Die Globalisierung hat in der Pandemie und unter Trump (USA) schwer gelitten. Es stellt sich sogar die Frage, ob Globalisierung angesichts der politischen Entwicklungen (zunehmender Nationalismus, zunehmender politischer Autokratie, Klimakrise, Nord-Süd-Konflikt mit Migrationsfolgen) nicht Teil des Problems ist. Wir müssten uns fragen, was uns (oder allgemeiner den Menschen) Globalisierung nützt und was wir uns damit an Kosten und Zerstörung der Lebensgrundlagen einkaufen, wenn wir diese Entwicklung weiter forcieren.
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Selbst wenn wir zu der Erkenntnis kommen, dass sich volkswirtschaftlich die Globalisierung für manche scheinbar „rechnet“, so müssen wir doch die Frage stellen, wer den Nutzen letztendlich haben wird und wo die Schäden versteckt werden und zu wessen Lasten sich das Geschäftsmodell der Globalisierung auswirkt.
Globalisierung ist ein komplett abstraktes Konzept. Globalisierung ist im Grunde eine Regionalisierung, die auf den ganzen Planeten ausgedehnt wurde. Da kein Erdenbewohner sich den Planeten als Region vorstellen kann, weil es eben nur den einen Planeten gibt, ist das Konzept ein psychologisches „Unterseeboot“, das uns oberflächlich etwas vorgaukelt, was es aber gar nicht sein will. Es ist auch kein Markt im eigentlichen Sinne gleichberechtigter Partner. Die Globalplayer sorgen schon dafür, dass die Zugangsbarrieren so hoch sind, dass ein regelmäßiger Wechsel nicht in Frage kommt. Man bleibt bewusst unter sich und hat sich auf vertraglicher Basis eine besondere und „geschützte Spielwiese“ geschaffen.
Es wird deutlich, dass Globalisierung auch ähnlich funktioniert wie die Kolonialisierung vor knapp 200 Jahren. Globalisierung ist unverändert ein Herrschaftsspiel und kein Versorgungsspiel. Versorgung wird vorgeschoben, weil es besser klingt und es wird mit den vorteilhaften Produktionsbedingungen in Fernost oder sonst wo auf der Welt begründet. Die direkten Konsumkosten können mit der damit verbundenen Ausbeutung vorerst in Europa und USA verhältnismäßig niedrig gehalten werden.
Globalisierung steht und fällt mit einem funktionierenden Transportsystem. Der klassische Export bezieht sich schwerpunktartig auf Fertig- oder Endprodukte. Wenn nun Zwischenprodukte über weite Entfernungen zur Wahrnehmung von billigen Produktionsbedingungen hinzukommen, wächst die Bedeutung der Logistik überproportional für den Erfolg von Globalisierung. Die Voraussetzung für das Weiterbestehen einer funktionsfähigen Globalisierung ist ein billiges Logistiksystem. Die Kosten des Gütertransports müssen in dem Geschäftsmodell vernachlässigbar gering sein. Die angestrebten Ziele des Pariser Klimagipfels machen deutlich, dass absehbar die Logistikkosten wegen des CO2-Ausstosses rasant steigen werden. Heute stehen 25 Euro /to CO2 zu Buche, die jüngste Gesetzesänderung hat diesen Wert vor wenigen Tagen schon auf 45 Euro/to erhöht. Viele Kenner der Materie rechnen mit einem mittelfristigen Preis von 200 Euro/to CO2. Dann sind die Logistikkosten allein wegen der CO2-Belastung nicht mehr vernachlässigbar gering. Mit der Klimawende werden sich auch die Kalkulationsmethoden ändern. Die einzuberechnenden „externen Effekte“ werden die Logistikkosten zusätzlich hoch treiben. Vor diesem Hintergrund ist das Geschäftsmodell „Globalisierung“ früher oder später zum Scheitern verurteilt.
