Klimawandel – im Wandel?

Angesichts der politischen Entwicklungen sieht es so aus, als ob der Klimawandel etwas in den Hintergrund rückt. Diese Entwicklung ist deshalb fatal, weil mit dem Klimawandel Veränderungen angesprochen werden, die am Ende das Überleben der Menschheit bestimmen werden. Dieser Sachverhalt wird vielen Menschen nicht klar kommuniziert bzw. viele verschließen vor dieser harten Aussage die Augen und die Ohren. Man kann dieses Verhalten auch als Verdrängung bezeichnen.

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Das Grundproblem

Das besondere am Klimawandel ist, dass dieses Problem sich nicht auf ein Land oder eine Region beschränkt, sondern Klimawandel hat einen planetarischen Maßstab. Angesichts dieser Bedrohung glauben manche Menschen, sie können in die von ihnen als angenehm erinnerte Zeit rein nationaler Politik zurück. Geschichte, so wie wir sie verstehen, ist eine gerichtete Entwicklung, kennt also kein Zurück. Man kann nur empfehlen, die Geschichtsbücher zur Hand zu nehmen, um zu erkennen, dass es eine bessere Vergangenheit nie gegeben hat und dass unsere Chance ausschließlich in der sinnvollen Bewältigung einer uns noch unbekannten Zukunft liegt. Man sollte nicht alte Fehler wiederholen, nur weil man glaubt, man wisse wie dann zu handeln sei.

Die Problematik des Klimawandels teilt sich in mindestens drei große Bereiche, die untereinander in enger Beziehung stehen, aber politisch gerne als Einzelphänomene betrachtet werden:

Der Klimawandel fokussiert auf die absehbare Erderwärmung durch übermäßigen CO2 -Ausstoß und deren Folgen. Er versucht Maßnahmen zu entwickeln, die die heute absehbaren Folgen einer Erderwärmung mit Blick auf die nächsten Jahrhunderte minimieren. Ausdruck dieser Strategie ist das Ziel, die Erderwärmung global unter 1,5 Grad halten zu können. Der Grund für diese 1,5 Grad sind die bisherigen Erkenntnisse, dass dadurch die negativen Folgen der Erderwärmung noch in Grenzen gehalten werden können.

Die zu erwartenden Folgen sind nur bedingt auf das Klima bezogen. Unterhalb der Grenze von 1,5 Grad sollen die Klimawirkungen auf Ernährung, Dürren, Überflutungen, Unwetter, Erdrutsche, Auflösung des Permafrostes, Erhöhungen des Meeresspiegels mit der Folge von gewaltigen Migrationsströmen beherrschbar bleiben. Inzwischen zeigt sich, dass die globale 1,5 Grad – Grenze möglicherweise nicht zu halten ist, weil es Bereiche auf der Erde gibt, für die auch 1,5 Grad schon zu viel sind, wenn man die damit verbundenen Folgen vermeiden oder minimieren will.

Um das 1,5 Grad-Ziel erreichen zu können, müssen insbesondere die Industrieländer sich einer wirtschaftlichen Transformation unterziehen, die die sogenannten Marktkräfte in ihrer trägen Handlungsgeschwindigkeit bei weitem überfordern werden. Da der „Markt“ eindimensional auf Fragen der Ökonomie orientiert ist, wollen die Marktvertreter nicht erkennen, dass der Veränderungsprozess auch eine komplexe soziale Komponente braucht, um die künftigen Folgen der Veränderungen abzufedern. Aus der Sicht des ausgehenden Neoliberalismus setzt aber die Beachtung einer sozialen Komponente die Wirksamkeit des Marktmechanismus stark herab; mit anderen Worten: selbst wenn die Anpassung über den Markt erfolgen könnte, läuft uns die Zeit davon.

Die Investitionen in die Transformation werden viel Geld kosten. Den wirtschaftlichen Vorteil realisieren vermutlich erst künftige Generationen. Die Transformation ist so etwas wie der gezielte Umbau unserer Infrastruktur. Die Kosten dieser Transformation können m.E. nicht aus dem jeweils laufenden Haushalt bestritten werden. Öffentliche Haushalte müssen den „laufenden Betrieb“ finanzieren. Investitionen in die Zukunft müssen durch „Sondervermögen“ oder durch gesonderte Umlagesysteme finanziert werden. Die Umlagesysteme hätten den Vorteil, dass sie zwar die heutige Wirtschaft belasten, aber künftig keine Zinsaufwendungen für die kommenden Generationen auslösen werden.

Die zunehmenden Schadenereignisse

Ein zweiter Problemkreis liegt in der Zunahme der verheerenden Schadenereignisse. Seit der Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ (1972) werden zunehmend die Auswirkungen der Erderwärmung aufgezeichnet und man stellt fest, dass sich diese Ereignisse einerseits häufen und andererseits pro Ereignis an Mächtigkeit zunehmen. Große Teile der Politik verschließen sich dieser gut belegten Erkenntnis.

Die Versicherungswirtschaft, die im Schadenfall ihre betroffene Klientel finanziell zu entschädigen verpflichtet ist, sieht das deutlich anders. Für sie gilt der Erwartungswert des Schadens als Maßstab; d. h. Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens multipliziert mit der Schadenhöhe. Wenn in dieser Grundformel beide Formelwerte laufend zunehmen, also nicht alle 30 Jahre, sondern plötzlich alle zehn Jahre (oder weniger) und der Wert des Schadens aufgrund der Heftigkeit des Ereignisses samt Inflation laufend zunimmt, so werden die Prämien davon nicht unberührt bleiben. Altverträge haben eventuell noch Bestandsschutz. Bei Neuverträge wird sich die veränderte Situation in den Prämien und in dem Eigenanteil zur Schadenprävention (Erhöhung der Gestehungskosten) niederschlagen.

Zur allgemeinen Hochwasserexposition gibt es zudem öffentlich zugängliche, neue digitale Kartenwerke, an denen erkennbar wird, welche Gebäude mit welcher Wahrscheinlichkeit hochwassergefährdet sind. Die Kunden der Versicherer können sicher sein, dass gegenwärtig Schritt für Schritt eine Neubewertung ihres Risikos durchgeführt wird. Das ist bisher im wesentlichen eine Darstellung des privaten Sektors.

Die großen Schadenereignisse betreffen ja nicht nur Privatleute, sondern ganze Regionen und ihre öffentlichen Infrastrukturen (Wasser/Abwasser, Energie, Kommunikation, Verkehrssysteme, Digitalisierung u.v.m.), also unser Gemeinwesen. Im Falle des Ahrtal-Ereignisses spricht man von einer Schadenhöhe von 40 Mrd. Euro. Das war (2022) angeblich ein „Jahrhunderthochwasser“, Anfang des Sommers (2024) standen Bayern, die Rheinland-Pfalz und das Saarland unter Wasser – noch ein „Jahrhunderthochwasser“. Mit den Wassermassen, die jüngst in Rumänien, Niederösterreich, Tschechien und Polen niedergingen, sind wir teilweise noch an Elbe und Oder beschäftigt. Auch hier wird gerne von einem „Jahrhunderthochwasser“ gesprochen. Es liegen aber keine fünf Jahre dazwischen.

Worauf ich hinaus will, dass diese und ähnliche Ereignisse auch das Gemeinwesen finanziell erheblich belasten werden. Wir können diese Ereignisse langfristig nur dadurch eindämmen, dass wir uns „Zukunftsinvestitionen“ leisten, um die Wahrscheinlichkeit von Schadenereignissen künftig zu reduzieren. Wir haben aber parallel schon jetzt eine Entwicklung, die wir nur mit Mühe finanziell beherrschen. Es ist wahrscheinlich, dass diese Entwicklung einige Jahrzehnte noch weiter zunimmt, weil weltweit die Maßnahmen zur Reduktion der Erderwärmung einfach unzureichend sind. Mit anderen Worten: der schwache Wille, eine globale Transformation in Angriff zu nehmen, wird mit jedem Schadengroßereignis weiter geschwächt, weil die öffentliche Hand ihre Finanzmittel auch nur einmal ausgeben kann.

