„Nach den Debatten um ausufernde Kosten für öffentlich-private Partnerschaften geraten damit auch öffentlich geplante Bauprojekte in die Kritik.“ – so Markus Balser in der SZ vom 14. September 20217. Sicher besteht bei der öffentlichen Projektplanung Raum für Verbesserung. Aber wie sind 80 Bauprojekte mit Kostenüberschreitung zu werten? Wieviel Projekte wurden denn insgesamt abgewickelt?
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Da hier keine Angaben gemacht werden, darf man in einem politischen Umfeld getrost davon ausgehen, dass die 80 Projekte im Rahmen des Bau-Gesamtvolumens der öffentlichen Hand einen wesentlichen Anteil haben. Womit die Zahl erschreckend hoch ist. Von ‚Ausrutschern‘ kann da nicht die Rede sein.
Da werden systematisch Fehler begangen und -. Schlimmer noch – sie werden ständig wiederholt. Das System scheint nicht lernfähig zu sein. Und das ist besonders ärgerlich. Aber es ist nicht recht einsichtig, dass die betreffenden Bauleitungen so unfähig sind – es erscheint eher wahrscheinlich, das sich die mangelnde Lernfähigkeit aus der politischen Handhabung heraus entwickelt (siehe unten das Beispiel, das einer tatsächlichen Abwicklung nachempfunden ist).
Aber zurück zu den ‚Debatten‘ um die öffentlich-privaten Partnerschaften:
Dort wo die Verwaltung verantwortlich zeichnet, wissen wir wenigsten von den Problemen und Herausforderungen. Bei den öffentlich-privaten Partner-Projekten weiß die Öffentlichkeit gar nichts, denn die dort üblichen Verträge im Rahmen dieser ‚Partnerschaft‘ enthalten mit hohen Strafzahlungen bewehrte Verschwiegenheitsklauseln, die sicherstellen, dass die Öffentlichkeit (die Medien, die politischen Gremien u.a.) keine Informationen erhalten. Damit ist der politischen Öffentlichkeit jede Chance genommen, festzustellen, ob die von den Lobbyisten so gelobte Partnerschaft zwischen Privat und öffentlicher Hand wirklich eine „Win-win-Situation“ darstellt oder schlimmstenfalls im Desaster ertrinkt (siehe die jüngsten Pressemeldungen über die drohende Insolvenz des Betreibers der A1 oder der unerlaubte Griff privater Partner in die gemeinsame Kasse bei einem anderen ÖPP-Projekt).
Die Vorstellung, dass der private Partner automatisch Bau-Projekte besser realisiert, ist reichlich naiv. Diese Projekte sind in ihrer Durchführung komplex und anspruchsvoll und erfordern ausgewiesene Fachleute. Der private Partner schätzt natürlich die Mitwirkung der öffentliche Hand: einmal wegen der Finanzierungssicherheiten (wenn es schief geht, ist immer noch die öffentliche Hand im Spiel mit dem Druck der öffentlichen Meinung) und zum anderen scheint die öffentliche Hand sich nur schwer auf die privatwirtschaftlichen Usancen einstellen zu können, was dem privaten Partner oft zum Vorteil gereicht. Wenn zwei Unternehmen Aktivitäten gemeinsam angehen, so wissen beide Partner von vornherein, dass das ein Balanceakt wird und beide ziehen dem gemeinsam zu gestaltenden Prozess enge Korsettstangen ein, um sicherstellen zu können, dass die Risiken dieses Geschäftes wirklich gleichmäßig verteilt bleiben. Konkret heißt das, dass jede Seite regelmäßig ihre jeweiligen Controller losschicken, um ‚Nachlässigkeiten‘ aufzuspüren. Tiefes wechselseitiges Misstrauen bestimmt den Alltag der ‚Partnerschaft‘.
Im Gegensatz dazu vertraut man im öffentlichen Raum darauf, sich auf die strikte Einhaltung der Verträge verlassen zu können. Es ist ihnen nicht vermittelbar, dass der Vertrag nur immer insoweit gilt, als die Vertragsklauseln in der täglichen Praxis immer wieder neu eingefordert werden. Dazu braucht es einen Controller (einen „Wadelbeißer“), der kontinuierlich darauf achtet, dass sich der ‚Partner‘ auch nach Vertragsabschluss vertragsgemäß verhält. Die Vorstellung der öffentlichen Hand, man könne ja immer noch den Klageweg einschlagen, verkennt die schnelllebige Praxis – klagen ist zu aufwändig, zu zeitraubend und im Ergebnis viel zu unsicher.