China und Indien bauen gegenwärtig in schnellen Schritten ihren „Mittelstand“ auf, der dazu führen wird, dass der lokale Konsum wächst und dass das Interesse dieser Staaten an Billig-Export (mit geringer nationaler Wertschöpfung) für diese Länder deutlich sinken wird. Noch investieren die Globalplayer direkt in diesen Ländern. Aber die dort angesiedelten nationalen Mitgesellschafter und Zwischenhändler werden zahlreicher, deren Gewinnerwartungen steigen und damit werden auch die Importvorteile für Europa und den USA absehbar sinken.
Die Mängel der Globalisierung fielen uns zum ersten Mal erkennbar auf die Füße als wir feststellen mussten, dass eine Reihe von einfachen Bedarfsartikel nicht verfügbar waren, weil die Produktionsstätten in Billiglohnländer verlagert wurden und als dort mit der Pandemie auch der eigene Bedarf sprunghaft anstieg, der lokale Markt primär bedient wurde. Globale Probleme kann Globalisierung nicht lösen!
Das „schöne“ Bild von der Globalisierung wird mit friedlichem, zollfreiem Warenverkehr gemalt. Der aufkeimende Nationalismus in UK und USA ebenso wie in der EU zeigt dabei u. a. nationalistische Entwicklungen, die die Idee der „friedlichen“ Globalisierung zerstören. USA hat einen neuen Präsidenten, aber die schon seit Jahrzehnten (seit ca. 1920) geltende Devise „America first“ hatte nur in Trump einen besonders auffälligen Vertreter gefunden. Die Devise gilt schon immer und wurde von den jeweiligen Präsidenten nur moderater vorgetragen. Wenn aber das Bild von dem Austausch unter Gleichen auf Augenhöhe durch die nationalen Egoismen so klar in Frage gestellt wird, dann verkommt die „blauäugige“ Globalisierung zu einem schlichten Instrument verdeckter Machtpolitik.
Was ist denn gemeint, wenn von Globalisierung die Rede ist?
Von freiem Handel etwa? Das kann nicht sein: Wir hatten schon bei Einführung des Begriffs einen sogenannten Freihandel bei 98% der internationalen Umsätze! Was ist denn wirklich neu an der Globalisierung? Hierzu müssten wir wissen, wer den Begriff überhaupt ins Leben gerufen hat: das sind nicht die lokalen Produzenten, das sind auch nicht die mittelständischen international tätigen Produzenten, es sind ausschließlich die sogenannten „Globalplayer“(Großkonzerne). Das sind Firmenkonglomerate, die weltweit aktiv sind und denen die Eigenwilligkeiten und Besonderheiten der nationalen bzw. regionalen Märkte ein Dorn im Auge sind, weil sie ihnen erhebliche Kosten verursachen. Diese Kosten versuchen sie durch das Konzept einer Globalisierung der Märkte auszuräumen. Alles soll möglichst so gestaltet sein, dass die Globalplayer ihre Marktmacht ungehindert ausüben können. Der direkte Durchgriff ist das Ziel. Aus einem differenzierten, vielgestaltigen Marktgeschehen auf diesem Planeten soll eine radikale Vereinfachung der Abläufe und Vereinheitlichung der Produkte erzielt werden.
Ein wichtiger Gesichtspunkt der Globalisierung ist die Zerlegung der Produktion in Zwischenprodukte, in kleine abgrenzbare Einzelschritte, die man dann global dort ausführen lässt, wo die Kosten den Globalplayers am günstigsten erscheinen. Man nennt das Verfahren ‚verlängerte Werkbank‘. Die günstigen Kosten sind oft nur durch Minderung der Verarbeitungsqualität zu erkaufen; mit der Folge eines erhöhten Kontrollaufwandes oder der Akzeptanz von schlechter Verarbeitung. Das eine verursacht zusätzliche Kosten und das andere kostet Reputation (sofern man hier noch etwas zu verlieren hat). Bleibt man bei der verlängerten Werkbank, kann man grob abschätzen, welche Preisdifferenzen hier erzielt werden. Man kann Zwischenprodukte um die ganze Welt schicken und hat offensichtlich immer noch einen wirtschaftlichen Vorteil. Den Begriff der Ausbeutung wird man hier wohl nicht von der Hand weisen können. Man muss sich weiter vor Augen führen, wie oft die diversen Produktteile einen (weiten) Transport erfahren, von dem wir wissen, dass er viel zu billig vonstattengeht, weil er weltweit auf einer fehlerhaften Kalkulation basiert. Wichtige Rand- und Nebenkosten, die sogenannten „externen Effekte“, werden in die Kalkulation nicht einbezogen. Globalisierung zu echten Kosten und bei fairem Handeln wäre nie ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Globalisierung existiert auf Kosten der jetzigen und künftigen Lebensverhältnisse auf unserem Planeten.
