Ökonomische Zusammenhänge – Versuch über eine unpopuläre Darstellung

Der Versuch, ökonomische Zusammenhänge so zu formulieren, dass sie auch Laien verständlich sind, ist bisher nicht so recht gelungen. Der Neoliberalismus verwendet vielfach simple Bilder und erklärt Zusammenhänge, wo oft keine sind. Also versuchen wir auch für unsere Botschaft, einfache Bilder zu verwenden, wohl wissend, dass dadurch die Aussage u.U. leidet.

Ausgangspunkt ist ein betrieblicher Bezug, den wir (zugegeben unvollständig) in einen volkswirtschaftlichen Rahmen stellen. Den Anfang macht eine verkürzte betriebswirtschaftliche Ertragsrechnung, um deutlich zu machen, wo Unternehmen in der Zukunft die Politik bedrängen wird, um Ertragsspielräume für sie zu schaffen.

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Vom Umsatz, den ein Unternehmen am Markt erzielt, werden die damit in Verbindung stehenden Aufwendungen mit Ausnahme der Personalkosten abgezogen und ergibt eine Bruttoertragsziffer, die die Betriebswirtschaft i.d.R. nicht so gerne verwendet. Diese Ertragsziffer repräsentiert den Gewinn eines  Unternehmens vor Personalkosten, vor Zinsen und Steuern und macht deutlich welche Anforderungen der so definierte Bruttogewinn im Folgenden noch befriedigen muss:

  • die Forderungen der Mitarbeiter (einschließlich Vorstand) – d.h. ein Teil dieses so definierten Bruttogewinns fließt den Mitarbeitern in Form von Lohn und Gehalt zu.
  • Die Zinsforderungen sind der Anteil des Bruttogewinns, der den Fremdkapitalgebern vertraglich zusteht.
  • Die direkten Steuerforderungen sind der Anteil des Bruttogewinns, der dem Staat gesetzlich zusteht. (Die indirekten Steuern werden hier nicht erfasst, weil diese nicht das Unternehmen belasten, sondern letztlich vom Kunden bezahlt werden. Der Betrag wird vom Unternehmen aber für ihn abgeführt.)
  • die Nettogewinnforderung des Eigenkapitals – der üblich und gebräuchliche Gewinnbegriff der veröffentlichten Gewinn- und Verlustrechnung. Dieser kann (nach Verrechnung mit Verlusten) ganz oder teilweise ausgeschüttet oder einer Rücklage zugeführt werden.

Wir haben bewusst mit der Unternehmensrechnung begonnen, weil das jene Zusammenhänge sind, in denen die meisten in der Wirtschaft Tätigen zu denken gelernt haben. Nun versetzen wir uns in die Lage der Geschäftsleitung eines solchen Unternehmens und betreiben ein paar simple Gedankenspiele:

Umsatz ergibt  sich aus dem Verkauf von Produkten der Unternehmen, die ihre Abnehmer auf Märkten finden sollen. Wenn die nationalen Märkte zu eng und zu wettbewerbsträchtig werden, glaubt man die globalen Märkte für eine weitere Ausdehnung des Umsatzes bzw. des Wachstums nutzen zu können. Neben den Zugangsrestriktionen (Kosten, Manpower, Knowhow) haben sich da schon die Konzerne etabliert und sorgen dafür, dass die Zugangsrestriktionen für Newcomer hoch bleiben.

Ein anderer Ansatz versucht neue „Märkte“ in Bereichen zu schaffen, die klassisch keine Märkte sind (wie z.B. der Versuch die Grundversorgung der Bevölkerung zu „vermarkten“). Die immer wieder angeheizte Privatisierungsdiskussionen muss man vor dem Hintergrund global schrumpfender Markt- und Wachstumschancen sehen und verstehen. Es geht nicht mehr darum, ob die Grundversorgung nicht doch besser vom Staat wahrgenommen wird, es geht darum, dass dem global organisierten kapitalistischen System die originären Märkte ausgehen. Selbst der technologische Wandel, der sonst immer die ‚Rettung‘ darstellen soll, hilft vielfach nicht mehr. Oder wie soll man die Energiewende interpretieren: die technische Möglichkeit einer weitgehend dezentralen Produktion von Strom wurde von dem Oligopol der Energiewirtschaftskonzerne übersehen (vielleicht auch verschlafen) und nun stellen sie mit Schrecken fest, dass ihnen ihr ‚altes‘ Geschäftsmodell mit ausschließlich zentralen und großen Energieversorgungeinheiten auf Basis alter Technologie unter den Fingern zerbröselt. (Und dafür wollen sie dann noch Schadenersatz beanspruchen.)

