Kreislaufwirtschaft – was könnte das sein?

Bei Gesprächen zum Thema Umwelt taucht immer wieder der Begriff der Kreislaufwirtschaft auf. Viele werden an den Begriff des sogenannten Wirtschaftskreislaufs in der Ökonomie erinnert und damit endet das Erinnerungsvermögen. Man glaubt damit das Phänomen ausreichend verstanden zu haben. Bei genauerem Hinsehen muss man feststellen, dass kaum einer so recht weiß, was damit gemeint ist, je nach dem, ob er aus den Naturwissenschaften oder aus der Ökonomie kommt.

» weiterlesen

Die Ökonomie verwendet Kreislaufmodelle, aber die beschreiben nur den Kreislauf des Geldes. Den dahinter stehenden Mengendurchsatz kann die Ökonomie gar nicht erfassen, noch beurteilen. Was nicht in Geld ausgedrückt werden kann (wie z.B. Externalitäten), taucht in dem Modell auch nicht auf. Bei genauerer Betrachtung reduziert sich der in Geld erfasste Durchsatz an Material im Grunde auf eine schlicht lineare Beziehung: Ressourcenbereitstellung als Beginn der arbeitsteiligen Wirtschaft und deren komplexe Verarbeitung bis zum Endabnehmer. Also kann von Kreislauf keine Rede sein. Dabei werden die durch die Natur gesetzten Grenzen der Ressourcen umgangen, indem die Ökonomie keine Grenzen akzeptiert, sondern mit einer ewigen Substitution arbeitet. Und nach dem Verkauf an den Endkunden haben alle hoffentlich ihr Geld verdient. Der Müll rutscht deshalb „aus den Augen, aus dem Sinn“ in die ‚Rubrik‘ der Externalitäten und taucht in der Ökonomie nicht mehr auf. Das kann mit Kreislaufwirtschaft wohl nicht gemeint sein!

Diejenigen, die den Begriff der Kreislaufwirtschaft etwas differenzierter betrachten wollen, können sich auf die Naturwissenschaften beziehen . Dabei wird oft auf die Aussage hingewiesen: Die Biosphäre kennt keinen Abfall. Damit wird der Umstand erfasst, dass für jeden sichtbar, im Herbst und Winter die „Abfälle“ zweifelsohne entstehen, aber sofort mit der Ruhephase des Naturkreislaufs jener wesentliche Teil der Biosphäre zum Einsatz kommt, der sich des „Abfalls“ annimmt und diesen Schritt für Schritt in unterschiedlichen Zeiträumen wieder so weit aufzulösen in der Lage ist, bis der ehemalige „Abfall“ in seine natürlichen Bestandteile zerlegt ist. Dieser Prozess wird auch während der Vegetationsphase im Boden (weitgehend unsichtbar) fortgeführt. Die Biosphäre wird dadurch in die Lage versetzt, im Rahmen ihrer jährlichen Wiederaufbauphase die Photosynthese und die mineralische Versorgung aufzunehmen, um eine neue Kreislaufrunde einzuleiten.

Dies ist bei aller laienhaften Beschreibung das „große Modell“ der Kreislaufwirtschaft. Was sollte dem Leser dabei auffallen?

  • Die Kreislaufwirtschaft kommt ohne den Abbau von fossilen Vorräten aus.
  • Die Energiezufuhr im „großen Modell“ beschränkt sich auf die Sonneneinstrahlung.
  • Die Biosphäre begünstigt die Produktion solcher Produkte, die qualitativ (mit gewissen Verlusten) wieder in ihre Ausgangsstoffe rückführbar sind.
  • Die Verluste sind der Entropie geschuldet.
  • Der Mensch spielt keine maßgebliche Rolle, er kann aber die Prozesse nutzen.
  • Das ‚Recyceln‘ ist die klare Produktionsoption. Die Produkte sind so gestaltet, dass recyceln selbstverständlich ist. Wegwerfen ist keine Option – wohin auch!
  • Die oft unbeachteten Zersetzungsstrukturen der Biosphäre stellen mindestens die Hälfte der Bezüge dar, die eine Kreislaufwirtschaft erst erfolgreich machen.
  • Eine Kreislaufwirtschaft verwendet zur Produktion und Zersetzung ihre eigenen Zeiträume, das eigene Maß und die dem Prozess angemessene Geschwindigkeit. Die Vorgänge werden nicht von Effizienzüberlegungen dominiert.
  • Die planetare Biosphäre arbeitet subsistent, d.h. sie produziert und sie zersetzt das Produzierte wieder. Überschüsse haben für das planetare System keinen Nutzen.
  • Das System der planetaren Biosphäre ist weitgehend selbststeuernd und recht stabil. Die gegenwärtigen menschlichen Versuche der Einflussnahme führen deshalb nicht zum Zusammenbruch der Biosphäre, sie stellen nur die dominante menschliche Spezies vor kaum lösbare Aufgaben.

