Die Frage nach der Zukunft unserer kommenden Generationen wird gegenwärtig, so mein Eindruck, aus zwei Blickwinkeln oder Perspektiven beleuchtet. Die eine Perspektive beurteilt das Problem aus der Sicht der Produktion bzw. des Ressourcenverbrauchs. Die Aussagen zu dieser Perspektive sind klar und eindeutig. Die andere Perspektive nähert sich der Frage über Begriffe wie Klimaneutralität (bis 2045 oder früher), Nachhaltigkeit, Energiewende u.v.a.. Dieser Ansatz ist m.E. hochgradig Technologie lastig. Man hat nicht den Eindruck, dass die Vertreter der jeweiligen Perspektive von der gleichen Problemlage sprechen bzw. die gleichen Ziele verfolgen.
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Im Folgenden möchte ich versuchen die Perspektiven auf einem relativ abstrakten Niveau in seinen unmittelbaren erkennbaren Zusammenhängen gegenüberzustellen.
Grundlage
Beginnen wir mit der Problembeurteilung aus der Sicht des Ressourcenverbrauchs. Ausgangspunkt ist eine einfache und klare Aussage: Global gesehen verbrauchen wir (die Menschen) mit unserer Lebensweise (im Durchschnitt) etwa 1,7 Planeten[1]. Wir haben aber nur einen Planeten zur Verfügung. Die sich dieser Gegenüberstellung aufdrängende Lösungsstrategie lautet schlicht: Wir müssen alles tun, um innerhalb weniger Jahrzehnte unseren Verbrauch so zu reduzieren, dass sich der Verbrauch und das verfügbare Potenzial unserer Erde „die Waage halten“ können
Bei der Aussage fällt auf, dass sie offensichtlich mengenorientiert (und nicht wie üblich geldorientiert) ist. Das Problem, vor dem wir stehen, wird schlicht und ohne Schnörkel auf seine reale Basis zurückgeführt. Es ist ähnlich aufgebaut, wie der „Footprint“, der sich nicht auf einen Geldbetrag festnageln lässt, sondern deutlich macht, wieviel Hektar Ackerboden pro Einwohner notwendig sind, um unseren gegenwärtigen Verbrauch in Deutschland oder in Europa zu befriedigen. Dem steht eine Ackerfläche pro Person gegenüber, die unsere Erde verkraften könnte. Dieser Ansatz entzieht sich auf diese Weise elegant dem alles dominierenden ökonomisch monetären Ansatz.
Die andere Perspektive verweigert sich dem direkten Bezug und bringt lieber einen ‚Stellvertreter‘ ins Spiel: Man sagt nicht, dass wir unseren Verbrauch reduzieren müssen, sondern man erklärt dem staunenden Publikum, dass mit unserem Lebensstil zu viel CO2 in die Luft geblasen wird, dass sich deshalb das Klima zu verändern droht bzw. schon verändert hat. Man weist weiterhin darauf hin, dass wir nachhaltig wirtschaften sollen (was immer das heißen mag) und man diskutiert auch schon lange über die geplante Energiewende, bis dann der Einmarsch der Russen in die Ukraine und der verfügte Gaslieferstopp unserer abstrakten Diskussion ein Ende setzte und uns (und Europa) zum Handeln zwang.
Dabei bleibt die Frage offen, ob die Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise in der Lage sind, das eigentliche Problem (die Reduktion unseres Verbrauchs) zu lösen? Plakativ ausgedrückt nützt es wenig, wenn wir unseren CO2-Ausstoß auf eine Klimaneutralität durch neue technische Verfahren und ökonomische Anreize versuchen herunter zu fahren, aber gleichzeitig auf dem Verbrauchsniveau von 1,7 Planeten (oder inzwischen gar mehr) verharren. Wir haben nur Zeit und Chancen verloren und viel Geld verbrannt, das uns an anderer Stelle fehlen wird. Vergleichbares gilt für die Nachhaltigkeit. Sie nützt uns wenig, wenn wir nicht unseren Verbrauch senken. Wir müssen mit dem einen verfügbaren Planeten nachhaltig umgehen. Auf der Ebene eines Verbrauchs von 1,7 Planeten erscheint die Nachhaltigkeit sinnlos. Und der Technologie lastige Ansatz krankt insbesondere daran, dass jede Realisierung von neuer Technologie zur besseren ‚Beherrschung‘ der Klimakrise den Ressourcenverbrauch automatisch erhöht (ein sogenannter Rebound-Effekt).
