Mein Wissen über Künstliche Intelligenz (KI) ist begrenzt. Die Bezeichnung „KI“ erscheint mir angesichts der verwendeten Algorithmen gegenwärtig noch deutlich überzogen. Das liegt aber daran, dass ich Intelligenz und Fakten-Wissen nicht in einen Topf packe. Fakten sind wichtig, aber die Verfügbarkeit von Fakten macht noch keine intelligente Aussage, wenn die Zusammenhänge nicht verstanden werden.
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Ein junger Bekannter aus der Generation meiner Kinder hat mich dann in die für jedermann verfügbaren Formen der KI eingeführt, indem er mir die Zugänge aufzeigte und mich Fragen an das System stellen ließ. Es hat Spaß gemacht und die Antworten sind je nach Fragestellung durchaus komplex. Dabei habe ich mich dann auf „phind.com“ konzentriert, weil diese KI klare Hinweise auf die verwendeten Quellen gibt.
Meine Test-Fragen an das System wurden immer „hinterfotziger“ und als Krönung habe ich auf die Frage: „ Wer sagte: „Heinrich, Heinrich, mir graut vor Dir“ in welchem Zusammenhang?“ folgende unerwartete Antwort erhalten: „Die Phrase „Heinrich, Heinrich, mir graut vor Dir“ wurde von Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in einem Plenum des Hessischen Landtags verwendet. Dieser Ausdruck wurde in Bezug auf Heinrich Heidel (FDP) geäußert, während einer Diskussion über den Naturpark und die Bäume in der Region. Heidel hatte zuvor über die Bäume und den Baumbestand gesprochen, was zu einer kritischen Reaktion von Al-Wazir führte.“ Ich gehe davon aus, dass die Beschreibung des Vorfalls stimmt, aber die KI hat in keiner Weise die Zusammenhänge des Zitats erkannt.
Einerseits wurde nicht erkannt, dass dieses Zitat aus Goethes Faust stammt und das Gretchen diese Aussage in einem Zustand großer existenzieller Verzweiflung macht. Zum anderen wäre es auch sehr interessant, welche konkreten Zusammenhänge Tarek Al-Wazir veranlassten, diese Formulierung zu wählen. Aber ein Algorithmus, dessen ‚Wahrnehmung‘ durch Korrelationen bestimmt wird, kann so nicht „um die Ecke“ denken. Da beginnt dann vermutlich die natürliche, menschliche Intelligenz.
Im Bezug auf den Klimawandel lassen sich bei der KI viele Fragen platzieren und die Antworten sind nicht immer befriedigend, aber nehmen doch viel Recherchearbeit ab. Oder sagen wir es präziser, mit den Antworten fängt die Arbeit erst richtig an. Die Antworten sind in Sekundenschnelle verfügbar, deren Prüfung auf Plausibilität erfolgt bei mir dann natürlich analog und frisst richtig Zeit, weil manchmal von der KI Fakten und auch Meinungen herangezogen werden, die mir unbekannt oder in diesem Zusammenhang nicht vermittelbar sind.
Dabei kam mir der Gedanke zu versuchen, durch Fragen an das KI-System das dort erfasste ‚Bild‘ der Bevölkerung zur Klimakrise „herauszukitzeln“, das dann vermutlich das Bild wiedergibt, das sich die Öffentlichkeit von der Klimakrise macht und das nach meiner Auffassung nur bedingt die Erkenntnisse der Wissenschaft widerspiegelt. Dabei geht es darum, im Zusammenhang mit der Klimakrise die „richtigen“ Fragen zu stellen, mit dem Ziel, das System an seine ‚Grenzen‘ zu führen. Ob das gelingt, muss sich zeigen.
KI ist ein mächtiges Instrument, um die Nutzer des Systems nahezu unbemerkt mental dorthin zu ‚schubsen‘ (neudeutsch: zu nutchen), wo dem Systemproduzenten unsere Meinungsbildung nützlich erscheint. Kann man im Falle der Klimakrise (und ähnlich politisch brisanter Themen) weitgehend ausgeschlossen werden, dass hier mit KI ein zusätzliches Tor der Manipulation geschaffen wurde?
Denken wir zurück an die Anfänge des Internets – niemand hat die Entwicklung des Internets zu einem globalen Markt, die Entwicklung der Social Media und deren zweifelhaften Einfluss auch nur im Ansatz vorher gesehen. Man geht gerne von einer kritischen Öffentlichkeit aus, vergisst aber die sehr weit verbreitete intellektuelle Bequemlichkeit, wenn auf meine individuell gestellte Frage schriftlich eine wohlformulierte Antwort ‚vorgekaut‘ wird.
