Es ist nun von offizieller Stelle bestätigt: Zumindest große Teile der Automobilindustrie sind mit ihrer Strategie des Vertuschens und Betrügens auf die Nase gefallen. Dabei wurde enormes Vertrauenskapital mutwillig zerstört. Offensichtlich war ein konstruktiverer Umgang mit dem drängenden ökologischen Anspruch aus der Sicht des Topmanagements keine Option. Jetzt herrscht der Corona-Virus, der die Kauflaune stark beeinträchtigt, weil es für die Mehrzahl der Verbraucher jetzt Wichtigeres gibt, als ein neues Auto erwerben zu wollen.
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Zudem war schon seit spätestens 2019 klar, dass der Peak der Verbrennungsmotor-Technologie überschritten wurde, weil die etwa 150 Jahre alten Technologie in ihrer breiten Anwendung im Gegensatz zum absehbaren mittelfristigen Entwicklungspfad in eine ökologisch orientierte Zukunft steht. Das soll aber nicht heißen, dass die propagierte E-Mobilität die „richtige“ Lösung ist – sie ist vielleicht eine von mehreren Strategieoptionen. Ein Wechsel in der Antriebsart ist kein Mobilitätskonzept!
Die Automobil –Industrie muss nun die Grundfrage der Mobilität (wenn sie dazu überhaupt in der Lage ist) neu beantworten. Vor lauter PS -Verliebtheit und auf „dicke Hose“ (unvorteilhafte Querschnitte) zu setzen, wurde vergessen, Mobilität sicher zu stellen. Wir haben jahrzehntelang unsere Städte um die gegenwärtig geltende Form des Automobils herumgebaut, bis wir zumindest in den Ballungsräumen realisieren müssen, dass die heutige Form des Automobils die Funktion Mobilität in keiner Weise mehr erfüllen kann. Wir stauen uns in die Stadt, wir parken in der zweiten Reihe, das Automobil ist meist nur mit einer Person besetzt, kann aber bequem bis zu 5 Personen transportieren, steht in den meisten Fällen 22 Stunden des Tages auf einem Parkplatz im Büro und auf einem Parkplatz zu Hause. Die gegenwärtige Form des Automobils hat sich in den Großstädten zu einem absolut ineffizientes Mittel zur Erfüllung von Mobilität entwickelt.
Nun leben wir in einem Wirtschaftssystem, das von dem Dogma der Effizienz durchdrungen ist und das behauptet, dass ineffiziente Technologien durch den Markt „ausgeschwitzt“ werden. Das gilt offensichtlich nicht für „Jumbo“-Industrien, die sich als systemrelevant und damit als „too big to fail“ einstufen und auch im politischen Raum so auftreten. Trotzdem wird es für die Verbrennungsmotor-Technologie eng, weil der Widerspruch zwischen Realisierung und Funktion sich nicht sinnvoll auflösen lässt!
Die bisherige Haltung der Automobil-Industrie war hinsichtlich der ökologischen Frage äußerst einfach gestrickt: Wir sind wir, und wenn unsere Technologie den öffentlichen Ansprüchen nicht gerecht wird, dann habe wir noch unsere Arbeitsplätze als Druckmittel auf die Politik, mit deren Hilfe dann sicherlich auch die eine oder andere betrügerische Vorgehensweise (wie misst man was (Feinstaub, CO2), Flottendurchschnitt, Verbrauchszahlen, u. ä.) legal „hindrehen“ kann. Diese Haltung ist in meinen Augen komplett gescheitert. Und die hohen Herren sind offensichtlich ratlos, wie sie aus diesem Dilemma herauskommen sollen.