Konsequenzen
Der Fokus auf dem Ressourcenverbrauch führt durch den Footprint-Ansatz auf den Kern des Problems. Er ist aber dem Publikum nur schwer zu vermitteln. Nach rd. 200 Jahren technologischer und ökonomischer Entwicklungsrekorde im Rahmen des kapitalistischen Systems erscheint es nicht opportun, festzustellen: „wir haben uns durch unseren Erfolg selbst in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Wir müssen nicht nur aufhören, vorwärts zu stürmen, wir müssen sogar zurück auf einen Punkt, der rd. 40% unter dem heutigen Ansatz liegt.“ Angesichts unserer Wohlstandskonditionierung, bei der eine Maskenpflicht schon auf erheblichen Widerstand stößt, wird es klar, dass ein solches Ansinnen zwar nötig und sinnvoll wäre, aber politisch nicht durchsetzbar ist. Dabei ist das große Hindernis, dass wir die Defizite des übermäßigen Verbrauchs zu Anfang noch gar nicht so recht spüren.
Niko Paech hat in einem Interview auf die Frage, wie denn der Übergang von unserer Wachstumsideologie auf eine von ihm vertretende Postwachstumsökonomie erfolgen könnte, einen amerikanischen Kollegen zitiert: entweder „by design“ oder „by desaster“. Er hat dabei nur die Bandbreite des Geschehens umrissen und hat sich nicht auf die eine oder andere Form festlegen lassen.
Wir sind betroffen, wenn das „desaster“ z.B. im Ahrtal zuschlägt, aber es ist für viele Menschen nicht so recht nachvollziehbar, dass das alles nur der Anfang ist. Das Desaster kommt nicht über uns wie eine biblische Apokalypse. Die Veränderung hat schon vor Jahrzehnten in kleinen Schritten eingesetzt, sonst wäre es den Verfassern der „Grenzen des Wachstums“ 1972 nicht möglich gewesen, ihr Gutachten so treffsicher und radikal zu entwickeln.
Wir haben aufgrund der fehlenden politischen Durchsetzungsmöglichkeit offiziell keine Krise des Ressourcenverbrauchs, stattdessen eine Klimakrise, also eine Stellvertreter-Krise. Es klingt viel netter und verbindlicher und ist für jedermann dank des ausführlichen täglichen Wetterberichtes mehr oder weniger persönlich anhand von Trockenheit, Starkregen, Windhosen, Wasserknappheit, u.s.w. spürbar und damit in Teilen nachvollziehbar. Aber durch die Namensänderung des Projektes ging der übermäßige Ressourcenverbrauch als Problemwahrnehmung beim Publikum verloren.
Wenn wir unverändert den übermäßigen Ressourcenverbrauch im Fokus hätten, so müssten wir unsere Wirtschaftsleistung innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraums um ca. 40 % reduzieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nach Realisierung einer solchen Reduktion unserer Wirtschaftsleistung das Thema „Klimakrise“ keine erwähnenswerte Bedeutung mehr hätte. Stattdessen starren wir heute auf die CO2 – Entwicklung und müssen feststellen, es läuft nicht in die gewünschte Richtung. Stattdessen steigt die CO2-Konzentration unverändert heftig. Diese Erkenntnis lässt mindestens zwei Überlegungen zu:
- Die Erwartungen in die Wirkungsweise der CO2-Maßnahmen werden nicht erfüllt, weil die Instrumente nicht die richtigen sind oder weil eine strikte Anwendung der Instrumente am politischen Willen scheitert.
- Der übermäßige Ressourcenverbrauch müsste durch Tonnen oder eine sonstige eindeutige Mengenangabe dargestellt werden. Durch den Transmissionsriemen CO2 gibt es zusätzliche Einflussgrößen, die die Unmittelbarkeit der Messung aufheben. Es fängt bei der Monetarisierung der CO2-Zertifikate an. Das lenkt systematisch vom Problem ab und verwirrt das geschätzte Publikum (was möglicherweise beabsichtigt ist).