Künstliche Intelligenz, so wie sie heute ausgeprägt ist, wird anhand der veröffentlichte Meinung trainiert. KI ist ein kommerzielles Projekt (und wenn es das heute noch nicht sein sollte, so ist die Kommerzialisierung das Ziel der Betreiber). Jede an das System gerichtete Frage wird über Korrelationen und Häufigkeitsverteilung zu einer Antwort geführt und das geht unvorstellbar schnell. Einfache Fragen werden auch über einfache Korrelationen verarbeitet. Wenn ich also eine substanziellere Antwort haben möchte, muss ich das System „stressen“, um hinsichtlich der Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten für die Aufbereitung der Antworten auf ein höheres Anspruchsniveau zu kommen. Und das ist nicht trivial und fordert den Frager heraus.
Hier sind wir m.E. nun an einer Weggabelung: KI ist nur dann ein Mittel zur Steigerung unserer Fähigkeiten, wenn der Frager in der Lage ist, das System mit seinen Fragen auf ein immer anspruchvolleres Niveau zu treiben. Trivale Fragen werden auch trivial beantwortet – gewissermaßen mit dem Kenntnisstand des Mainstreams. Irgendwelche Erkenntnisse lassen sich daraus kaum gewinnen. Wenn das System einen Nutzen haben soll, so muss der Fragesteller, einem Kriminalisten ähnlich, bemüht sein, den ‚Delinquenten‘ in die Enge zu treiben. Dann, so mein Eindruck, wird die Antwortqualität stetig besser. Zur Ehrenrettung des Systems muss man darauf hinweisen, dass die KI am Ende jeder Ausführung weiterführende Fragen vorschlägt, deren Beantwortung oftmals in die gewünschte Richtung weisen können.
Je weiter man das Spiel auch treibt, so bleibt die Frage, ob der Frager noch in der Lage ist, die verfügbare Antwort zu beurteilen. Wie viel Arbeit steckt darin, die Antwort zu bewerten, wenn man nicht blind den Aussagen der KI vertrauen will? Zusätzlich kam mir eine Frage aus den 68-er Zeiten in den Sinn, als man sich die Frage stellte: Kann man Quantität in Qualität überführen? Oder lässt sich Qualität über rein quantitative Methoden beurteilen? Was ist also naheliegender, als diese Frage der KI zu stellen? (siehe unten)
Um meine Wahrnehmung ein wenig auf Plausibilität zu unterlegen, habe ich (wenig systematisch) insgesamt 25 Fragen aus dem Bereich der Klimakrise gestellt und die präsentierten Antworten verwendet, um daraus weitere Fragen abzuleiten. Die Antworten umfassen über 30 Seiten Text, deren Präsentation den üblichen Umfang dieses Artikels sprengen würde. Im Anhang habe ich die 25 Fragen zusammengestellt; jeder kann sich die Antworten bei „phind.com“ selber holen.
Wenn ich nun versuche, ein Fazit zu ziehen, wird es schwierig: Wenn ich die Antworten so auf mich wirken lasse, könnte ich den Eindruck gewinnen, dass doch alle Zweifel überflüssig sind. Die Antworten werden im Brustton der Überzeugung vorgebracht. Man könnte meinen, alles sei bedacht, wir müssten eigentlich zur Umsetzung übergehen. Und die KI trifft hierbei sicherlich den Nerv vieler Klima-Aktivisten.
Aber: Wenn man zu diesen Fragen (manchmal) dicke Bücher liest, dann kommen Zweifel, ob sich die KI mit Hilfe von Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten einen besseren Durchblick verschaffen kann, als die oft filigranen Argumente eines Narrativs. Manchmal wünsche ich mir die Reduzierung auf das Wesentliche, zu der die KI hoffentlich beitragen kann. Dann kommt wieder die Lebenserfahrung, dass es bei der Umsetzung nicht nur um Sachthemen geht, sondern um die Fähigkeit, seine Mitmenschen ein Stück weit mitzunehmen. Und da habe ich den Eindruck, dass die KI noch viel Luft nach oben hat.
Zum Schluss die Beantwortung der Kernfrage: Gibt es einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt?
Antwort von KI (phind.com):
„Ja, es gibt einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt, ein Konzept, das in der dialektischen Philosophie, insbesondere im dialektischen Materialismus, diskutiert wird. Dieses Konzept wird als „Umschlag von Quantität in Qualität“ bezeichnet und besagt, dass auf einem bestimmten Punkt rein quantitative Änderungen zu einer qualitativen Veränderung des sich verändernden Objekts führen. Umgekehrt kann eine qualitative Änderung auch Auswirkungen auf die quantitativen Merkmale des Objekts haben. Dieses dialektische Grundgesetz ist ein zentraler Bestandteil der dialektischen Philosophie und wird in verschiedenen Kontexten, von der Naturwissenschaft bis zur Sozialwissenschaft, angewendet, um die Dynamik von Veränderungsprozessen zu erklären.
Es ist wichtig zu beachten, dass dieses Konzept sowohl Anerkennung als auch Kritik erfahren hat. Kritiker argumentieren, dass die dialektischen Grundgesetze, einschließlich des Umschlages von Quantität in Qualität, oft als bloße Wortspielerei oder als Versuch, komplexe physische und chemische Prozesse zu vereinfachen, angesehen werden. Sie werfen vor, dass diese Ansätze die tatsächlichen Mechanismen und Prozesse, die hinter solchen Übergängen stehen, eher verdecken als zu klären. Trotz dieser Kritik bleibt das Konzept des Umschlages von Quantität in Qualität ein nützliches Werkzeug, um die Art und Weise zu verstehen, wie Systeme und Prozesse sich entwickeln und transformieren können.“
Da sind wir vor über 50 Jahren schon mal gewesen. Ich hatte die Hoffnung, es gäbe zu dieser Frage inzwischen etwas Handfesteres, etwas Greifbareres. In den 68-er Jahren hat mich diese Ausführung nicht überzeugen können. Das hat sich über die Zeit nicht geändert. Für meine Verständnis gibt es eben zwei Zugänge, die Realität zu beschreiben und nur dann, wenn beide Zugänge ausreichend untersucht wurden, kann man so etwas wie „richtig“ oder „angemessen“ erwarten. Die KI ist ein Kind der Quantität, also dürfen wir keine Aussagen erwarten, die etwas zur Qualität beizutragen haben. Sollten trotzdem qualitative Aussagen gemacht werden, ist große Vorsicht angebracht.
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Anhang
Fragenkatalog:
1. Was ist ökonomische Effizienz und welche Bedeutung hat siefür das Wirtschaftssystem?
2. Wer sagte: „Heinrich, Heinrich mir graut vor dir?“ und in welchem Zusammenhang?
3. Welche Modell und Erhebungsverfahren werden zur Bewertung externer Effekte verwendet?
4. Was umfasst das Coase-Theorem?
5. Wie wird das Coase_Theorem in der Praxis angewendet?
6. Wo liegen die offensichtlichen Defizite der kapitalistischen Wirtschaftsweise?
7. Welches sind die wesentlichen Treiber der Klimakrise?
8. Welche Maßnahmen können die Auswirkungen der Klimakrise neutralisieren?
9. Wie können Unternehmen dazu beitragen, die Auswirkungen der Klimakrise zu neutralisieren?
10. Welche ökonomischen Aktivitäten stehen im Widerespruch zur Klimakrise?
11. Wie kann das Wirtschaftswachstum aufgehalten werden, um die Umweltbelastung zu reduzieren?
12. Wie wird sichergestellt, dass die Internalisierung von Umweltkosten fair und transparent ist? Was ist in diesem Zusammenhang als „fair“ zu betrachten?
13. Kann man grundsätzlich unterschiedliche Strategien und Ansätze zur Abwehr der Klimakrise feststellen?
14. Gibt es Ansätze, die die Wachstumsideologie ernsthaft in Zweifel ziehen?
15. Welche Auswirkungen hat die Postwachstumsökonomie (Degrowth) auf die Wirtschaft?
16. Welche ökologischen Grenzen werden in den ökonomischen Modellen respektiert?
17. Welche Bedeutung haben die Ansätze der „Suffizienz“?
18. Wie könnte die Umstellung von Wirtschaftswachstum auf Suffizienz umgesetzt werden?
19. Welche alternativen Wirtschaftsmodelle werden aktuell werden in Forschung und Praxis untersucht?
20. Welche Bedeutung hat das Eigentumsprinzip für die Klimakrise?
21. Welche konkreten Maßnahmen können ergriffen werden, um das Eigentumsprinzip zu ändern und eine gerechtere Verteilung von Ressourcen zu fördern?
22. Wie wird der Klimawandel die menschliche Gesellschaft beeinflussen?
23. Welche ökologische Auffassung steht am meisten in der Kritik?
24. Welche Alternativen oder Ergänzungen zur ökonomischen Bewertung der Natur schlagen die Kritiker vor?
25. Wie können ökonomische Instrumente so gestaltet werden, dass sie die Treiber der Naturzerstörung treffen?
26. WElche Anreize können angewendet werden, um die Nutzung von Ressourcen zu steuern und die Naturzerstörung zu reduzieren?
27. Gibt es einen Punkt, an dem Quantität sich zu Qualität wandelt?
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