Katarina Kutsche kommt in der SZ vom 9.4.2018 zu dem einfachen Schluss, dass die private Krankenversicherung abgeschafft werden sollte. Der regelmäßige Zeitungsleser ist am meisten verblüfft, dass die Begründung der Abschaffung sich nicht (wie im Wirtschaftsteil gewohnt) mit den Marktverwerfungen, den möglicherweise entgangenen Provisionen und der ‚notleidenden‘ Versicherungswirtschaft beschäftigt, sondern dass Kutsche schlicht vom Menschen her argumentiert, der sich, einmal auf die private Krankenversicherung festgelegt, wirtschaftlich keinen Gefallen getan hat.
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Ich kenne eine beachtliche Zahl von sogenannten ‚Solounternehmern‘, die den Fehler begangen haben, sich aus der gesetzlichen Versicherung zu verabschieden oder nie drin waren; Rentner, die den Beitrag der privaten Versorgung sich nicht mehr leisten können; Beamte des unteren und mittleren öffentlichen Dienstes, denen das gleiche blüht. Also die private Krankenversicherung abschaffen!
Einverstanden – aber dann müssen zumindest für eine Übergangszeit Übertritte in die gesetzliche Krankenversicherung möglich sein, wobei die aufgelaufenen Rückstellungen der Privaten Versicherer der gesetzlichen Versicherung zufließen müssen. Das nimmt den Privaten natürlich die Chance, sich das Ende ihres Geschäftsmodells mit einen schönen Ertrag zu versüßen.
Gleichzeitig muss man dafür sorgen, dass alle Bürger in Deutschland automatisch Teil der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Es steht jedem frei, sich darüber hinaus mit Zusatzversicherungen zu versorgen. Wenn alle Bürger eine automatische Mitgliedschaft erwerben, wird man für diejenigen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können (egal aus welchem Grunde), eine Lösung anbieten müssen. Angesichts der künftig erwarteten Wirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt müssen hier rechtzeitig sinnvolle Modelle entwickelt werden, die auch bei hohen Arbeitslosenquoten noch umsetzbar sind.
Wenn man schon beim Durchputzen ist, sollte man auch die schwachsinnige Riester-Rente umbauen. Welcher Schwachkopf hat den Gedanken aufgebracht, das Vermögen der Altersversorgung der unteren Einkommensbezieher in Form der Riester-Rente an die Börse zu bringen? Was sollen Fonds für diese Einkommenskreise? Hat sich schon einmal jemand die Mühe gemacht und die langfristige Rentabilität von Fonds kritisch zu hinterfragen? Dazu ist mehr erforderlich als nur eine einfache Statistik, die uns glauben machen will, dass langfristig die Börse „regelmäßig“ um ca. 3% steigt. Diese Aussage ist doch nur möglich, wenn gedanklich eine imaginäre Trendlinie gezogen wird. Das ist aber nicht die Wirklichkeit, sondern ein in der Realität nicht existierender Konstrukt, der sich immer nur für die Vergangenheit darstellen lässt. Niemand kann in den „Trend“ investieren!
Wer an der Börse nicht dauernd ein Auge auf diese Anlageform hat, wird sein blaues Wunder erleben. Alle, die an der Börse „spielen“ (und nicht nur dort), müssen aus ihrer Lebenssituation heraus akzeptieren können, dass der Schuss auch nach hinten losgehen kann – das ist immer ein Risikogeschäft und da hat eine Altersversorgung der ‚kleinen Leute‘, die auf eine hohe Sicherheit angelegt sein muss, nichts verloren. Da nützt auch das Geschwätz von der Diversifikation nichts – es bleibt ein Risiko, das für den sogenannten kleinen Mann (mit geringem bis mittleren Einkommen) keine Basis für eine Altersversorgung darstellen kann.
Die vertraglichen Auszahlungsgarantien dieser Fonds gelten doch nur so lange, wie die Fonds oder der Versicherer liquide sind, keine Finanzblasen platzen, keine Schuldenkrisen den Markt durcheinander wirbeln. Finanzkrisen haben wir inzwischen alle paar Jahre. In der Altersversorgung muss auf einen Horizont von 30 Jahre oder mehr investiert werden mit der Nebenbedingung, dass über eine Inanspruchnahme (im Fall einer Lebenskrise) jederzeit verfügt werden kann. Kapitalistische Unternehmen sind nicht auf die Ewigkeit programmiert. Das ganze Wirtschaftssystem baut auf erfolgreichen Vierteljahresreports auf: Altersversorgung aber ist ein Institut, das auf 30 bis 50 Jahre angelegt sein muss. Da besteht ein elementarer Interessenskonflikt zu Lasten der kleinen Anleger. Also abschaffen bzw. umbauen!