Zurück zur Verbrauchsreduktion: Die angeführten rd. 40% Reduktion erscheinen notwendig, um den Verbrauch von ca. 1,7 Planeten auf einen Planeten zurückzuführen. Das ist zugegeben eine „Milchmädchenrechnung“, aber sie vermittelt ein Bild von der Bedeutung dieses Schrittes und von der Wucht der erforderlichen Maßnahme. Gleichzeitig wird es dem Leser vielleicht möglich, zu erkennen, dass die bisher eingeleiteten Maßnahmen angesichts der Wucht der Problemstellung etwas kleinkariert daher kommen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nicht ehrlich nach einer ‚angemessen richtigen‘ Lösung des Problems gesucht wird. Die auseinanderstrebenden Interessen der Beteiligten dominieren den Ansatz. Der kleinste gemeinsame Nenner ist Grundlage der ‚Zusammenarbeit‘.
Die Wirtschaftswissenschaften kennen zwar Firmenzusammenbrüche und kollabierende Volkswirtschaften. Das Problem tritt auf wie ein ‚Schwarzer Schwan‘ (N. Taleb) und die Wirtschaftswissenschaften hoffen dann, den Zusammenbruch auffangen bzw. den Wiederaufbau unterstützen zu können. Aber mit Vorsatz die Wirtschaftsleistung einer globalen Volkswirtschaft um 40% möglichst geordnet herunterzufahren, steht in keinem Lehrbuch. Damit hat sich die Ökonomie in den letzten 200 Jahren mit Sicherheit nie befasst. Wir betreten damit komplettes Neuland.
Schon die Frage, ob es sinnvoll ist, weiterhin Wachstum zu produzieren, gilt als Verrat am orthodoxen ökonomischen Glaubensbekenntnis. Man strebt ständig zu den Sternen. Der letzte, der sich m.E. dezidiert mit dem Ende des Wachstumswahns befasste, war John Maynard Keynes, wobei er davon träumte, dass dann, wenn alle in einem angemessenen Wohlstand lebten, die Wochenarbeitszeit stark zurück gehen könnte. Er hat aber nicht mit der Gier und der chrematistischen Haltung (der Lehre vom Reichwerden) vieler der Beteiligten gerechnet.
Es gibt Ansätze für die Diskussion einer Wirtschaftsform, die ein gewisses Gleichgewicht einzuhalten in der Lage wäre (Steady-State-Economy). Aber diese Erkenntnisse hätten erst dann Erfolg, wenn wir die besagten 40% Reduktion realisiert haben. Wir wären dann auf einem Zustandsniveau, das Niko Paech im Rahmen der Postwachstumsökonomie in seinen Büchern zugrunde legt.
Mit anderen Worten: Nicht nur Wachstum ist keine Option mehr. Wir müssen als logische Folgerung aus der Erkenntnis einer deutlichen Übernutzung unserer Ressourcen unsere Wirtschaftstätigkeit herunterfahren. Aber es gibt m.W. keinen Plan, noch Teile, noch einen Ansatz eines solchen Plans. Alles, was wir wissen und diskutieren, setzt zu einem Zeitpunkt auf, nachdem die Reduktion schon erfolgt ist. Mit anderen Worten: die Wahrscheinlichkeit, dass die anstehende Transformation „by design“ erfolgt, ist mangels notwendiger Kenntnisse und Erfahrungen äußerst gering.
Das klingt pessimistisch, ist es aber nicht. Ich würde es bodenlos realistisch nennen. Richtig ist, wir stehen vor großen Herausforderungen, die wir zu kennen glauben und in Grenzen einschätzen können, aber aus politischen Gründen nicht lösen können. Aber glauben Sie nicht, dass der Weg hin zu unserem Wohlstand „by design“ erfolgte? Das übersteigt meine Vorstellungskraft. Die meisten Ereignisse, die uns als Problem treffen, geschehen nicht „by design“. Die Erwartung ist fatal, dass die Dinge einem Plan folgen oder durch ein Design gesteuert werden könne. Die meisten Veränderungen erfolgen disruptiv (by desaster). Es kommt darauf an, sie als solche möglichst frühzeitig zu erkennen, sich vorbereitet zu zeigen, um dann, wenn der „Schwarze Schwan“ gelandet ist, vernünftig mit kühlem Verstand zu handeln. Der Tanz mit dem Risiko endet nie. Es bleibt spannend!!
[1] Wie diese Zahl ermittelt wird, ob sie „richtig“ ermittelt wurde, ist dabei zweitrangig. Sie beschreibt den Zustand einer gnadenlosen Übernutzung des Planeten Erde auf die richtige und eindeutige Weise.
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