Langfristig, und das ist die einzig sinnvolle Strategie (auch wenn die Börse das gewöhnlich nicht honoriert), wird man sich den ökologischen Erwartungen einer wachsenden Mehrheit von Verbrauchern stellen müssen. Der Vorteil ist doch, dass die Technologie des Verbrennungsmotors, wenn man ganz ehrlich ist, sicherlich noch Jahrzehnte eine zwar stetig abnehmende, aber letztlich nicht ganz aufzuhebende Antriebtechnologie bleiben wird. Was wäre also sinnvoller, wenn man im Sinne der Mobilität sich fragen würde, was müssen wir (die Automobilindustrie) am gegenwärtigen Automobil denn ändern, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben mit einem reduziert schlechten Gewissen die Technologie weiter nutzen zu können, bis eventuell eine andere Platz greifen kann.
Die Frage ist nur, ob die „Jumbos“ der Branche die Kreativität aufbringen, hier umzusteuern. Einerseits sind diese Jumbos fest in der Finanzwirtschaft (Börse) verankert und müssen, eventuell wider besseren Wissens, die Ansprüche der Aktionäre erfüllen und andererseits haben die Jumbos keine Eigenschaften mehr, die an den Aufbruch in der Gründerzeit erinnern könnten. Sie sind nur noch riesige Logistiker, die bürokratisch ihren Job machen. Das ist der neuen Situation nicht angemessen und ein Umbau dauert bei der Größe und Struktur wahrscheinlich Jahre. Ob die Zeit zur Verfügung stehen wird, erscheint fraglich. Da ist oft ein Ende mit Schrecken einfacher zu gestalten.
Doch zurück zum ökologisch verträglichen Umbau: Das beginnt mit einfachen Dingen, die auch ein technologischer Laie erkennen kann: Der Verbrauch der Automobile muss drastisch gesenkt werden, die Autos müssen also generell leichter (damit wahrscheinlich auch wieder kleiner) werden, standardmäßig über deutlich weniger PS verfügen, im Tempomat Geschwindigkeits-“Knöpfe“ für 30 km/h, 50 Km/h, 80 km/h, 100 km /h, 120 km/h zur leichteren Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen erhalten, Senkung der Innengeräusche, Senkung der Außengeräusche (Lärmbegrenzung), Erhaltung des Fahrkomforts. Der CO2-Ausstoß wird durch die geringere Kraftstoffmenge deutlich gesenkt, für Feinstaub gibt es auch bessere Lösungen. Damit lassen wir es bewenden. Das Ergebnis sollte ein Automobil sein, mit dem die Industrie positiv demonstriert, wir wollen uns der Verantwortung für die kommenden Generationen in vollem Umfang stellen. Es geht um die Funktion ökologisch verantworteter Mobilität und nicht um Marketing und Propaganda nach dem emotionalen Motto, wer hat die meisten PS, die maximale Höchstgeschwindigkeit, den besten Sound, die dickste „Hose“ (die unsinnigsten Querschnitte) und den breitesten „Schlappen“ (Reifen).
Dieses Automobil wird vermutlich hinsichtlich des Rahmens seiner Grenzwerteinhaltung einen allgemeinen Standard darstellen können. Es wird mit Sicherheit kleiner sein, weniger, aber funktionell sinnvolle PS-Zahlen aufweisen, eventuell Automatik wegen der gleichmäßigeren Fahrweise, Tempomatik mit Geschwindigkeitsstufen serienmäßig, um die zunehmenden Geschwindigkeitsbegrenzungen und den geringeren Verbrauch auch fahrtechnisch zu unterstützen. Sinnvoll wäre eine optimierte Zulademöglichkeit (z.B. Fliessheck).
Das Fahrzeug müsste als Ziel alle gegenwärtig technisch möglichen (also schärfere als die politisch vereinbarten) Grenzwerte erfüllen. Die Industrie muss es sich dezidiert zur Aufgabe machen, hier hinsichtlich der ökologischen Entwicklung technisch aktiv mitzuziehen. Der Ansatz müsste ansonsten über die EU-Politik durch strenge ökologische Bedingungen erzwungen werden. Der freiwillige Ansatz hätte aus meiner Sicht würde für die Verbrennungstechnologie eine Überlebenschance für die nächsten 20 – 40 Jahre bereitstellen – weniger im Markt der Ballungsräume, aber im Markt des „flachen Landes“. Ob die dann zu erwartende Absatzmenge neben z.B. einer E-Technologie oder einer künftigen Wasserstofftechnologie noch hinreichend attraktiv ist, bleibt abzuwarten. Das Ergebnis am Ende aller Tage wird sein, dass der Verbrennungsmotor über die Zeit unvermeidlich zu einem Nischenplayer werden wird.