Wir haben aktuell noch eine erfreuliche Markt- und Produktvielfalt. Globalisierung strebt aber „Einfalt“ an. Alles muss, so das Ziel, über den gleichen Leisten geschlagen werden können. Auch die Rechtsgrundlagen sollen vereinheitlicht werden – deshalb gibt es in Teilen eine private Rechtsprechung und es gibt private Handelsgerichte, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit u.a. in Washington tagen, deren Beschlüsse weder veröffentlicht noch öffentlich kommentiert werden. Die Globalplayer haben sich mit Hilfe von Investitionsschutzabkommen ihren eigenen Rechtsraum geschaffen, indem die Globalisierungsvertreter bestrebt sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gewissermaßen ein „Nebenregime“ auf Basis rein wirtschaftlich orientierter Normen auszubauen.
Die Verfassungen der nationalen Territorien und insbesondere die bürgerlichen Grundrechte als auch demokratische Verfahren stören das globale Geschäft. Deshalb werden diese öffentlichen Institutionen über eine private Rechtsprechung und entsprechend über eine eigene, zur Verschwiegenheit verpflichtende Gerichtsbarkeit ausgespielt. Das macht die überschaubare Zahl der Globalplayer unter sich aus. Sie verklagen ohne jeden Skrupel Staaten, wenn die Staaten sich in sogenannten Investitionsschutzabkommen auf bestimmten Rechtsgebieten leichtfertig den Regeln dieser Klientel unterworfen haben.
Konkret geht es gegenwärtig z.B. um den ETC-Vertrag, den 53 Staaten vor Jahren unterzeichnet haben, um den globalen Energieunternehmen vor staatlicher Willkür und Korruption einen Schutz zu bieten. Angesichts des legitimen und demokratisch gestützten Wandels in der globalen Energiepolitik im Rahmen der Klimakrise wenden die Energieunternehmen diese Vereinbarung nun an, um aus den absehbaren und wohl auch unabwendbaren Marktveränderungen durch die Klimakrise maximalen Profit zu schlagen, indem sie sich angeblich staatlicher Willkür ausgesetzt sehen. Die Verfahren laufen vor privaten Gerichten und sind überaus kostenintensiv. (RWE gegen Niederlande, Vattenfall gegen die BRD) Allein die Verfahrenseröffnung soll Kosten bis zu 8 Mio. Euro pro Fall auslösen. Welche nationale oder supranationale Institution sieht sich angesichts dieser vertraglichen Situation in der Lage, diesen Kreis von global agierenden Unternehmen öffentlich zur Rechenschaft zu ziehen, ohne die Vertragsgrundlage aus dem Schutzabkommen zu verletzen?
Man fragt sich, warum niemand bei Vertragsabschluss des ETC-Vertrages die Brisanz dieses Vertragswerkes erkannt hat. Über die Gründe kann man streiten: m.E. ist dieses Vertragswerk eine Folge eines falschverstandenen Wirtschaftsliberalismus, nach dessen Verständnis immer alles richtig ist, was aus der Mitte der Wirtschaft entwickelt wird ohne die jeweilige Fragestellung mit einem guten Schuss Skeptizismus und Realismus zu Ende zu denken. Manche sprechen dann auch von der Tyrannei der kleinen Entscheidungen. Der Liberalismus kennt wie auch die davon stark beeinflusste ökonomische Theorie keine Machtfaktoren. Jeder solcher Verträge kann sich in sein Gegenteil kehren, also muss es immer eine relativ kurzfristige Ausstiegsmöglichkeit geben. Der ETC-Vertrag sieht hier 20 Jahre vor; im ökonomischen Umfeld kommt dies einer ‚Ewigkeit‘ gleich! Folgt man den Zielen der Bundesregierung, so wollen wir in ca. 20 Jahren klimaneutral sein! Wie soll das gehen, wenn man sich in der Vergangenheit zu solchen Verträgen hinreißen ließ. Da steht die Regierung sich doch selbst im Wege! Und zahlen muss das wieder mal der Steuerzahler!