Aus den wenigen Beispielen soll deutlich werden, dass die Erweiterung des Umsatzes bzw. des Wachstums cum grano salis äußerst aufwendig geworden ist. Das Wachstum unserer Standorte in der westlichen Welt läuft trotz der Flutung der Märkte mit billigem Geld gegen Null. Hier baut sich ein gewaltiger Druck auf und er wird kontinuierlich zunehmen, solange man das wirtschaftliche Heil ausschließlich im Wachstum sucht.

Wenn also die Umsatz- bzw. die Absatzseite sich zunehmend risikoreicher gestaltet, richtet sich eine wendige Geschäftsleitung oder volkswirtschaftlich ausgedrückt, richten sich die Unternehmen danach aus, wo sie denn glauben, noch über Spielräume zu verfügen. Und hier tun sich aus der unternehmensstrategischen Sicht wenigstens drei Aktionsfelder auf. Der oben etwas unorthodox definierte Ertrag eines Unternehmens fließt ja in vier klar unterscheidbare Taschen:

  • in die Taschen der Eigentümer oder Aktionäre als Kapitalverzinsung,
  • in die Taschen der Belegschaft als Arbeitsentgelt,
  • er fließt an die Fremdkapitalgeber für die Bereitstellung der Finanzierung und
  • an den Fiskus (für die Infrastruktur), soweit direkte Steuern erhoben werden.

Wenn man davon ausgeht, dass die Kapitalverzinsung der Eigentümer im Sinn der Shareholder’s Value-Ideologie als Parameter eher nicht zur Disposition steht, so bleiben die drei oben verbleibenden Aktionsfelder.

Personalkosten

Die Zahl der Arbeitnehmer übersteigt schon lange den eigentlichen Bedarf an Arbeitnehmern mit der Folge, dass entweder die Zahl der Arbeitslosen zunimmt (was die Politik scheut) oder dass das Entgelt für jene Arbeit, die wirtschaftlich entbehrlich erscheint, deutlich herabgesetzt wird (was die Verbände der Politik wohl nahegelegt haben). Das Ergebnis ist der Niedriglohnsektor, in dem inzwischen etwa 12 Mio. Menschen beschäftigt sind.   Eine etwas weniger auffällige Gestaltung richtet sein Augenmerk auf die Leiharbeit. Hier werden Beschäftigungsspitzen mit Leiharbeitskräften zu deutlich herabgesetzten Löhnen und Gehältern und reduzierten Rechten abgefedert. In das gleiche Horn stößt die Verlagerung der Sozialbeiträge zu Lasten der Beschäftigten. All diese Maßnahmen wurden unter dem Primat einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft behandelt. Dieses Argument scheint vordergründig zu stimmen. Die Verhandlungspartner schieben dabei aber die Erkenntnis weit von sich, dass durch diese Maßnahmen ein Problem heute kosmetisch kaschiert wird und spätestens in 15 bis 20 Jahren den Handelnden wieder in Form von heftig ansteigender Altersarmut auf die Füße fallen wird und wir nicht wissen, unter welchen Bedingungen wir dann nach einer Lösung suchen müssen. Die Politik hat die Unternehmen aus der Verantwortung entlassen, gibt ihnen durch Kostenentlastung eine einseitig vereinbarte Gewinnchance, ohne sie für die erkennbaren Folgen zu nachhaltigen Zugeständnissen zu verpflichten. Der Spielraum, der 

