Was heißt hier „Generation Z“?

Letzte Woche wurde mir als potenziellem Baby Boomer, die Gelegenheit zuteil, eine Präsentation zur „Generation Z“ wahrnehmen zu können. Zahllose Umfrageergebnisse wurden präsentiert, die alle möglichen Facetten dieser Generation beleuchteten. Was mir erst nach und nach klar wurde, handelt es sich bei dieser sogenannten „Generation Z“ um jene Menschen, die jetzt und in den nächsten Jahren ihren Weg in ein selbstbestimmtes Arbeitsleben suchen. Dabei, so wird suggeriert und vermittelt, würden sie andere Präferenzen und Ziele verfolgen als die vorherigen „Generationen“ der Babyboomer, der X-er und der Y-er. Diese Abgrenzung konnte man noch nachvollziehen. – Aber ist das ganze Konzept nicht ein überdimensionierter intellektueller „Bullshit“ (auf Deutsch: Unfug)?

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Ich kann mich der Einzelheiten, die über mich hereinbrachen, nicht mehr im Detail erinnern. Das wäre zu viel verlangt. Ich werde auch die vorgetragenen Aspekte im Einzelnen nicht in Frage stellen. Es sind ja im wesentlichen Umfrageergebnisse, die ich nicht validieren kann. Ich glaube, darum geht es auch gar nicht. Es geht mehr um zwei methodische Fragen:

  • Ist das ganze Konzept in sich schlüssig? und
  • Aus welchem Interesse heraus könnte dieses Konzept entwickelt sein?

Ist das Konzept in sich schlüssig?

Die Feststellungen zu den diversen Generationen sollen ja eine Aussage oder besser eine Differenzierung zu denen ermöglichen, die nicht der jeweiligen Generation angehören. Aber der Fokus des Generationen-Konzepts liegt ausschließlich in der Darstellung von Haltungen und Einschätzungen der jeweiligen Generation ohne sich zu fragen, wie sieht es denn in der Gesamtgesellschaft aus? Wird hier nicht ein Popanz aufgebaut, der in seiner Relevanz für das Gesamte keinerlei Bedeutung hat? Was mir aufgefallen ist, dass natürlich Referenzen zu den Aussagen der vorherigen „Generationen“ gezogen werden. Was hat sich geändert? Aber die Tatsache, dass sich auch die Gesamtgesellschaft laufend in ihren Haltungen und Meinungen verändert, wird nicht oder nur unzureichend diskutiert. Man hat den Eindruck, die jeweilige gerade gängige „Generation“ ist nur mit sich selbst beschäftigt.

Zum Begriff der Generation: Eine neue Generation beginnt, wenn die bestehende Generation zur Reproduktion „schreitet“ oder kommen kann. Hier beginnt eine Generation mit der Geburt des Nachwuchses. Man geht allgemein davon aus, dass eine Generation etwa 30 Jahre umfasst. Diese Zeitspanne könnte sich aufgrund ökonomisch-sozialer Komponenten etwas verlängert haben. Aber hier ist der Beginn einer Generation durch den Jahrgang eindeutig erfasst.

Der „Generation“-Begriff, den dieses Konzept benutzt, kümmert sich in keiner Weise um die Kinder- und Jugendjahre der jeweiligen Kandidaten, sondern lassen die „Generation“ entstehen, wenn die ehemaligen Jugendlichen aus der Ausbildung heraustreten und hoffentlich „produktiv“ werden (sollen). Aber die Konzept-Initiatoren vermeiden es, klar anzugeben, wann die Eigenschaft der „Generation“ eintritt und wann sie endet, denn wir werden ja alle älter. Da ich nach wie vor unter die „Baby Boomer“ zähle, wird mir stillschweigend unterstellt, dass ich noch der gleiche „Dussel“ sei wie damals und ich keinerlei Entwicklung in meinem Denken und Handeln durchlaufen habe. Das ist die individuelle Seite der Konzentration des Konzepts auf die „Generation“ ohne sich um die Veränderung der Gesellschaft über die Zeit zu kümmern.

Das „Generationen“-Konzept lebt von irgendwelchen Umfrageergebnissen, die im Überfluss und kritiklos wie ein Evangelium bereitgestellt werden. Wo sind eigentlich die Umfrageergebnisse, die das Konzept in Frage stellen würden? Die Praxis lehrt, es gibt nicht nur Umfrageergebnisse, die die Position des „Generationen“-Konzeptes stützen; aber davon hört und sieht man nichts. Das verstärkt meinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Konzepts doch sehr.

Wenn die „Generation XYZ“ eine sinnvolle Aussage ist, dann muss die einzelne Generationen-Schicht ein gewisses Maß an Homogenität aufweisen. Dazu müssten die verschiedenen Einkommensschichten die gleichen Präferenzen aufweisen. Das halte ich für ein Gerücht. Wenn der Mittelstand glaubt, es sich leisten zu können, gewisse Erwartungen hinsichtlich Job und Karriere zu äußern und auch umzusetzen, so ist dieser Weg den unteren Einkommensschichten i.d.R. verbaut, weil hier „das Fressen vor der Moral“ (Bert Brecht) kommt und damit die Erwartungen der „Generation Z“ diesbezüglich ins Leere laufen. Die Idee der „Generationen XYZ“ ist also auf ein bestimmtes Klientel zugeschnitten, was wiederum die Vermutung nährt, dass es sich nicht um den Versuch von Erkenntnisgewinn hinsichtlich gesellschaftlicher Phänomen handelt, sondern eher einen rein kommerziellen Hintergrund hat.

Kommen wir zu der Frage, welche Erkenntnis ziehen wir aus diesen Umfragen? Umfragen werden strukturiert bzw. designed. Es ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe, einen Fragebogen so zusammenzustellen, dass nicht bei der Formulierung der Frage oder des Fragenzusammenhangs schon die erwartete Antwort durchschimmert. Dann geht es auch um den Stichprobeumfang, die Methode der Auswahl der Probanden, die beide ebenfalls durch spätere Hochrechnungen zu gravierenden Fehlinterpretationen führen können.

Aber ganz entscheidend bleibt, dass die Vielzahl an Ergebnissen eine gewaltige Häufung von Informationen oder meinetwegen Wissen darstellt, aber keinerlei Erkenntnis vermittelt, solange wir nicht in der Lage sind, die Ursache für die beobachtete Entwicklung oder Veränderung bieten zu können – es geht nicht um die Frage, was statistisch aufbereitet geantwortet wurde, sondern es geht um die Frage, warum haben die Beteiligten so und nicht anders geantwortet. Diese Frage lässt sich auch mit der doppelten Datenmenge nicht erschlagen, weil diese Frage qualitativer Natur ist und nicht durch quantitative Aussagen beantwortet werden kann. Einen Trick gibt es (noch) nicht, der dieses grundlegende Problem löst!

Aufgrund der Argumente bin ich der Auffassung, dass das Konzept einer systematischen Überprüfung nicht standhält bzw. von seinem Aufbau her nie dazu dienen sollte, wirkliche Erkenntnisse bereitzustellen. Im Grunde arbeitet das System wie Google: aus Informationen Geld machen. Vielleicht ist das auch des Pudels Kern! Und das führt uns direkt zur zweiten Frage:

Aus welchem Interesse heraus könnte dieses Konzept entwickelt sein?

Die Beantwortung dieser Frage wäre vielleicht möglich, wenn man die Veröffentlichungen auf diesem Felde zurückverfolgt bis zum Ursprung. Das ist es mir offen gestanden nicht wert. Eine andere Überlegung entsteht aus der Frage, wollen die Initiatoren überhaupt Erkenntnis gewinnen, oder will man nur möglichst viel Informationen über einen begrenzten Teil der Bevölkerung (eben über die „Generation“) sammeln, um damit einen anderen, rein quantitativen Zweck zu verfolgen. So wie sich die Sache mir erschließt, würde ich die Initiatoren auf dem Feld des Marketings verorten. Nichts ist ökonomisch sinnvoller, als die Gesellschaft in Schichten zu teilen (auch dann, wenn es u.U. objektiv falsch ist), um dann diesen selbstgeschaffenen Schichten Profile zu vermitteln, die einer größeren Zahl von eher gedankenlosen Schichtmitgliedern als Orientierung bzw. Identifikation dienen können. Zudem lassen sich zwischen den diversen Schichten (hier: Generationen) wunderbar „Spannungen“ erzeugen, indem man bei neuen „Generationen“ die bestehenden in ihrer Bedeutung zurücksetzt und dadurch u.U. Wettbewerb hervorruft, was sich dann vorteilhaft für jene auswirken kann, die die herausgestellten Eigenschaften der jeweiligen „Generation“ besonders effektiv bedienen können (und wollen). Damit ist der „Bullshit“ nichts anderes als eine groß angelegte supranationale Marketing-Strategie mit dem Ziel, diese „Generationen“ finanziell durch „maßgeschneiderte Angebote“ (so der freundlich klingende Slogan) noch gezielter ausquetschen zu können.

Es ist also absehbar, dass es in den nächsten Jahren eine neue „Generation“ geben wird. Ob dann der Name „Alpha-Generation“ so überzeugend sein wird, hängt von den Erwartungen der Initiatoren ab, die eine neue Generation immer dann ausrufen werden, wenn sich aus den Umfrageergebnissen irgendetwas wirtschaftlich Verwertbares, also ein Markt konstruieren lässt.

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