins und Sicherheiten verlangen. Der Investor übernimmt etwas mehr Risiko und lässt sich das Risiko im Erfolgsfalle auch kräftig vergolden. Als Folge ist das Investorengeld im Erfolgsfall deutlich teurer als der Kredit, weil die Handlungsfreiheit des Unternehmers verloren geht und der entstehende „Zins“ horrend sein kann bzw. der möglicherweise auch anstehende Ausstieg des Investors das Unternehmen zur Unzeit in Schwierigkeiten bringen kann.

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Zum Unternehmer kann man sich entwickeln. Investor ist man, weil diese Funktion voraussetzt, dass der Investor a priori über Geldmittel verfügt. Wer das Investorengeschäft auf der Grundlage von Krediten betreiben will, verlässt den Bereich des Investors und kommt sehr rasch in den größeren Risikobereich des Unternehmers, was der Investor im Grund vermeiden will.

Was ist ein Unternehmer? Die Antwort ist schwieriger: Er hat eine Idee, und verfügt oft nicht über die notwendigen Finanzmittel. Es geht ihm um Umsetzung, um Realisierung, um seine Vision, Es geht ihm um Ressourcen, um technische Effizienz, auch um technische Brillanz und natürlich um Erfolg, den er aber weniger in Geld misst als an der Freude und Genugtuung, etwas Ausgewöhnliches schaffen zu können oder es geschaffen zu haben. Soweit ein Unternehmer sein ‚Unternehmen‘ realisiert hat, erfüllt es ihn mit Stolz und er wird das Unternehmen auch in schlechten Zeiten nicht leichtfertig aufgeben, nur weil es eng wird oder die Gewinne ausbleiben. Er fühlt sich seinen Mitarbeiter verpflichtet, die ihn bei der Realisierung seiner Vision unterstützt haben. Unternehmer sein ist eine ganzheitliche Aufgabe, die im Grunde technische, soziale und wirtschaftliche Aspekte in einer Person vereint. Das ist mit der Grund, warum sich nicht jeder zum Unternehmerdasein drängt.

Unternehmer sind auch nicht nur erfolgreich. Wir sehen oft nur die ‚Erfolgreichen‘ als Spitze des Eisbergs. Viele Unternehmer (so z.B. Teile der großen Gruppe der Selbständigen) arbeiten mehr als der Durchschnitt, und haben ein akzeptables Auskommen ohne sich fürs Alter große Perspektiven leisten zu können. In beachtlich vielen Fällen droht hier Altersarmut. Aber über die spricht niemand, während ein beachtlicher Teil des tertiären Sektors unserer Wirtschaft von diesen Solounternehmern lebt. Sie sind ein Teil dessen, was man den Mittelstand nennt, der aber nicht auf der Sonnenseite, sondern eher etwas im Schatten ihr Dasein fristen.

Unternehmer werden nicht geboren. Das Leben oder das Umfeld führen Menschen i.d.R. in diese Aufgabe. Im positiven Falle verfügt er Schritt für Schritt über die vielfältig notwendigen sozialen und durchsetzungsfähigen Eigenschaften für diese Rolle, für die er sich auch zunehmend intrinsisch motivieren kann. Im negativen Falle ist die Rolle des Unternehmers für den Betroffenen die einzige Lösung, um einen gewissen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Seine Persönlichkeit ist so strukturiert, dass die Person subaltern nicht arbeiten will und kann. Es fehlt ihm an der Fähigkeit zur Unterordnung und Anpassung, auch an der Fähigkeit Kritik hinzunehmen, ohne dabei das Gefühl zu haben, man gebe seine Persönlichkeit auf. Wieder andere Unternehmer sind vom Geld Getriebene: Sie haben eine ‚Krämerseele‘ entwickelt, besitzen wenig soziale Kompetenzen, sind meist aber von sich und ihren Fähigkeiten sehr überzeugt. Ihr Mitarbeiterkreis bleibt (hoffentlich) sehr klein, weil sie als Vorgesetzte oft menschlich versagen.

Es gibt aber auch „sogenannte“ Unternehmer. Die meisten Vorstände von großen Publikumsaktiengesellschaften werden die Frage, ob sie sich als Unternehmer verstehen, bejahen. Das ist aber nicht richtig. Sie sind hoffentlich hochkarätige Fachleute, aber sie sind und bleiben gehobene Angestellte, die keinerlei unternehmerisches Risiko tragen. Sie müssen für ihre Fehlentscheidungen i.d.R. nicht geradestehen und erhalten dann, wenn ihre Aufgabe durch den Aufsichtsrat beendet wird, einen goldenen Handschlag, der oft das Vielfache des Lebenseinkommens eines einfachen Mitarbeiters darstellt. Trotzdem hat ihr Verhalten sich oft den Eigenschaften angeglichen, die oben als kennzeichnend für den Unternehmer aufgeführt wurden. Aber das wichtigste Element fehlt einfach: Das Risiko des Vorstand ist auf das Arbeitsplatzrisiko beschränkt und wird dann auch noch durch ungewöhnlich hohe Abfindungen abgefedert.

Es gibt für den Unternehmer aber auch signifikante Abhängigkeiten. Da unser Beispiel-Unternehmer nur über wenig Geld verfügt, wird er feststellen müssen, dass mit zunehmend wirtschaftlichen Erfolg sein Finanzbedarf steigt. Die Bank hat irgendwann alle denkbaren Sicherheiten absorbiert und sieht sich nicht mehr in der Lage, weitere Kredite bereit zu stellen. An diesem Punkt kommt nun der Investor ins Spiel und er kennt die üblichen Engpässe. Er ist in einer finanziell komfortablen Situation und nutzt den längeren Hebel aus, an dem er sitzt. Der Unternehmer, der es bislang verstanden hat, Technik, Sozialbezug und Wirtschaftlichkeit unter einem Dach zu vereinen, erhält jetzt einen Geldgeber, der ihm seine Selbstständigkeit nimmt bzw. einschränkt. Der Investor kann und will ihm ins Geschäft reinreden. Dabei fehlt dem Investor i.d.R. aber der ganzheitliche Ansatz. Er konzentriert sich auf sein investiertes Geld und dessen Vermehrung. Alle anderen Aspekte des unternehmerischen Daseins sind ihm nachgeordnet. Er will das Unternehmen ja nicht führen, sondern seinen Einsatz mehren.

Um mit Aristoteles zu reden: Der Unternehmer sieht sich primär dem Gedanken der Ökonomik verpflichtet und mit der Aufnahme eines Investors in sein Unternehmen ändert sich der Fokus vom „klugen Wirtschaften“ des Ökonomen sehr rasch zu einem neuen Schwerpunkt, der als eine Konsequenz aus der Lehre der Bereicherung (Chremastik) bezeichnet werden kann. Für den Investor „ist jede Ware ein Mittel, die dem Zweck dient, insbesondere das eingesetzte Geld zu vermehren.“ (vgl. Brodbeck, Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie, Darmstadt, 2000, S. 195) Der Unternehmer hängt am finanziellen Tropf: einmal dabei, gibt es kaum mehr ein Entrinnen. „Geld ist auch eine Quelle jener „Ratio“, deren Inhalt sich auf das bloß quantitative Mehr reduziert.“ (Brodbeck, S. 195)

Die Figur des ‚Unternehmers‘ gibt es seit Jahrhunderten, völlig losgelöst von den jeweils geltenden Wirtschaftssystemen. Der ‚Investor‘ dagegen ist eine Erfindung des Neoliberalismus und eine Folge des Wandels der Banken. Er repräsentiert jene Ausprägung der Gewinnmaximierung, die auch den Neoliberalismus befeuert. Der Unternehmer ist in seinem Handeln viel zu sehr den vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abhängigkeiten ausgesetzt, um so einfach und klar zu bestimmen, was denn nun Gewinnmaximierung im Konkreten sei. Nur der Investor ist so eindimensional auf die Prämisse „Geld aus Geld machen zu wollen“ angelegt, dass diese Forderung überhaupt wirtschaftlich vernünftig umsetzbar ist. Die Vorstellung, dass Gewinnmaximierung sich auf einen Jahresüberschuss reduzieren lässt, ist lächerlich. Das ist ein Maß der Rechnungslegung und erfasst auch Sachverhalte, die einen Investor nicht unbedingt interessieren. Es ist hoffentlich erkennbar, dass der Investor nur jenen Teil des Unternehmers wahrnimmt, der von der eigentlichen Unternehmensgrundlage abgelöst werden kann und der sicherstellt, dass Geld aus dem investierten Geld erzielt werden kann. Ganz einfach: das Unternehmen im Ganzen wird zur einer Ware. Dort ist dann die angestrebte Gewinnmaximierung relativ leicht umsetzbar.

Vergleichbares findet man in Großkonzernen. Der Konzernvorstand kümmert sich nur noch bedingt um die Produkte, mit der der Konzern sein Geld verdient. Der Vorstand kümmert sich um die Finanzierungsgrundlage und ist dabei in einer dem Investor vergleichbaren Lage. Es werden nicht Produkte ge- oder verkauft, sondern gleich ganze Unternehmen und Unternehmensteile.

In der ‚Höhle der Löwen‘ (dem Fernsehformat) wird die Investorenrolle drastisch und plakativ demonstriert. Da sitzen die Damen und Herren Investoren in dicken Sesseln (die wie Geldsäcke aussehen) und lassen sich Unternehmer vorführen, denen sie u.U. ihre Selbstständigkeit abkaufen wollen. Die vorgefundenen guten (Ideen) will der Investor ggfs. nutzen (ohne deren Entwicklungskosten zu bezahlen), das Unternehmensrisiko bleibt bei den Alt-Unternehmern und das Risiko des Deals ist gemessen am Vermögen der Investoren „peanuts“. Und die Arbeit machen dann die anderen. Man darf in diesen Kreisen natürlich unterstellen, dass auch die Beratung der Alt-Unternehmer durch die Investorenfirmen vergütet wird. (Darüber spricht man öffentlich natürlich nicht). Und wenn das „Mehr“ ausgereitzt ist, wird nach den Regeln der Bereicherungslehre verfahren: den ‚Laden‘ schließen oder günstig aussteigen, was bringt mehr? Unter Investoren gilt der Primat der Gewinnmaximierung; nur einfach Gewinne zu erwirtschaften, ist schlicht zu wenig.

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