Es ist zu vermuten, dass dieses „große Modell“ als Vorlage für das „kleine Kreislaufwirtschafts-Modell“ diente, das im Rahmen der extensiven Landwirtschaft entwickelt wurde. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, der sich die Kreislaufwirtschaft zu nutze macht, hat nach meinem Verständnis das Ziel der Subsistenz: Nutzung der vorhandenen Ressourcen, Minimierung des Zukaufs und ein naturverträglicher, mit den gegebenen Möglichkeiten erzielbarer Überschuss, der über den Eigenbedarf hinausgeht. Im großen Modell ist die Erzielung eines Überschusses nicht sinnvoll. Wer sollte ihn abnehmen? Im kleinen bietet der Überschuss die Möglichkeit an einem Markt teilzunehmen, um die Vielfalt der Produkte zu erhöhen, die genutzt werden können.

Auf die landwirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen kann ich hier mangels ausreichender Kenntnisse nicht eingehen. Soweit ich es beurteilen kann, reduziert das kleine Modell i.d.R. die oft hohe Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe (Monokulturen). Wenn man nicht zukaufen will oder kann, muss das Fehlende selbst produziert werden. Das führt m.E. zum landwirtschaftlichen Allrounder, der von jedem etwas bietet, aber das Ziel hat, den natürlichen Kreislauf für den eigenen Betrieb zu gestalten und zu nutzen.

Wenn nun alle landwirtschaftlichen Betriebe Subsistenz betreiben würden, gibt es möglicherweise rasch Konflikte mit Vorstellungen, die der Spezialisierung das Wort reden. Die Arbeitsteilung, die wir insgesamt erreicht haben und die schwerlich wieder zurückgenommen werden kann, toleriert ohne Zweifel einen Anteil von schwerpunktmäßig subsistenten Betrieben, aber für eine ausreichende Ernährungssicherheit auf nationaler oder übernationaler Basis ist das „kleine Modell“ nur schwer vorstellbar.

Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft erscheint als das kleinere Problem. Kreislaufwirtschaft auf ein ganzes Wirtschaftssystem zu übertragen, ist eine deutlich größere Nummer. Und hier fehlt uns in der Ökonomie für einen erheblicher Teil des Prozesses die Theorie und Praxis. Wir müssen entweder von der reinen Geldbetrachtung verabschieden und uns auf die umgesetzten Mengen konzentrieren. Oder wir müssen erkennen, dass unsere Transformation der Prozesse in Geld hochgradig unvollständig ist; m.a.W. die Preise, mit denen wir heute hantieren, sind hinsichtlich der erfassten Ressourcen unvollständig und vernachlässigen wesentliche Teile des tatsächlichen Prozesses. Gemeint sind damit die sogenannten Gemeingüter (auch Commons genannt), die allen gehören, für die es keinen Markt gibt und die deshalb keinen Preis haben. Sie fließen gegenwärtig so nebenbei in die Produktion mit ein. Dabei ist die Hoffnung, dass bei echten Preisen aller (auch und gerade die „Preise“ der verwendeten Gemeingütern) am Prozess beteiligten Ressourcen dann ein nahezu vollständiges Bild der wirtschaftlichen Lage entsteht und so etwas wie Kreislaufwirtschaft entstehen kann bzw. möglich wird.

Wenn der Verbrauch (einschließlich der Gemeingüter) zu wahren, realen Kosten erfasst wird, werden sich die Strukturen unseres gegenwärtigen Systems sehr grundlegend ändern. Viele Produkte und Geschäftsmodelle werden sich schrittweise in Luft auflösen, weil niemand mehr bereit ist, angesichts des relativ geringen Nutzens die realen Kosten zu tragen.

Die folgenden Ausführungen gehen in Teilen auf Gedanken von Andreas Weber1 zurück, der dafür plädiert, die Wirtschaft (und damit wohl auch große Teile der Gesellschaft) an „zehn Geboten für eine humanistische Wirtschaft“ auszurichten. Ökonomisch konzentriert er sich nicht auf eine Kreislaufwirtschaft, sondern darauf, die ökonomischen Informationen (die Preise) auf eine realistische Basis zu stellen. Seine These folgt der Erkenntnis, dass die gegenwärtige Preisbestimmung nur jene „Preise“ einbezieht, die auf einem Markt entstanden sind. Diese Vorgehensweise vernachlässigt wesentliche Wirtschaftsgrundlagen. Im Wesentlichen kann man diesen Mangel auf die Unterlassung der preislichen Erfassung der Gemeingüter zurückführen, die (aufgrund des fehlenden Marktes) bisher keine Preise haben, aber ganz wesentlich dazu beitragen, dass die Wirtschaft diese Gemeingüter kostenlos nutzen und zu ihrem Vorteil verwenden kann.

Webers Begriff der Gemeingüter umfasst klassisch jene Güter, die wie Luft, Wasser, Landflächen, die im öffentlichen Besitz stehen, und von allen Bürgern unentgeltlich genutzt werden können. Ein kleiner Teil der Bevölkerung nutzt sie zu gewerblichen Zwecken. Zu den Gemeingütern zählt m. E. auch die Infrastruktur, weil man der Meinung sein kann, dass diese Struktur von allen Bürgern finanziert wurde, deren gewerbliche Nutzung also nicht einfach kostenlos gewährt werden darf. Der Gemeingüterbegriff ist seit einer Studie mit dem törichten Namen „Die Tragödie der Almende“2 in Verruf geraten. Erst die Studien von Elinor Ostrom3 haben diese Auffassung durch weltweite, empirische Untersuchungen als Ideologie entlarvt.