Staatliche Führung und wirtschaftliche Führung
Noch ein weiterer Gesichtspunkt kommt zum Tragen: Das politische System, dass in Europa und in den USA über Verfassungen und demokratische Verfahren entscheidet und handelt, steht einem selbstgeschaffenen System der Globalplayer gegenüber, dem jede demokratische Legitimierung fehlt und das von Strukturen beherrscht ist, die man wohl als hierarchisch – autokratisch bezeichnen muss und dessen ausschließliche Orientierung auf finanziellen Erfolg den Einfluss des Systems systematisch prägt. Soziale Fragen, Fragen der Gerechtigkeit, Verteilungsfragen, Umweltfragen binden viele politischen Kräfte, aber für das Handeln dieser Unternehmen gewinnen diese Fragen – wenn überhaupt – nur marginale Bedeutung.
Mit anderen Worten, das System der Globalplayer ist aufgrund seiner Kapitalausstattung sehr machtvoll, aber auch sehr risikoanfällig, weil Logistikketten aus vielerlei Gründen zusammenbrechen können: denken wir nur an die Pandemie, wenn Flugzeuge plötzlich nicht mehr fliegen, ganze Industrien wegbrechen (Tourismus, Schiffsbau, Automobilbau, Maschinenbau), weil plötzlich alles stillsteht.
Globalplayer können nur auf die Macht ihres Kapitals vertrauen, denn unternehmerische Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zählen aufgrund ihrer Größe und Struktur definitiv nicht zu ihre Stärken. Deshalb stehen sie auch schnell auf der Matte, wenn das politische System in Notzeiten seine „Spendierhosen“ anzieht, um den ‚notleidenden‘ Industrien finanziell unter die Arme zu greifen. Meist versuchen sie ihre Marktmacht dahingehend auszuspielen, dass die Fälle von Veränderungen, in denen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefordert wären, erst gar nicht auftreten. Dieses Verhalten drückt natürlich entscheidend auf die wirtschaftliche Dynamik, die man kapitalistischen Systemen so gerne nachsagt.
Fazit
Mancher wird mir nun vorwerfen, als Gegner einer Globalisierung hätte ich etwas gegen internationalen bzw. freien Handel. Das wäre ein komplettes Missverständnis: solange der Handel fair und vielfältig vonstattengeht, hat er meine volle Unterstützung. Wenn es aber darum geht, den Markt zu strangulieren, einzudämmen, einfacher zu gestalten, damit das Kapital sich einseitig leichter durchsetzen kann, halte ich dagegen. Man muss auch sehr aufpassen, was die jeweilig andere Seite unter „Markt“ versteht. Der Markt der Theorie ist eine Veranstaltung unter Gleichen und Gleichgroßen, die sich auf Augenhöhe abspielt. Machtausübung ist diesem Marktmodell nicht vorgesehen. Es wird behauptet, diesbezüglich bestehe ein „Gleichgewicht“ oder so etwas Ähnliches, so dass man naiver Weise diese Einflussgröße vernachlässigen könne. Realiter ist der Markt aber genau der Ort, an dem heute die unterschiedliche Marktmachtfaktoren (Kapitalkraft, Marktanteil, Preisgestaltung, Werbepotenzial, u.a.) gnadenlos zwischen den Kontrahenten ausgespielt wird; und das geschieht nicht zum Vorteil des Konsumenten: Seine Rolle wird uns so verkauft, als ob er König sei, dabei ist er nur der naive Spielball im Spiel der Mächtigen.
Was könnte eine Alternative sein? Zurück zum menschlichen Maß könnte sich mit dem Leitgedanken einer Regionalisierung verbinden lassen. Darüber sollte man ernsthaft nachdenken.
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