Die Lösung im Rahmen des Umbaus: Keine unseriösen Versprechungen mehr, keine Provisionen (ohne jede Erfolgsgarantie), geringe Verwaltungskosten, seriöse transparente Ergebnisse: Das Ansparen erfolgt durch eine öffentliche Einrichtung, die wie eine Kapitalsammelstelle organisiert wird. Das Kapital der Anleger wird nicht an der Börse platziert, sondern in relativ sichere Einrichtungen des öffentlichen Wohnungsbaus investiert, die z.B. durch Mieteinnahmen moderate Renditen erwirtschaften, die der Altersversorgung gutgeschrieben werden.
Alle Stiftungen, die einen Geldbetrag hinterlegt haben und auf Zinseinnahmen angewiesen sind, haben gegenwärtig ein Problem, ihren Stiftungsaufgaben nachzukommen. Erfreuliche Ausnahmen sind nur jene Stiftungen, deren Vermögen in langfristig rentierlichen Immobilien steckt.
Das führt uns zu weiteren Gesichtspunkten des Abschaffens und Umbauens: Markus Söder, neuer Ministerpräsident Bayerns und ehemaliger Finanzminister, hat vor Jahren, als die Löcher der Alpe-Adria-Gruppe bei der Landesbank immer größer wurden, die ‚glorreiche‘ Idee vertreten und umgesetzt, die Löcher durch den Verkauf von 30.000 öffentlich finanzierten und damit in gewissen Grenzen preisgebundenen Wohnungen in Bayern an ein großes privates Immobilienunternehmen zu verkaufen. Das Alpe-Adria-Loch scheint geschlossen. Wir können aber den exorbitanten Mietanstieg in München zu einem guten Teil auch auf die Folgen aus diesem ‚Deal‘ zurückführen.
Man darf davon ausgehen, dass Markus Söder sich im Rahmen des geplanten Deals ein Wertgutachten hat anfertigen lassen, allein schon deshalb, um dem Vorwurf eines zu niedrigen Verkaufspreises einen Riegel vorzuschieben. Was aber solche Wertgutachten gewöhnlich nicht berücksichtigen (es ist nicht Teil des üblichen Bewertungsverfahrens), ist die Erkenntnis, dass die Freigabe von 30.000 Wohnungen(!) aus einer Preisbindung dem Markt einen gigantischen Preis-Impuls versetzt. Diesen Effekt, der sich dadurch ergibt, dass ein großer Teil des Immobilienmarktes, der vordem unter öffentlicher Einflussnahme stand, ausschließlich dem privaten Gewinnstreben überlassen wird. Es sollte niemanden wundern, wenn dann die Mieten durch die Decke gehen. Diese Gesichtspunkte hätte das Gutachten ebenfalls erfassen und bewerten müssen, zumindest für die 30.000 Wohnungen. So gesehen hat Markus Söder den ganzen Komplex zu billig verhökert und Gemeineigentum zum Nachteil der Bürger verschleudert.
Jetzt (!) wurde politisch erkannt, dass öffentlicher Wohnungsbau für den Wohnungsmarkt extrem wichtig ist. Aber die Planungen in der Regierungserklärung (2018) von 2.000 Wohnungen in den kommenden Jahren in Bayern ist angesichts des Verkaufs von 30.000 Wohnungen wohl ein schlechter Witz. Wenn wir den oben angeführten Gedanken von einer öffentlichen Einrichtung aufgreifen, die als Grundlage des Umbaus der Riester-Rente vorgesehen wird, die Kapital sammelt und diese Gelder in den öffentlichen Wohnungsbau investieren würde, so wären in kurzer Zeit die öffentliche Wohnungsbaufinanzierung gesichert und der Zuwachs von öffentlichem Wohnungsraum würde dem Bedarf eher entsprechen können. Die Errichtung und Verwaltung übernehmen die kommunalen Wohnungsbaugenossenschaften. Das Programm wäre unschlagbar.
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