Wenn diese Erwartung zutrifft, hat nicht nur die deutsche Wirtschaft ein gewaltiges Problem: Was wird aus den 0,8 bis 1,7 Mio. Arbeitnehmern (je nachdem ob und wie man die Zulieferindustrie einrechnet)? Renauld hat schon öffentlich erklärt, 15.000 Arbeitnehmer in seinen Werken freizusetzen. Die Zahl bezieht sich auf die eigentliche Produktion, die Folgen für die Zulieferer sind da vermutlich nicht erfasst. In Deutschland halten sich die Produzenten aufgrund des Kurzarbeitergeldes noch bedeckt, um den politischen Druck hinsichtlich der Verkaufssubventionen aufrecht zu erhalten. Eine öffentliche Entscheidung zu Entlassungen würde sofort den Druck zugunsten einer Subvention aus dem Kessel nehmen. Die Subvention wird aber deshalb in der Sache auch nicht vernünftiger, weil sich die Verbraucher mit großer Wahrscheinlich aufgrund der allgemeinen Verunsicherung nur in Ausnahmefällen zu einem Neukauf eines subventionierten PKW entschließen werden.
Völlig ausgeklammert bleiben bisher die LKW-Branche und die Schwermotorenbranche (Schiffsmotoren, Flugzeugturbinen, Generatoren u.ä.), für die eigentlich die gleichen Optionen gelten müssen. E-LKW und Schwermotoren auf elektrischer Basis haben in meiner Vorstellung von Zukunft noch keinen rechten Platz gefunden. Hier als Laie einen Lösungsweg ins Auge zu fassen, erscheint mir etwas vermessen. Aber hier liegt noch ein gewaltiges Potenzial an Einsparungen, für das wir über kurz oder lang insbesondere von der Industrie eine sinnvolle und ökologisch vertretbare Lösung erwarten.
Die dargestellte Vorgehensweise ist ökologisch zweifelsohne nicht der Stein der Weisen, aber ein pragmatischer Ansatz in einer schwierigen Zeit. Emissionen bleiben dabei leider unvermeidlich, wenn auch auf sehr deutlich reduziertem Niveau. Der „Standard“ wird kein neuer „Volkswagen“ sein (wie in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts), sondern ein Satz von Randbedingungen, die jedem Produzenten zugänglich gemacht werden. Jeder Anbieter kann die standardisierten Rahmenbedingungen zu den Grenzwerten nutzen und kreativ seine individuelle Mobilitäts-Variante daraus entwickeln.
Und wie sagen wir‘s nun unseren Kunden? Das neue Verbrenner-Auto wird nicht auf „schnell“, „eindrucksvoll“ und „Emotion“ getrimmt sein, sondern wird eine bequeme Form der Überbrückung des Weges von A nach B darstellen und als solches eine Ergänzung zum öffentlichen Personenfernverkehr sein. Dieser Autotyp könnte nach einer unabhängigen sachlichen Überprüfung der Rahmenbedingungen zum Standard erhoben werden, der von der Politik durch finanzielle Anreize marktfähig gemacht wird. Finanziert werden diese Anreize z.B. durch spürbare Luxussteuern, die fällig werden, wenn man unbedingt die „alte“ Form von großen (überdimensionierten) Autos fahren möchte. Einige Länder in Nordeuropa haben auf diesem Feld vergleichbare Regeln gefunden und fahren gut damit. Sie werden das Arbeitslosenproblem nicht lösen müssen, das mit der Industrie absehbar verbunden sein wird.
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