Das offensichtliche Problem liegt nun darin, dass es für die Gemeingüter keinen Markt gibt und auch nicht geben sollte. Wenn es keinen Markt gibt, gibt es nach herkömmlichem Verständnis auch keinen Preis. Das ist nicht zwangsläufig richtig – es gibt mangels Markt keinen Tauschwert! Es gibt aber sehr wohl einen Gebrauchswert, der in einer sogenannten Marktwirtschaft den Makel hat als eine Idee des Teufels angesehen zu werden und dessen Anwendung gerne vermieden wird. Der Gebrauchswert muss mangels eines Marktes anders bestimmt werden. Es gibt verschiedene Alternativen der Wertbestimmung, z.B. auf der Basis von Kosten oder durch die Einschätzung des individuellen oder gesellschaftlichen Nutzens der Sache. Das macht den Gebrauchswert wenig handlich und öffnet ihn auch für individuelle Bewertungsansätze.

Es gibt das Sprichwort: die Ökonomie kennt von allem den Preis, nicht aber den Wert. Auf den ersten Blick führt der gewählte Ansatz, für alle Ressourcen ‚Preise‘ anzusetzen, in die falsche Richtung. Der Grund für die obige Aussage liegt vermutlich darin, dass wir üblicherweise mit dem Marktwert hantieren und wir es wegen der fehlenden Handlichkeit vermeiden, den Gebrauchswert in Erwägung zu ziehen. Der Wert einer Sache wird beim Gebrauchswert nicht durch einen (oft spekulativen) Markt bestimmt, sondern durch ein komplexeres Verfahren, das gegebenenfalls standardisiert werden kann.

Zudem hat sich die Verwendung des Preises als Information so stark in unsere Gewohnheiten eingebrannt, das ein Ansatz von Mengenrechnungen und ähnlichen Maßnahmen wenig Aussicht auf Erfolg haben würde. Vor diesem Hintergrund erscheint der Preis durchaus als nützlich, aber eben nicht nur bezogen auf den Tauschwert, sondern auf einen umfassenderen Ansatz. Wie dieser Ansatz konkret organisiert wird, muss vorerst noch offen bleiben.

Nun zurück zur Kreislaufwirtschaft: Wenn es gelingt, allen Gütern (Wirtschaftsgütern und Gemeingütern) einen Preis zuzuweisen, so wird auch die Verwendung von Gemeingütern bei der Produktion zu zusätzlichen Kosten führen. Die Konsequenz wird sein, dass einerseits der Gedanke des Gebrauchswertes stärker in den Mittelpunkt des Geschehens rückt und der vielfach spekulative Tauschwert zurückgedrängt wird. Eine Reihe von Produkten werden aufgrund der neuen Kostenstruktur Preise auslösen, die möglicherweise in keinem Verhältnis zum Nutzen des Produktes stehen werden. Das gilt, so meine Erwartung, insbesondere für Billig- und Ramschware.

In einem weiteren Schritt können wir wieder die große Herausforderung der Kreislaufwirtschaft aufgreifen: ‚Die echte Kreislaufwirtschaft kennt keinen Müll‘. Das ist deutlich mehr als die Forderung: wir müssen mehr recyceln. Das Recyceln ist immer nur ein Bemühen. Die Aussage „keinen Müll!“ wird zu einer Grenze.

Heute produzieren wir für den Markt. Aber was mit dem Produkt nach dem Vermarktungsprozess geschieht, bleibt dem Zufall überlassen, niemand fühlt sich in unserer Gesellschaft dafür verantwortlich. In einer Kreislaufwirtschaft produzieren wir auch für den Markt und die Produzenten und der Händler stehen zusätzlich in der Verantwortung, keinen Müll auszulösen.

Heute bürden wir diese Verantwortung einseitig dem einzelnen Konsumenten auf, dem schwächsten Glied in der Prozesskette. Er hat dafür zu sorgen, dass das Produkt „recycelt“ oder doch wenigstens geordnet aufbewahrt (deponiert) wird. Das ist Unsinn, weil es der falsche Ansatz ist. Wenn das Produkt erst einmal entstanden ist, kann der Konsument es auch nicht mehr „in Luft auflösen“. Das Müllproblem muss schon bei der Konstruktion und Produktion Gegenstand des Denkens und Handelns sein und Müll verursacht Kosten. Wie das im Konkreten abzuwickeln wäre, ist eine gesellschaftliche Entscheidung und es gibt dafür gegenwärtig m.E. keine Patentlösung. Aber es wird deutlich, wo das Ziel liegen muss. Und die Zeit drängt, weil die Müllberge stetig wachsen.
……………………………………………………………………………………………………..

1Andreas Weber, Biokapital, Berlin, 2008

2Garrett Hardin, The Tragedy of the Commons, 1968

3Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, München 2011

» weniger zeigen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert