Globaliserung II – weitere Aspekte

Wir sind gewohnt und durch die Mainstream-Medien immer wieder aufgefordert, die Globalplayers durch deren eigene Brille zu sehen. Globalplayer haben deshalb einen großen Einfluss, weil für sie nicht das zählt, was für die Gesellschaft von Bedeutung sein könnte, sondern die Globalplayer begründen ihre gesellschaftliche Stellung ausschließlich auf der Grundlage des akkumulierten Kapitals, das sie repräsentieren und aus ihrem oft beherrschenden Einfluss auf die Märkte.

» weiterlesen

Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, ob diese Sicht der Zusammenhänge nicht wesentliche Sachverhalte ausblendet, die für das gedeihliche und auch wirtschaftliche Miteinander der Bürger von großer Bedeutung sind. Es muss doch noch andere Ansätze geben, diese globalen Wirtschaftsaktivitäten zu bewerten.

Thomas Beschorner und Martin Kolmar, beide von der Universität St. Gallen, haben in der Wochenzeitschrift ‚Die Zeit`‘ vom 23.12.2015, (S. 39) vier grundlegende Hinweise für die Ökonomie und die Wirtschaftswissenschaften zusammengetragen (ohne besonderen Bezug auf Globalplayer):
„Es gilt, (erstens), über den Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft nachzudenken, der eben nicht auf das Prinzip der Gewinnmaximierung reduziert ist. …
Es sind, (zweitens), Kriterien für erfolgreiche Unternehmen zu entwickeln, die den positiven Beitrag für die Gesellschaft nicht nur monetär (über den Gewinn) messen. Auch soziale und ökologische Folgen kann man heute oft bestimmen.
Moralische Verantwortung (setzt), (drittens), auch Freiheit voraus. Es reicht innerhalb von Unternehmen beispielsweise nicht aus, lediglich einen Katalog von Verhaltensrichtlichtlinien zu verfassen. „Dienst nach (moralischer) Vorschrift ist das Gegenteil ethischer Reflexion.“ …
Moral (muss), (viertens), in der Ökonomie überhaupt gedacht werden können, weshalb die Wirtschaftswissenschaften ihre Verhaltensannahmen nun dringend erweitern müssen.“

Diesen und ähnlichen Fragen haben sich die Globalplayer und ihre Akteure wahrscheinlich noch nie gestellt. Auch unsere Politiker müssten angesichts dieser einfachen oder grundlegenden Hinweise in Aufruhr geraten. Das ist im Grunde ökonomische ‚Ketzerei‘ in Potenz.

Der Globalplayer – und nicht nur er – lebt ganz natürlich in der Vorstellung, dass die Gesellschaft dazu da ist, die Erwartungen (der Konzerne) hinsichtlich ihrer Kapitalakkumulation zu unterstützen und das die anderen gesellschaftlichen Kräfte dabei ihre eigenen Nutzenüberlegungen im Hinblick auf Sicherheit, Lebensgestaltung, Gesundheit, Anerkennung, Muße, u.v.a.m. zugunsten des heute noch geltenden Unternehmensverständnisses ganz selbstverständlich zurückzustehen haben. Allein ein Infrage stellen der postulierten Gewinnmaximierung erschüttert doch das kapitalistische Weltbild in seinen Grundfesten. Es gibt tatsächlich ernstzunehmende Versuche, darzustellen, dass alles Streben unterhalb der Gewinnmaximierung angeblich den Tod des (kapitalistischen) Wirtschaftens darstellt. Dabei übersieht diese Ideologie, dass es in der wirtschaftlichen Realität zahllose Unternehmen gibt, denen dieser Gesichtspunkt in seiner Überspitzung als Ziel ihres wirtschaftlichen Handelns völlig gleichgültig ist. Deshalb sind sie aber noch lange nicht auf der „Verliererstraße“. Ihre Visionen konzentrieren sich auf Produkte, Technologien und Märkte. Dabei stellt der Gewinn nur eine notwendige Nebenbedingung dar.

Allein die Auffassung, dass es die ketzerische Frage nach dem „Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft“ gibt, müsste den Verzweiflungsschrei der neoliberalen Ökonomievertreter unüberhörbar erschallen lassen. Als Antwort wird regelmäßig die alte Leier bemüht, dass Unternehmen doch Arbeitsplätze und Wachstum bereitstellen und dass dieser ‚erlauchte‘ Kreis (die sogenannte „Elite“) am besten gar nicht zur Rechtfertigung ihres Tuns aufgefordert werden darf. Sie könnten ja die Lust verlieren und ins Ausland abwandern – so die gängigen ‚Sprüche‘ der Lobbyisten und ihrer Mitstreiter in den Wirtschaftsredaktionen unserer Mainstream-Presse. Dabei vergessen diese Stimmen gerne, dass das Klima für Unternehmen in Deutschland gegenwärtig so angenehm gestaltet ist, das der Aufwand einer Verlagerung der unternehmerischen Aktivitäten ins Ausland die kleinen zu ertragenden Unbotmäßigkeiten, die diese Fragestellung auslösen, in keiner Weise aufwiegen würden.

Lassen sie uns den Gedanken vom Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft ein Stück weiterspinnen. Unternehmen haben aus einer gesellschaftlichen Perspektive eine Outputseite (die Versorgungsfunktion mit Gütern und Dienstleistungen i.w.S.) und eine Inputseite, die mit der Bereitstellung von Arbeitsplätzen beschrieben werden kann. Man merkt schnell, dass wir damit nur das erfassen, was man gemeinhin als ‚Realwirtschaft‘ bezeichnet. Wenn man auf der Ebene der Globalplayer bleibt, so wird schrittweise deutlich, dass diese Teile der Globalplayer, soweit sie produzieren, wohl fraglos Teil der Realwirtschaft sind. Das Kennzeichen eines Globalplayers zeichnet sich aber i.d.R. nicht dadurch aus, dass er realwirtschaftliche Aktivitäten aufweist, sondern das er Holdingstrukturen unterhält, die er auf seine realwirtschaftlichen Aktivitäten aufpfropft, mit dem Ziel, sein Unternehmenskonglomerat kontrollieren zu können. Im Rahmen seiner Holdingstrukturen bewegt sich der Globalplayer nicht mehr in der Realwirtschaft, sondern auf der Ebene des Finanzmarktes, weil in Holdingstrukturen Produktion, Arbeitsplätze, die konkrete Ressourcenlage keine entscheidungsrelevante Rolle spielen. Das einzige Produkt der Holdingstrukturen ist die Dienstleistung der Verwaltung der Beteiligung, die dafür sorgen muss, dass die realwirtschaftlichen Einheiten des Konzerns ‚reibungslos‘ laufen und insbesondere Profit abwerfen. Wenn im Rahmen der Holdingperspektive sich ein realwirtschaftlicher Teil nicht so rechnet, wie die Holdingstrategie es erwartet, wird die Beteiligung abgestoßen. Darauf hat die realwirtschaftliche Einheit selbst keinen oder kaum Einfluss. Sie wird einfach weitergereicht, äußerst selten verselbständigt. Für eine unternehmerische Eigenständigkeit würde es diesen Einheiten auch regelmäßig an Kompetenz fehlen, weil, wie noch darzustellen ist, die ehemalige Konzerneinheit wesentliche Erfolgsfaktoren des Unternehmens an die Konzernspitze abgeben musste und deshalb auf diesen Feldern jede Expertise verloren hat.

Wenn wir wieder zurückkommen zu der Frage vom „Zweck von Unternehmen in der Gesellschaft“, so kann man feststellen, dass ein realwirtschaftlich tätiges Unternehmen wohl i.w.S. und nach geltender kapitalistischer Sichtweise durch den Versorungsgesichtspunkt einen prinzipiell erkennbaren Nutzen für die Gesellschaft bereitstellen kann. Die Frage wird aber kritischer, wenn wir die Holdingstrukturen eines Globalplayers ins Auge fassen. Wo könnte in diesen Strukturen ein Nutzen für die Gesellschaft liegen? Holdingstrukturen sind aufgepfropft und bringen nicht eine zusätzliche Produktions- oder Dienstleistungseinheit im realwirtschaftlichen Sektor hervor. Sicherlich sind in geringem Maße zusätzliche Arbeitsplätze zu erwarten, die aber im Verhältnis zum Personalbestand des Globalplayers keinerlei Relevanz besitzen.

Was sind Holdingstrukturen? Es sind i.d.R. jene eher kleinen, aber feinen Entscheidungszentren, in denen der Konzern in seiner Gesamtheit gesteuert wird. Es geht auf dieser Ebene nicht um Produkte, Märkte, Konsumenten und Lieferanten, und wenn ja, nur auf höchst abstrakter Ebene – sondern es geht um die Frage, wie das vorhandene Portfolio von realwirtschaftlichen Unternehmen den maximalen Profit für den Konzern erzielen kann. Hier ist die Gewinnmaximierungsforderung zu Hause, viel weniger in der Realwirtschaft. Es geht also ausschließlich um Rentabilität und um das Problem, die Vielzahl von Beteiligungen unter einem Hut zu halten und nach dem Willen der Konzernspitze auszurichten. Dabei wird mit Vorliebe der „goldene Zügel“ eingerichtet. Das generelle Machtinstrumentarium einer Konzernspitze ist gewöhnlich recht begrenzt: man ist auf Informationen aus den Unternehmen angewiesen, man kann auch nicht alles kontrollieren (das wird zu teuer), also hat man sich oft dazu entschieden, im Rahmen des goldenen Zügels alle Gewinne und alle temporären Liquiditätsüberschüsse aufwändig an der Konzernspitze zu zentralisieren.