Zinsen

Aufgrund der Flutung sehen wir die Folgen heute: der Zins ist aufgrund des Überangebots bei etwa Null angekommen. Das Geld ist mit anderen Worten extrem billig, vielleicht sogar im Grunde ‚wertlos‘. So wird das ‚System‘, das durch einen Forderungsschnitt eventuell in Gefahr geraten wäre, nun durch andere Zusammenhänge genauso in Frage gestellt. Der eingeschlagene Weg, das System zu fluten, hatte nur den Vorteil, dass Zeit gekauft werden konnte, die dazu genutzt wurde, dass sich die großen Vermögen aus der Affäre ziehen konnten und dann der Staat bzw. der Steuerzahler stellvertretend letztlich die Zeche bezahlt.

Der niedrige Zins erspart den Unternehmen (und insbesondere dem Staat) erhebliche Zinsaufwendungen und macht die hohe Verschuldung erträglich. Folglich wird – wo immer möglich – umgeschuldet, um Zinsaufwand zu sparen und damit die oben genannte Ertragsziffer der Unternehmen zugunsten des Bruttogewinns zu stärken. Aber hier ist der Handlungsspielraum im Wesentlichen ausgeschöpft. Negative Zinsen sind zwar denkbar, aber stellen m.E. einen Systembruch mit unübersehbaren Folgen dar.

Steuern

Die direkten Steuern der Unternehmen sind von nahezu 50 % vor etwa 30 Jahren auf inzwischen etwa 30% gefallen. Zusätzlich wurde unter Helmut Kohl die Vermögensteuer ausgesetzt und einige Jahre später die Veräußerungsgewinne von Unternehmen so gestaltet, dass man sie mit wenig Aufwand steuerfrei halten kann. Kaum ein ‚Otto Normalverbraucher‘ hat begriffen, dass jenseits des Vorstellungsraumes des „kleinen Mannes“ hier legale Steuerdeals eingefädelt wurden, bei denen Gewinne u.U. steuerfrei erzielt werden können, die für den ‚keinen Mann‘ gar nicht vorstellbar sind. Diese Maßnahmen haben offensichtlich noch immer nicht die Gewinnerwartungen erfüllen können, also gehen manche Unternehmen nach Luxemburg, in die Schweiz, zur Deutschen Band oder nach Guernsey, Isle of Wight oder gleich auf die Bahamas. Auch Panama hat sich offensichtlich hier hervorgetan, um Vermögen anonymisiert besitzen zu können – denn, wo kein Steuersubjekt identifizierbar ist, da gibt es im Inland keine Besteuerung. Wenn all dieses Geld, das in den Kanälen der Geldindustrie versackt ist, ordentlich zu Versteuerung käme, – unvorstellbar! Herr Schäuble würde in Freudentränen ausbrechen, seine fixe Idee von der schwarzen Null würde plötzlich problemlos Realität werden können.

Fazit

In den letzten 30 Jahren wurden riesige Ertragstransferprogramme (letztlich Subventionen) für die Unternehmen losgetreten (Agenda 2010, Fremdkapitalzinsen gegen Null, Steuervergünstigungen für Unternehmen und deren Eigentümer).  Wenn man diesem Berg an Vergünstigungen jenes Häufchen gegenüberstellt, das den Otto Normalverbraucher zufriedenstellen soll, dann tut man sich schwer, die kleine Unebenheit des gemeinsamen Grundes, auf dem wir alle stehen, erkennen zu können. Da gibt es nichts von Bedeutung, auf das es sich lohnt, sein Augenmerk zu richten.

Da der Druck auf den Umsatz bzw. auf das Wachstum künftig nicht geringer wird, lässt sich anhand unseres kleinen Modells erkennen,  wo der Druck im ökonomischen System weitergegeben wird. Bei den Zinsen wird es schwierig, sie unter ‚null‘ rutschen zu lassen. Das sollten sich Politik und Wirtschaft gründlich überlegen. Der Druck bleibt also auf Personalkosten und Steuern, solange das Ziel in einer endlichen Welt unverändert Wachstum heißt.

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