Resilienz

Mit dem Wort Resilienz oder Widerstandskraft wurde ein neues Wort geschaffen, um unseren seit 30 Jahren aufgebauten Defiziten in der Infrastruktur einen neuen Namen zu geben. Er soll vermutlich darüber hinwegtäuschen, dass die Politik ihre Erfolge in der Vergangenheit dadurch finanziert hat, dass sie Jahrzehnte lang kein Geld für die systematische Erhaltung der Infrastruktur bereitgestellt hat. Die verrottete Infrastruktur steht zur Wiederaufarbeitung an und wird zusätzlich Finanzmittel binden, die für Zukunftsaufgaben und für Hilfen bei Großschäden möglicherweise nicht zur Verfügung stehen werden.

Wie ist es dazu gekommen? Abgesehen vom politischen Willen, der immer auf Neuinvestitionen gerichtet war, ist mit der (laufenden) Reparatur der Infrastruktur kein Staat zu machen. Das wäre für die meisten Bürger zu selbstverständlich, für die Politik also wenig öffentlichkeitswirksam. Also haben neue Großinvestitionen immer Vorrang gehabt, weil sich die Politik dabei in Bild und Ton in der Öffentlichkeit erfolgreich darstellen kann.

Ein weiterer Gesichtspunkt liegt vermutlich im verwendeten Handwerkszeug: der kameralistisch orientierten Finanzplanung, Sie kommt einer einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sehr nahe. Was mit dem eingesetzten Geld geschaffen wurde (z. B. Anlagevermögen), wird nicht systematisch erfasst (weil der Stand der Digitalisierung in der deutschen Verwaltung eine sinnvolle Erfassung vermutlich auch nicht zulässt). Unternehmen dokumentieren ihre Investitionen ausführlich, um eine gesicherte Grundlage für die Ab- und Zuschreibungen zu haben, um anhand der Aufzeichnungen sinnvolle Reparaturzyklen zu bestimmen, mit dem Ziel eine optimale Nutzungsdauer des Geschaffenen zu erreichen. Die Kameralistik kennt aber keine Abschreibungen. Abschreibungen sind zeitliche Aufwandsverteilungen und die Kameralistik kennt nur Ausgaben (Geldabfluß).

Mit der Adaption des Begriffs der „Resilienz“ hat m. E. die Politik im Grunde den Klimawandel als unausweichlich klassifiziert und der Bevölkerung und der Wissenschaft ihre Resignation signalisiert, wir können es eh nicht ändern. Statt an die Wurzeln des Übels zu gehen, hat man das Problem stillschweigend akzeptiert und konzentriert sich jetzt auf die Behandlung der Symptome. Das ist ein typisch politisches Verhalten, man folgt dem Schwarm der bequemen Haltung und geht den Weg des geringsten Widerstandes.

Fazit

Je mehr wir in die Zukunft investieren (was jetzt Geld kostet) mit dem Ziel, die Folgen des Klimawandels zukünftig zu minimieren, desto weniger Geld werden wir für die Schadengroßereignisse bereitstellen müssen. Oder wenden wir es anders, je weniger wir uns um die Zukunft schweren, desto teurer kommen uns die heute absehbaren Schadengroßereignisse. Parallel dazu müssen wir unsere desolate Infrastruktur „resilient“ machen, damit uns die Auswirkungen der Schäden nicht so unvorbereitet treffen.

Diese Denkweise geht von der Fehlannahme aus, dass der Klimawandel wie ein Regenschauer vorüberzieht. Das wird nicht der Fall sein, weil die Prozesse, die durch den Klimawandel ins Rollen kommen, i.d.R. irreversibel sind. Wenn das Klima sein dynamisches Gleichgewicht verliert, ist eine Rückkehr auf das Ausgangsniveau aufgrund des physikalischen Phänomens der Entropie ausgeschlossen. Der Klimawandel stellt auf lange Sicht das Überleben unserer Spezies in Frage, weil wir uns systematisch aus dem relativ schmalen Korridor, indem intelligentes Leben im Kosmos überhaupt möglich ist, selbst hinauskatapultieren.

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