Man ‚kastriert‘ auf diese Weise die realwirtschaftlichen Unternehmen, indem man das Geld an der Konzernspitze zentralisiert und für die Konzernunternehmen möglichst knappe Budgets bereitstellt. Den Unternehmen fehlt damit eine wesentliche Handlungsgröße, die eine Eigenständigkeit zum Ausdruck bringen könnte – jede noch so kleine Investition, jede Geschäftsausweitung führt das Unternehmen an die Grenze des von der Spitze zugelassenen Liquiditätsbedarfs und schränkt dessen unternehmerisches Handeln ein. Diese unternehmerischen Zusammenhänge werden nicht im realwirtschaftlichen Unternehmen ganzheitlich beurteilt und entschieden, sondern im Konzert mit allen Investitions- und Finanzmittelbedarfsanträgen aller Konzernunternehmen auf der Ebene der Konzernspitze bewertet und entschieden. Die Finanzmittel gehen dann nur dorthin, wo die Konzernspitze sich den höchsten „Return“ errechnet oder vorstellen kann. Der Rest findet keine Unterstützung. Es kann sehr gut sein, dass dieses Verhalten zu drastischen Fehlallokationen von Investitionskapital führt, weil jede der investitionswilligen Einheiten ihre Aussichten für ihr Investitionsvorhaben in einem unrealistisch strahlenden Glanze darstellen muss, um die notwendige Aufmerksamkeit der Konzernspitze zu erregen. Das Verfahren schafft keine wirtschaftlich realistischen Ansätze, sondern es ist ein Windhundrennen um die besten Plätze.

Nicht die reale Investition (mit ihrer Bedeutung für Markt und Produktion) steht im Vordergrund, es geht ausschließlich um das Verfahren und seine ‚bürokratischen‘ Erfordernisse, um in der Masse der Anträge erfolgreich zu sein. Mit anderen Worten, ob bei diesen Strukturen realistische und gute Entscheidungen fallen, die sich an der Notwendigkeit des realwirtschaftlichen Unternehmens orientieren, erscheint zumindest fraglich.

Wenn wir oben festgestellt haben, dass realwirtschaftliche Unternehmen einen gewissen Nutzen für die Gesellschaft erbringen können, so wird der Nutzenbeitrag von Unternehmen im Rahmen eines Globalplayers doch deutlich schwächer. Erstens verursacht der Wasserkopf der Holdingstruktur Kosten, ohne dass dadurch sichergestellt werden kann, dass deshalb auch mehr oder besserer Output zu erwarten wäre und zweitens sichert die Entscheidungsstruktur in keiner Weise, dass über den goldenen Zügel die konkreten Bedürfnisse der Konzernunternehmen ausreichend Berücksichtigung finden. Die finanzwirtschaftlichen Perspektiven des Konzerns stehen mit den produktionsbezogenen Perspektiven der Konzernunternehmen viel zu oft im Konflikt.

Wieviel Konzernunternehmen bluten aus, weil Druck auf den Ertrag mit Kostensparprogrammen aufgebaut wird, die liquiden Mittel abgezogen und stark beschränkt werden und die Investitionen mittelfristig auf ein Minimum zurückgefahren werden. Die Unternehmen werden eben nicht individuell geführt. Stattdessen werden über eine einseitige Strategie der Renditemaximierung Auflagen erteilt, die einen kreativen Unternehmer zur Verzweiflung treiben, aber dem Diktat der Macht und der Rentabilität entsprechen. Oft sind dann auch die sogenannten ‚Unternehmer‘ in den Konzernunter-nehmen eher als ‚Verwaltungsbeamte‘ denn als Unternehmer anzusprechen. Ich kann dabei kaum noch Unterschiede zwischen einem Prozess der öffentlichen Verwaltung (die ja aus neoliberaler Sicht als Inbegriff der Bürokratie gehandelt wird) und der Verwaltung eines Globalplayers erkennen. Aber der Umfang der Bürokratie einer öffentlichen Hand ist verglichen mit der eines Globalplayers ein David gegen einen Goliath.

Wir sehen schon an diesen wenigen skizzenhaften Überlegungen, dass die Frage nach dem „Zweck eines Unternehmens für die Gesellschaft“ hochinteressant ist und dass wir hierfür noch keine erschöpfende und oder gar praktikable Antwort gefunden haben.

» weniger zeigen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert