Tod einer Ideologie – leider eine verfrühte Hoffnung

DIE ZEIT vom 02.06.2016 zitiert als Aufmacher unter der oben angeführten Überschrift den Internationalen Währungsfonds, deren Vertreter offensichtlich eingeräumt hat, „dass die Entfesselung der Marktkräfte die Wirtschaft in vielen Fällen nicht wie erhofft gestärkt, sondern vielmehr geschwächt habe.“ Die Politik „hat sich von der Arroganz  (des Neoliberalismus) blenden lassen, statt die neoliberale Theorie als das zu behandeln, was sie in ihrem Kern ist: eine von vielen möglichen Sichtweisen auf die Welt. DIE ZEIT findet diese Aussagen deshalb bemerkenswert, weil der Internationale Währungsfonds gemeinhin als einer der Hüter des neoliberalen Denkens gilt.

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Wenige Tage später wird in DIE WELT vom 10.6.2016 eine ähnliche Aussage von OECD – Vertretern zitiert: „Wir hatten die lockerste Geldpolitik aller Zeiten, … Aber die Produktivität verbessert sich nicht, die Volkswirtschaften wachsen kaum … und es gibt keine Anzeichen, dass die Inflation zurückkehrt.“ An anderer Stelle wird ausgeführt: „Nach sieben Jahren immer aggressiverer geldpolitischer Maßnahmen, wird zunehmend deutlich, dass sie (die EZB) die langfristige Stabilität der Eurozone riskiert, wenn sie weiter der aktuellen Lehrmeinung folgt und auf eine breite quantitative Lockerung und negative Zinsen setzt.“ Auch die OECD wird gewöhnlich zu den neoliberalen Gralshütern gezählt und die angeschlagenen Töne aus deren Munde irritieren.

Weiterhin interessant ist die Tatsache, dass solche den Grundsatz unserer gegenwärtigen Wirtschaftspolitik betreffenden öffentlich gemachten Erkenntnisse von der Mehrheit der Medien überhaupt nicht aufgegriffen werden. Man könnte auch zu der Feststellung kommen, diese Art Nachrichten werden systematisch ignoriert.

Es ist Im Übrigen dem Verfasser dieser Zeilen nicht gelungen, die Auffassung der beiden Blätter bei den Veröffentlichungen des Währungsfonds oder der OECD nachzuvollziehen. Es wird viel veröffentlicht, aber die oben angeführten Aussagen stehen da eher allein auf weiter Flur. Zwar geben die beiden Artikel die allgemeine Wahrnehmung der interessierten Öffentlichkeit zutreffend wieder, aber die Erwartung, dass diese Wahrnehmung auch Teil der Handlungsmaxime der Institutionen geworden sein könnte oder auch nur in Zukunft sein würde, lässt sich leider nicht bestätigen. Eher herrscht hier immer noch die Maxime des ‚Augen zu und durch‘. Also wird der ‚Tod dieser Ideologie‘ zwar immer wahrscheinlicher, weil ihre Defizite immer deutlicher werden, aber noch lebt sie!

Es verdienen zu viele an den realen Auswirkungen dieser Ideologie und die, die diese Verdienste erwirtschaften müssen, sehen sich mangels Konsens nicht in der Lage, dagegen aufzumucken. Es gibt zwar politische Anzeichen, dass eine Änderung nicht ausgeschlossen ist, aber ob diese zarten sozialen Ansätze sich durchzusetzen vermögen, bleibt abzuwarten.

Ideologien sterben im Übrigen langsam. Die Vertreter der Ideologie immunisieren sich gegen berechtigte Einwände. Da kann kommen was will, es lassen sich immer Gründe finden weiterhin der Ideologie zu folgen. Ideologien beginnen erst zu sterben, wenn ihre Hauptvertreter biologisch das Zeitliche segnen oder die politischen Folgen der Ideologie so verheerend werden, dass ihr Versagen jedermann offensichtlich wird. Dann wird Platz für eine neue Idee zu sein. Ob sie eine offene Idee bleibt oder zur Ideologie verkommt, ist eine Frage, was wir politisch zulassen. Der Neoliberalismus ist dazumal auch nicht vom Himmel gefallen, wir haben uns durch seine scheinbaren Erfolge blenden lassen und die damals schon absehbaren Konsequenzen ignoriert.  Die gesellschaftlichen Umverteilungen von Arm nach Reich und die sozialen Defizite der Altersversorgung, der Bildung, und der Gesundheitsvorsorge, die der Neoliberalismus verursacht hat, werden uns noch über Generationen nach seiner Abschaffung beschäftigen.

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