Es fällt auch auf, dass Alexander Dobrindt 2014 in der Presse die Auffassung vertrat, dass ein bestimmtes ÖPP-Projekt 40 % einspart hätte. Im Gegensatz dazu stellt dann der Bundesrechnungshof fest, dass bei diesem Projekt eine Kostenüberschreitung von 28% vorliegt. Die Differenz in den Aussagen von 68 % bedeutet, dass entweder Herr Dobrindt lügt oder das er möglicherweise von einer anderen Projektdefinition ausgeht. Alexander Dobrindt rechnet sich das Projekt vermutlich schön, indem er nur Teile des Projektes betrachtet. Und der Rechnungshof begutachtet natürlich das fertige und komplette ‚Werkstück‘.
Diese seltsame (ausschnittsweise) Betrachtungsweise hat im politischen Alltag leider Methode. Auf diese Weise kommen vermutlich auch die eingangs von der SZ genannten z.T. unverständlichen Kostenüberschreitungen bei öffentlichen Aufträgen zustande. Das schließt aber nicht aus, dass von Fall zu Fall auch technische Abwicklungsfehler aufgetreten sind.
Ein einfaches, möglicherweise symptomatisches Beispiel für die politische Behandlung von Projekten mag der folgende Sachverhalt umschreiben: Die Projektumsetzung wird in einer ersten seriösen Kostenschätzung der planenden Ingenieure mit 250 Millionen Euro angesetzt. Das Entscheidungsgremium der Politik (z.B. ein Ausschuss) kommt zu der Auffassung, dieses Volumen könne man dem Plenum so nicht vorlegen – das Projekt würde dann angeblich keine Mehrheit finden. Also ergeht der an sich schon unseriöse Auftrag an die Ingenieure, es billiger zu rechnen. Die zucken mit den Achseln und machen deutlich, das geht nur dann, wenn das Projektvolumen reduziert wird – z.B. Außenanlagen weglassen, Betriebsvorrichtungen weglassen u.s.w.. Der neue niedrigere Kostenvoranschlag findet dann die Zustimmung des Gremiums und das unvollständig erfasste Projekt wird fälschlicherweise unter dem unverändert gleichen Namen dem Plenum vorgestellt und dort auch genehmigt. Keiner im Plenum merkt, dass er nur einem rudimentären Rumpf-Projekt zugestimmt hat.
Aufgrund der Zustimmung wird gebaut und siehe da, die Kosten des fertiggestellten Projektes belaufen sich am Ende aller Tage auf rd. 250 Millionen Euro. Verglichen mit dem Kostenansatz der Plenumsentscheidung liegt eine gewaltige Kostenüberschreitung vor, weil natürlich der volle Umfang des ‚Werkes‘ (mit Außenanlagen, mit Betriebsvorrichtungen u.ä.) letztlich gebaut wurde. Das Projekt wäre ja sonst eine Bauruine geworden. Und wenn es angefangen wurde, ist es politisch nicht zu vertreten, dass es nicht fertiggestellt wird. Man nennt so etwas Salami-Taktik. Also wird mit politischem Groll im Herzen nachfinanziert.
Und dieser politisch induzierte Unsinn führt dann zu dem medienwirksamen Aufschrei: Die öffentliche Hand sei nicht in der Lage, kosteneffizient zu bauen. Es stellt sich heraus, dass der ursprüngliche Kostenansatz der Ingenieure völlig richtig ermittelt wurde, aber die politischen Gremien so lange an dem Kostenansatz (ohne die Baumassen ausreichend zu beachten) ‚herumgedoktert‘ haben, bis das rauskam, was sie für ihre politischen Zwecke benötigten – und für die Kostenüberschreitung sind sie nicht haftbar zu machen (und wer weiß, wer dann zu diesem Zeitpunkt an deren Stelle sitzt). Die Ingenieure wiederum haben das gebaut, was ursprünglich geplant und funktionell sinnvoll war, aber eben zu Kostenüberschreitungen gegenüber dem „politischen Ansatz“ geführt haben. Wenn die Medien nach der Fertigstellung des Projektes die Ingenieure gefragt hätten, hätten diese stolz berichtet, sie haben das Projekt plus minus zehn Prozent in dem Rahmen vollendet, den ihre sachverständige Bewertung bei sorgfältiger Schätzung vorausgesagt hatte. Für die Politik fühlen sie mit Recht nicht zuständig. Aber sie kommen ständig zwischen die politischen Mühlsteine und müssen mit den oft substanzlosen Vorwürfen der Medien leben, die sich nicht die Mühe machen, das politische Ränkespiel zu durchschauen. Das ist zweifelsohne das größere öffentliche Ärgernis!!
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